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Germany

DE005-j

LG Mannheim, 14.04.2023, 7 O 91/22 – Geheimnisschutzanordnung II 

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Gericht:

LG Mannheim 7. Zivilkammer

Entscheidungsname:

Geheimnisschutzanordnung II

Entscheidungsdatum:

14.04.2023

Aktenzeichen:

7 O 91/22

ECLI:

ECLI:DE:LGMANNH:2023:0414.7O91.22.00

Dokumenttyp:

Beschluss

Quelle:

juris

Normen:

§ 145a PatG, § 16 Abs 1 GeschGehG, § 19 Abs 1 GeschGehG, § 20 Abs 1

GeschGehG, EURL 2016/943

Geheimhaltungsanordnung nach GeschGehG im Patentverletzungsverfahren bei zwischen den Parteien abgeschlossenem NDA - Geheimnisschutzanordnung II Leitsatz

  • 1.    Die §§ 16 ff. GeschGehG i.V.m. § 145a PatG verfolgen den Zweck, den Parteien Vortrag zu geheimhaltungsbedürftigen Informationen im Prozess zu ermöglichen, ohne dabei den Bestand des Geschäftsgeheimnisses zu gefährden. Sie zielen insoweit auf den Schutz der Information vor einer Nutzung und Offenlegung durch die Gegenseite. (Rn.6)

  • 2.    Hat sich die Gegenseite zum Schutz der Information bereits vertraglich und strafbewehrt verpflichtet, insbesondere im Rahmen eines NDA, bedarf es - jedenfalls im unionsrechtlich durch die Richtlinie (EU) 2016/943 vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung nicht determinierten Anwendungsbereich des § 145a PatG - keiner verfahrensrechtlichen Anordnungen, um Geheimnisschutz und hierdurch effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, womit es einem Antrag, der auf Einstufung von Informationen als geheimhaltungsbedürftig gerichtet ist, in der Regel am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die etwaige vertragliche Vereinbarung, Informationen im Gerichtsverfahren nicht ohne gerichtliche Anordnung von Geheimhaltungsmaßnahmen zu offenbaren, rechtfertigt keine andere Beurteilung. (Rn.9) (Rn.20)

  • 3.    Das bloße Interesse des Geheimnisinhabers am Schutz vor der Offenbarung durch an der Streitsache beteiligte Dritte wie Richter und Urkundspersonen der Geschäftsstelle begründet ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach §§ 16 ff. GeschGehG i.V.m. § 145a PatG nicht. (Rn.11)

Tenor

  • I.    Die folgenden, durch die Beklagten im Prozess [...] offenbarten Informationen, welche Angaben zu [...] betreffen, werden als geheimhaltungsbedürftig eingestuft:

  • •- [...];

  • •- [...].

Diese Einstufung bezieht sich auf die Information als solche, sodass diese auch dann erfasst ist, wenn sie in weiteren Schriftsätzen oder Anlagen erneut offenbart wird.

Im Übrigen wird der weitergehende, auf Einstufung gerichtete Antrag der Beklagten vom 10.02.2023 abgelehnt.

  • II.    Die folgenden, durch die Klägerin im Prozess [...] offenbarten Informationen, welche Angaben zum Inhalt von [...] beinhaltet, werden als geheimhaltungsbedürftig eingestuft:

  • •- [...].

Diese Einstufung bezieht sich auf die Information als solche, sodass diese auch dann erfasst ist, wenn sie in weiteren Schriftsätzen oder Anlagen erneut offenbart wird.

Im Übrigen wird der weitergehende, auf Einstufung gerichtete Antrag der Klägerin vom 13.01.2023 abgelehnt.

  • III.    Die folgenden, durch die Klägerin im Prozess [...] offenbarten Informationen, welche Angaben zum Inhalt von [...] beinhaltet, werden als geheimhaltungsbedürftig eingestuft:

  • • - [...];

  • • - [...];

  • • - [...].

