- I. Hauptstück Allgemeine Bestimmungen
- II. Hauptstück Von den Gerichten
- III. Hauptstück Von der Staatsanwaltschaft
- IIIa. Hauptstück Vom Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit und nach aussergerichtlichem Tatausgleich (Diversion)
- I. Allgemeines
- II. Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages
- III. Rücktritt von der Verfolgung nach gemeinnützigen Leistungen
- IV. Rücktritt von der Verfolgung nach einer Probezeit
- V. Rücktritt von der Verfolgung nach aussergerichtlichem Tatausgleich
- VI. Nachträgliche Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens
- VII. Rechte und Interessen des Verletzten
- VIII. Belehrung des Verdächtigen
- IX. Gemeinsame Bestimmungen
- IV. Hauptstück Vom Beschuldigten und seiner Verteidigung
- V. Hauptstück Von dem Privatankläger, dem Verletzten und dem Privatbeteiligten
- VI. Hauptstück Von der Bekanntmachung, Zustellung und Akteneinsicht
- VII. Hauptstück Von der Untersuchung im allgemeinen und der Verbindung mehrerer sowie der Absonderung einzelner Strafsachen
- VIII. Hauptstück Von dem Augenscheine und den Sachverständigen
- I. Von dem Augenscheine und der Zuziehung von Sachverständigen überhaupt
- II. Verfahren bei Untersuchungen wegen Tötungen und wegen Körperverletzungen insbesondere
- III. Verfahren bei Zweifeln über Geistesstörungen oder über Zurechnungsfähigkeit
- IV. Prüfung von Handschriften
- V. Verfahren bei Untersuchungen wegen strafbarer Handlungen gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld,Wertpapieren und Wertzeichen
- VI. Verfahren bei Untersuchungen wegen Brandlegungen
- VII. Verfahren bei Untersuchungen wegen anderer Beschädigungen
- IX. Hauptstück Von der Haus- und Personsdurchsuchung, der Beschlagnahme und der Überwachung der elektronischen Kommunikation
- X. Hauptstück Von der Vernehmung der Zeugen
- XI. Hauptstück Von der Vorladung, Vorführung, Festnahme und Untersuchungshaft des Beschuldigten
- XII. Hauptstück Von der Vernehmung des Beschuldigten
- XIII. Hauptstück Von der Anklage
- XIV. Hauptstück Von der Schlussverhandlung
- XV. Hauptstück Von den Rechtsmitteln
- XVI. Hauptstück Von der Vollstreckung der Urteile
- XVII. Hauptstück Von den Erkenntnissen und Verfügungen des Strafgerichtes hinsichtlich der privatrechtlichen Ansprüche
- XVIII. Hauptstück Von der Wiederaufnahme des Strafverfahrens und der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen
- XIX. Hauptstück Von dem Verfahren wider Unbekannte, Abwesende und Flüchtige
- XX. Hauptstück Von den Kosten des Strafverfahrens
- XXI. Hauptstück Von dem Verfahren vor dem Einzelrichter
- XXII. Hauptstück Vereinfachungen des Verfahrens vor dem Einzelrichter bei Übertretungen und bestimmten Vergehen
- XXIII. Hauptstück Von dem Verfahren bei bedingter Strafnachsicht, bedingter Nachsicht von vorbeugenden Massnahmen, Erteilung von Weisungen und Anordnung der Bewährungshilfe
- XXIV. Hauptstück Von dem Verfahren bei vorbeugenden Massnahmen und beim Verfall
- I. Verfahren zur Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB
- II. Verfahren zur Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher, entwöhnungsbedürftiger Rechtsbrecher oder gefährlicher Rückfallstäter nach den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 StGB in die hiefür vorgesehenen Anstalten und zur Verhängung eines Tätigkeitsverbotes nach § 220 StGB
- III. Verfahren bei der Abschöpfung der Bereicherung, beim Verfall und bei der Einziehung
- XXV. Hauptstück Von dem Verfahren wegen der Verantwortlichkeit juristischer Personen
- XXVI. Hauptstück Schluss- und Übergangsbestimmungen
- Übergangsbestimmungen
312.0
Inhaltsverzeichnis
§§
I. Hauptstück
Allgemeine Bestimmungen
II. Hauptstück
Von den Gerichten
12-18
III. Hauptstück
Von der Staatsanwaltschaft
19-22
IIIa. Hauptstück
Vom Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit und nach aussergerichtlichem Tatausgleich (Diversion)
I. Allgemeines................................................................................22a, 22b
II. Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages....................................................................................... 22c
III. Rücktritt von der Verfolgung nach gemeinnützigen Leistungen ......................................................................................22d, e
- IV.
- Rücktritt von der Verfolgung nach einer Probezeit .......................22f
- V.