Diese Einstufung bezieht sich auf die Information als solche, sodass diese auch dann erfasst ist, wenn sie in weiteren Schriftsätzen oder Anlagen erneut offenbart wird.

Es besteht für die Beklagte gem. § 20 Abs. 2 S. 1 GeschGehG Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum [...].

Im Übrigen wird der weitergehende, auf Einstufung gerichtete Antrag der Klägerin vom 29.03.2023 in der Fassung vom 06.04.2023 abgelehnt,

mit Ausnahme des Antrags hinsichtlich des [...], über den zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden wird (vgl. insoweit Verfügung [...]).

  • IV.    Die folgenden, durch die Beklagten im Prozess [...] offenbarten Informationen, welche [...] betreffen sowie [...] werden als geheimhaltungsbedürftig eingestuft:

  • • - [...];

  • • - [...].

Diese Einstufung bezieht sich auf die Information als solche, sodass diese auch dann erfasst ist, wenn sie in weiteren Schriftsätzen oder Anlagen erneut offenbart wird.

Es besteht für die Klägerin gem. § 20 Abs. 2 S. 1 GeschGehG Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum [...].

Im Übrigen wird der weitergehende, auf Einstufung gerichtete Antrag der Beklagten vom 31.03.2023 abgelehnt.

  • V . Der Zugang zu den unter Ziff. III genannten Informationen, soweit sie im Verfahren vorgelegt werden, wird auf Seiten der Beklagten – neben ihren Prozessbevollmächtigten oder sonstigen externen Vertretern im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 3 GeschGehG – beschränkt auf folgende Personen:

[...].

Auch der Zugang zur mündlichen Verhandlung und zu der Aufzeichnung bzw. dem Protokoll der mündlichen Verhandlungen, soweit dabei entsprechende Informationen offengelegt werden, wird auf Seiten der Beklagten – neben ihren Prozessbevollmächtigten oder sonstigen externen Vertretern im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 3 GeschGehG – beschränkt auf die bezeichneten Personen.

Die Kammer behält sich vor, nach etwaiger bis zum [...] erfolgten Stellungnahme der Beklagten die Anordnung abzuändern (§ 20 Abs. 2 GeschGehG). Den Beklagten wird aufgegeben, [...].

  • V I. Es ergehen folgende Hinweise:

  • 1.    Die Parteien, ihre Prozessvertreter, Zeugen, Sachverständige, sonstige Vertreter und alle sonstigen Personen, die an dem vorliegenden Verfahren beteiligt sind oder die Zugang zu Dokumenten eines solchen Verfahrens haben, müssen die als geheimhaltungsbedürftig eingestuften, in das Verfahren eingeführten Informationen vertraulich behandeln und dürfen diese außerhalb dieses gerichtlichen Verfahrens nicht nutzen oder offenlegen, es sei denn, dass sie nachweislich von diesen außerhalb dieses Verfahrens rechtmäßig Kenntnis erlangt haben und sich im Rahmen der ggf. mit dieser anderen Kenntniserlangung verbundenen Beschränkungen halten. Diese Verpflichtungen bestehen auch nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens fort. Dies gilt nicht, wenn und soweit das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses hinsichtlich der als geheimhaltungsbedürftig eingestuften, in das Verfahren eingeführten Informationen durch rechtskräftiges Urteil verneint wird oder sobald die betroffenen Informationen für Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit solchen Informationen umgehen, bekannt oder ohne Weiteres zugänglich werden, ohne dass dies auf einem Verstoß gegen die Geheimhaltungsverpflichtung beruht.

  • 2.    Das Gericht kann auf Antrag einer Partei bei schuldhaften Zuwiderhandlungen gegen die Vertraulichkeitspflichten ein Ordnungsgeld bis zu 100.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festsetzen und sofort vollstrecken.

  • VII.    Den Parteien wird aufgegeben, die von Ziffer I-IV erfassten Informationen in ihrem schriftsätzlichen Vortrag jeweils besonders kenntlich zu machen (bspw. farbige Unterlegung).

  • VIII.    Über die weiteren Anträge betreffend den Ausschluss der Öffentlichkeit in der mündlichen Verhandlung bzw. in einem etwaigen Verkündungstermin wird die Kammer zu gegebener Zeit entscheiden.

  • IX.    Soweit mit weiteren Anträgen die Akteneinsicht durch Dritte sowie eine Urteilsveröffentlichung in den Blick genommen wird, besteht für einen Beschluss mit entsprechendem Inhalt kein Raum, weil die mit der Einstufungsanordnung allenfalls einhergehende, die gerichtliche Tätigkeit betreffende Wirkung nach § 16 Abs. 3 GeschGehG weder einer gesonderten Anordnung noch eines Hinweises bedarf (vgl. § 20 Abs. 5 Satz 2 Gesch-GehG).

Gründe

  • 1    I. Die Klagepartei führt gegen die beklagten Parteien einen Patentverletzungsrechtsstreit. Die Parteien begehren im Rahmen ihres Vortrags zum kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand / FRAND-Lizenzeinwand bestimmte Informationen nach § 16 Abs. 1 Ge-schGehG als geheimhaltungsbedürftig einzustufen sowie weitere Schutzanordnungen zu treffen. Die betreffenden Informationen sind zum Teil bereits Gegenstand einer zwischen den Parteien getroffenen Geheimhaltungsvereinbarung (non disclosure agreement - NDA).

  • 2    II. Die Anordnungen nach Ziff. I-V beruhen, soweit sie den Anträgen der Parteien stattgeben, auf § 145a PatG iVm. § 16 Abs. 1, § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1 GeschGehG.

  • 3    III. Im Übrigen sind die auf Einstufung gerichteten Anträge abzuweisen, weil sie ausschließlich Informationen betreffen, welche dem zwischen den Parteien geschlossenen NDA unterfallen.

  • 4    Da diese Anträge allein auf den Schutz gegenüber Dritten i.S.d. § 16 Abs. 2 GeschGehG gerichtet sind, fehlt ihnen das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Bereits im unmittelbaren Anwendungsbereich des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen besteht insoweit in der Regel kein Rechtsschutzbedürfnis für gerichtliche Schutzanordnungen (dazu 1.), vorbehaltlich einer richtlinienkonformen Auslegung, die im auf Patentstreitsachen erweiterten Anwendungsbereich nicht angezeigt ist (dazu 2.). Eine hiervon abweichende Rechtsanwendung ist im Rahmen der entsprechenden Anwendbarkeit nach § 145a PatG nicht geboten (dazu 3.). Nach den Umständen im konkreten Streitfall ist keine andere Betrachtung veranlasst (dazu 4.).

  • 5    Der gem. § 20 Abs. 5 S. 3 GeschGehG erfolgte Hinweis der Kammer ([...]) war auf die hiernach gestellten Anträge der Parteien nicht zu wiederholen, da die Kammer den zugrunde gelegten Erwägungen weiterhin folgt und ein weiterer Hinweis gleichen Inhalts absehbar keine abweichenden Stellungnahmen der Parteien auslösen würde.

  • 6      1. Die §§ 16 ff. GeschGehG verfolgen den Zweck, den Parteien Vortrag zu geheimhaltungsbedürftigen Informationen zu ermöglichen, ohne dabei den Bestand des – mit einer Klage i.S.d. § 15 Abs. 1 GeschGehG gerade durchzusetzenden – Geschäftsgeheimnisses zu gefährden. Besteht zwischen den Parteien ein NDA zum Schutze der Informationen, bedarf es grundsätzlich keiner gerichtlichen Schutzanordnungen, womit einem entsprechenden Parteiantrag in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.e

  • 7    a) Der Geschäftsgeheimnisinhaber als Anspruchsteller wird spätestens bei der Darlegung und dem Beweis der Anspruchsvoraussetzungen, zu denen das Bestehen eines geschützten Geheimnisses gehört, gezwungen sein, das Geheimnis offenzulegen (vgl. Oh-ly/Stierle, GRUR 2021, 1239). Ohne den verfahrensrechtlichen Schutz nach §§ 16 ff. Ge-schGehG sieht der Geheimnisinhaber aber möglicherweise von einer Rechtsverfolgung ganz ab, weil er um den Verlust der vertraulichen Information im Verfahren fürchtet (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander, 41. Aufl. 2023, GeschGehG § 16 Rn. 1), und zwar im Hinblick auf eine fehlende oder fragliche Verschwiegenheitspflicht der beklagten Partei, die – in Gewährleistung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG – Zugang zum gesamten Prozessstoff erhält (vgl. auch § 299 Abs. 1 ZPO). Das mit der Klage verbundene Risiko kann daher die effektive Rechtsdurchsetzung gefährden (vgl. Be-gr. zum RegE, BT-Drs. 19/4724, 35), wenngleich der Geschäftsgeheimnisschutz im Zivilprozess schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zu ermöglichen war, namentlich auf Grundlage der Vorschriften zum Ausschluss der Öffentlichkeit für die Verhandlung nach §172 Nr. 2, § 174 Abs. 3 GVG. Der Gesetzgeber hat in Anbetracht dieser Gefahr den verfahrensrechtlichen Schutz nach §§ 16 ff. GeschGehG für das (etwaige) Geschäftsgeheimnis zunächst nur in Bezug auf „Geschäftsgeheimnisstreitsachen“ eingeführt und keine grundlegende Umgestaltung des Prozess- und Gerichtsverfassungsrechts hinsichtlich des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen vorgenommen. Durch die mit den Regelungen zum verfahrensrechtlichen Schutz ermöglichte gerichtliche Anordnung kann der Kläger bei Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen dem prozessualen Bestimmtheitsgebot und dem materiell-rechtlichen Konkretisierungsgebot (schon außerhalb der Verhandlung) genügen, ohne sein Geheimnis schutzlos offenlegen zu müssen. Zwar lässt sich die Kenntnis des Beklagten auf diese Weise nicht verhindern, jener darf die Informationen (nun) aber weder nutzen noch offenlegen (Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, GeschGehG § 20 Rn. 6).

  • 8    Die im unmittelbaren Anwendungsbereich ermöglichten verfahrensrechtlichen Anordnungen nach §§ 16 ff. GeschGehG zielen dementsprechend primär auf den Schutz der Information vor einer Nutzung und Offenlegung durch die Gegenseite. Nur dieser gegenüber besteht ein maßgebliches Schutzbedürfnis für Anordnungen nach § 16 Abs. 1 GeschGehG. Auch ist es nur die Gegenseite, die mit Rücksicht auf die Beeinträchtigung ihrer Rechtsstellung bei Einstufung der Information als Geschäftsgeheimnis i.S.d. § 16 Abs. 1 GeschGehG gemäß § 20 Abs. 2 GeschGehG anzuhören ist, wobei die Anhörung – gerade wegen der drohenden Geheimnisverletzung in der Zwischenzeit bis zur Entscheidung – regelmäßig erst nach Anordnung der Maßnahme vom Gericht erfolgt (vgl. Begr. zum RegE, BT-Drs. 19/4724, 38; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander, 41. Aufl. 2023, GeschGehG § 20 Rn. 11).

  • 9    b) Hat sich die Gegenseite zum Schutz der Informationen zur Geheimhaltung bereits vertraglich und strafbewehrt verpflichtet, bedarf es allerdings keiner verfahrensrechtlichen Anordnungen, um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, womit es einem Antrag, der auf die Einstufung von Informationen als geheimhaltungsbedürftig gerichtet ist, in der Regel am Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

  • 10    c) Das bloße Interesse des Geheimnisinhabers am Schutz vor der Offenbarung der Information durch an der Streitsache beteiligte Dritte genügt für einen Antrag nach §§ 16 ff. GeschGehG nicht.

  • 11    Zwar werden nach § 16 Abs. 2 GeschGehG neben den Parteien auch Dritte, die an Geschäftsgeheimnisstreitsachen beteiligt sind (wie etwa Gerichtspersonen), mitgebunden. Eine von diesen ausgehende, die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes beeinträchtigende, besondere Gefahr der Geheimnisoffenbarung, welche ein hierauf gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis des Geheimnisinhabers für eine gerichtliche Anordnung begründen könnte, lässt die Gesetzesbegründung aber nicht erkennen.

  • 12    Die Rechtsstellung dieser Dritten hinsichtlich des Umgangs mit Geheimnissen wird durch das Inkrafttreten des GeschGehG gerade nicht wesentlich verändert, was sich auch darin zeigt, dass diese – anders als die Gegenpartei des Geheimnisinhabers – vor der Entscheidung nach § 16 GeschGehG nicht angehört werden müssen. So bleiben die – schon nach der früheren Rechtslage bestehenden – berufsrechtlichen und beamtenrechtlichen Verpflichtungen zur Verschwiegenheit (vgl. auch Begr. zum RegE, BT-Drs. 19/4724, 36) ebenso wie der strafrechtliche Geheimnisschutz unangetastet (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 Gesch-GehG).

  • 13    Die Bindung von Dritten durch § 16 Abs. 2 GeschGehG wirkt zugunsten des Geheimnisinhabers letztlich als bloßer Rechtsreflex zum primär den Schutz gegenüber der Gegenseite adressierenden Einstufung als Geschäftsgeheimnis; das Fehlen (nur) eines solchen reflexhaften Schutzes und damit der „Rückfall“ auf die ohnehin bestehenden Verschwiegenheitspflichten vermag für sich ein Rechtsschutzbedürfnis des Geheimnisinhabers nicht zu begründen.

  • 14     2. Es bedarf im Kontext der hier interessierenden Patentverletzungsverfahren keiner Erörterung, ob eine andere Rechtsanwendung unionsrechtlich geboten sein könnte, als das Gesetz und namentlich die Regelungen nach §§ 16 ff. GeschGehG der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 vom 08.06.2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (ABl. L 157, 1) dienen und sonach der richtlinienkonformen Auslegung unterliegen. Denn die Richtlinie ist mit der durch den nationalen Gesetzgeber angeordneten entsprechenden Anwendbarkeit des verfahrensrechtlichen Geheimnisschutzes im Patentrecht (§ 145a S. 1 PatG) – und ebenso im Gebrauchsmusterrecht (§ 26a GebrMG) – jedenfalls überschießend umgesetzt, und danach insoweit nicht auslegungs- und rechtsanwendungsleitend. Die nach Art. 9 der Richtlinie von den Mitgliedstaaten sicherzustellende Wahrung der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen im Verlauf von Gerichtsverfahren betrifft allein ein Gerichtsverfahren, „das den rechtswidrigen Erwerb oder die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses zum Gegenstand hat“ (Art. 9 Abs. 1), bzw. ein solches „im Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Erwerb oder der rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses“ (Art. 9 Abs. 2).

  • 15     3. Die durch § 145a S. 1 PatG – auf die Gesetzesvorlage der Bundesregierung vom 06.11.2020 (BR-Drs. 683/20) hin im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (2. PatMoG) – erfolgte Erstreckung des Regelungsbereichs der §§ 16 bis 20 GeschGehG auf Patentstreitsachen gebietet in Hinblick auf den Schutz des Geheimnisses gegenüber Dritten keine abweichende Rechtsanwendung bezüglich der hier interessierenden Fallkonstellation eines zwischen den Parteien bestehenden NDA und insoweit keine Absenkung der Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers.

  • 16    Der Gesetzgeber hat zwar den Anwendungsbereich der §§ 16 ff. GeschGehG dahingehend erweitert – oder jedenfalls klargestellt –, dass ebenso Informationen der beklagten Partei geschützt werden können (§ 145a S. 2 PatG, vgl. hierzu die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 19/30498, 56). Zudem hat der Gesetzgeber gerade auch sog. „FRAND“-Fälle in den Blick genommen (vgl. Be-gr. zum RegE, BT-Drs. 19/4724, S. 61: „Zur Anspruchsbegründung oder zur Verteidigung kann es notwendig sein, Geschäftsgeheimnisse vor Gericht zu offenbaren. Dies gilt zum Beispiel bei der Bestimmung von FRAND („fair, reasonable and non-discriminatory) Lizenzbedingungen, …“). Hieraus folgt aber nicht, dass es hinsichtlich solcher im Kontext des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands / FRAND-Einwands vorgebrachter Informationen der Klagepartei oder der beklagten Partei, betreffs derer ein NDA zwischen den Parteien besteht, dem subjektiven Willen des Gesetzgebers oder dem objektiven Zweck des mit dem 2. PatMoG eingeführten § 145a PatG entspräche, eine gerichtliche Einstufungsentscheidung ohne Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers erwirken zu können.

  • 17    Obgleich der Gesetzgeber wohl einen (vermeintlichen) „besonderen Bedarf“ nach prozessualem Schutz von Geschäftsgeheimnissen in „FRAND“-Fällen erkannte und daher mit der entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 16 ff. GeschGehG nach § 145a PatG einen solchen Schutz, „der einer strafbewehrten NDA gleichwertig ist“ (vgl. BeckOK PatR/Kir-cher, 27. Ed. 15.1.2023, PatG § 145a Rn. 19), gewährleistet hat, ist den Gesetzesmaterialien indes jedenfalls nicht zu entnehmen, dass ein von einem Rechtsschutzbedürfnis losgelöster Schutz der Informationen begehrt werden könnte, mit dem bei bereits vertraglicher – regelmäßig gegenüber einer gerichtlichen Anordnung strengerer, zumindest aber gleichwertiger – Bindung der (Prozess-)Gegenseite durch NDA schlicht auf eine zusätzliche Bindung der in § 16 Abs. 2 GeschGehG bezeichneten Dritten abgezielt werden kann.

  • 18    Die Forderung eines – über die zusätzliche Bindung der in § 16 Abs. 2 GeschGehG bezeichneten Dritten hinausgehenden – Rechtsschutzbedürfnisses steht mit dem objektiven Gesetzeszweck in Einklang: § 145a PatG dient allein dazu, durch Erweiterung des unmittelbaren Anwendungsbereichs der §§ 16 ff. GeschGehG den Parteien in Patentstreitsachen auch jenseits des bislang schon möglichen Geheimnisschutzes nach § 172 Nr. 2, § 174 Abs. 3 GVG Vortrag zu geheimhaltungsbedürftigen Informationen zu ermöglichen, ohne dabei den Bestand des Geschäftsgeheimnisses zu gefährden. Die effektive Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung sind für den Geheimnisinhaber auch in „FRAND“-Fäl-len – nicht anders als in Geschäftsgeheimnisstreitsachen (vgl. vorstehend III.1.b) und c)) – indes bereits dann gewährleistet, wenn die Parteien ein NDA geschlossen haben. Der Geheimnisinhaber muss dann nicht befürchten, entweder das Geheimnis oder den Prozess zu verlieren. Das Fehlen des ihn begünstigenden Rechtsreflexes in Form der Bindung auch Dritter hindert die Erreichung dieses objektiven Gesetzeszwecks aber nicht.

  • 19    Der von der Beklagten angeführten Entscheidung der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim (Beschluss vom 13.10.2021 – 2 O 73/20 ZV II, GRUR-RR 2022, 301) zur Begründung einer vom hier vertretenen Standpunkt abweichenden Rechtsauffassung lässt sich eine Aussage zur hier in Rede stehenden Fallkonstellation nicht entnehmen.

  • 20     4. Ein Rechtsschutzbedürfnis kann im Streitfall auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die Parteien bei Abschluss des NDA zusätzlich vereinbart haben, dass Informationen im Gerichtsverfahren nicht ohne gerichtliche Anordnung von Geheimhaltungsmaßnahmen offenbart werden dürfen. Denn die materiell-rechtlichen sowie die prozessualen Voraussetzungen einer Einstufungsanordnung gem. § 16 Abs. 1 GeschGehG sind der vertraglichen Disposition der Parteien entzogen (vgl. zu den materiellen Voraussetzungen eines Geschäftsgeheimnisses: Alexander, WRP 2020, 1385 Rn. 50). Soweit eine Partei durch eine vertragliche Selbstbindung eigenen Tatsachenvortrag und -nachweis im Prozess verhindert, gelten schlicht die allgemeinen Regeln des Zivilprozesses: Die Partei, die ihrer Darlegungs- oder Beweislast nicht genügt, weil sie dies selbst vereitelt, bleibt darlegungs- oder beweisfällig und hat die daraus resultierenden Prozessfolgen zu tragen (vgl. hierzu auch: OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2019, 6087 Rn. 126 - Improving Handovers).

  • 21     5. Vor dem Hintergrund des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses kann es dahinstehen, ob die betroffenen Informationen überhaupt sämtlich als Geschäftsgeheimnisse einzuordnen wären.

  • 22    Namentlich muss nicht beurteilt werden, ob i.S.d. § 2 Nr. 1 c) GeschGehG jeweils „berechtigte Interessen“ an der Geheimhaltung der Informationen bestehen. Soweit die vom Lizenzgeber geforderten Lizenzvertragsbedingungen bzw. jene Informationen betroffen sind, die der Beurteilung jener Bedingungen als FRAND-gemäß dienen, mag dies zweifelhaft und im Einzelnen besonders begründungsbedürftig erscheinen. Denn sowohl aus der Verpflichtungszusage gegenüber der Standardisierungsorganisation, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, maßgeblich insoweit bereits aus dem FRAND-Kriterium der „Fairness“, als auch aus der entsprechenden kartellrechtlichen Bindung des marktbeherrschenden Lizenzgebers, ausbeutungs- und namentlich diskriminierungsfreien Zugang zur patentgeschützten, standardessentiellen Technologie einzuräumen, folgt jedenfalls ein Mindestmaß an Transparenz des Lizenzangebots und damit der für den Interessentenkreis geltenden Lizenzierungsbedingungen (vgl. OLG Karlsruhe, GRUR 2020, 166 Rn. 122, 123 - Datenpaketverarbeitung; OLG Düsseldorf Beschl. v. 25.4.2018 – I-2 W 8/18, BeckRS 2018, 7036 Rn. 19). Danach ist es nicht ohne weiteres ersichtlich, welches rechtlich billigenswerte Interesse der Lizenzgeber daran hat, seine praktizierten Lizenzkonditionen im Gerichtsverfahren geheim zu halten (vgl. OLG Düsseldorf aaO.).

  • 23    Es bedarf schließlich auch keiner Entscheidung, ob etwa bei bloßen Datumsangaben im Kontext des Ablaufs der Vertragsverhandlungen insbesondere von einer Information „von wirtschaftlichem Wert“ i.S.d. § 2 Nr. 1 a) GeschGehG auszugehen ist.

  • 24    IV. Die Hinweise nach Ziff. VI ergehen gem. § 145a PatG iVm. § 20 Abs. 5 Satz 2, § 16 Abs. 2, § 17, § 18 GeschGehG.

  • 25    V. Über zusätzliche Maßnahmen nach Ziff. VIII kann im Vorfeld entsprechender Vorgänge noch entschieden werden, falls es zu solchen kommen und hiervon zu schützende Informationen betroffen sein sollten. Für die vorsorgliche Anordnung der Maßnahmen besteht kein Bedürfnis. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin losgelöst vom tatsächlichen Eintritt solcher Vorgänge eine Entscheidung begehrt, liegen nicht vor.