- Rücktritt von der Verfolgung nach aussergerichtlichem Tatausgleich........................................................................................22g
VI. Nachträgliche Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens ...................................................................................22h
VII. Rechte und Interessen des Verletzten...............................................22i
VIII. Belehrung des Verdächtigen .............................................................22k
IX. Gemeinsame Bestimmungen ....................................................... 22l, m
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§§
IV. Hauptstück
Vom Beschuldigten und seiner Verteidigung
23-30
V. Hauptstück
Von dem Privatankläger, dem Verletzten und dem
Privatbeteiligten
31-34
VI. Hauptstück
Von der Bekanntmachung, Zustellung und
Akteneinsicht
35-40
VII. Hauptstück
Von der Untersuchung im allgemeinen und der Verbindung mehrerer sowie der Absonderung einzelner Strafsachen
41-68
VIII. Hauptstück
Von dem Augenscheine und den Sachverständigen
I. Von dem Augenscheine und der Zuziehung von Sachverständigen überhaupt .......................................................... 69-79
II. Verfahren bei Untersuchungen wegen Tötungen und wegen Körperverletzungen insbesondere .................................... 80-86
III. Verfahren bei Zweifeln über Geistesstörungen oder über Zurechnungsfähigkeit...........................................................................87
- IV.
- Prüfung von Handschriften.................................................................88
- V.
- Verfahren bei Untersuchungen wegen strafbarer Handlungen gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren und Wertzeichen ..........................................................89
§§
VI. Verfahren bei Untersuchungen wegen Brandlegungen....................90
VII. Verfahren bei Untersuchungen wegen anderer
Beschädigungen.....................................................................................91
IX. Hauptstück
Von der Haus- und Personsdurchsuchung, der Beschlagnahme und der Überwachung der elektronischen Kommunikation
I. Haus- und Personsdurchsuchung................................................. 92-95
II. Beschlagnahme ...............................................................................96-97a
III. Durchsuchung und Beschlagnahme von Papieren............................98
- IV.
- Beschlagnahme und Eröffnung von Briefen und anderen Sendungen...................................................................................... 99-102
- V.
- Überwachung einer elektronischen Kommunikation ............103, 104
X. Hauptstück
Von der Vernehmung der Zeugen
105-124
XI. Hauptstück
Von der Vorladung, Vorführung, Festnahme und
Untersuchungshaft des Beschuldigten
I. Vorladung............................................................................................125
II. Vorführung, Festnahme und Untersuchungshaft des Beschuldigten ............................................................................ 126-132a
III. Vollzug der Untersuchungshaft .............................................. 133-137a
- IV.
- Sicherheitsleistung, Höchstdauer und Aufhebung der Haft ............................................................................................ 138-144a
- V.
- Vorläufige Bewährungshilfe ............................................................144b
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§§
XII. Hauptstück
Von der Vernehmung des Beschuldigten
145-156
XIII. Hauptstück
Von der Anklage
157-174
XIV. Hauptstück
Von der Schlussverhandlung
175-217
XV. Hauptstück
Von den Rechtsmitteln
I. Von der Berufung ....................................................................... 218-233
II. Von der Revision ........................................................................ 234-237
III. Von der Beschwerde................................................................... 238-244
XVI. Hauptstück
Von der Vollstreckung der Urteile
245-256
XVII. Hauptstück
Von den Erkenntnissen und Verfügungen des Strafgerichtes hinsichtlich der privatrechtlichen Ansprüche
257-270
XVIII. Hauptstück
Von der Wiederaufnahme des Strafverfahrens und der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen
I. Wiederaufnahme des Verfahrens............................................... 271-281
II. Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen............................282
§§
XIX. Hauptstück
Von dem Verfahren wider Unbekannte,
Abwesende und Flüchtige
283-299
XX. Hauptstück
Von den Kosten des Strafverfahrens
300-311
XXI. Hauptstück
Von dem Verfahren vor dem Einzelrichter
312-316
XXII. Hauptstück
Vereinfachungen des Verfahrens vor dem Einzelrichter bei Übertretungen und bestimmten Vergehen
317-332
XXIII. Hauptstück
Von dem Verfahren bei bedingter Strafnachsicht, bedingter Nachsicht von vorbeugenden Massnahmen, Erteilung von Weisungen und Anordnung der Bewährungshilfe
I. Bedingte Nachsicht einer Strafe, der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und Rechtsfolgen ........................................................................333, 334
II. Erteilung von Weisungen und Anordnung der Bewährungshilfe ..................................................................................335
III. Widerruf einer bedingten Nachsicht ...................................... 335a-337
- IV.
- Endgültige Nachsicht.........................................................................338
- V.
- Gemeinsame Bestimmungen .............................................................339
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§§
XXIV. Hauptstück
Von dem Verfahren bei vorbeugenden
Massnahmen und beim Verfall
I. Verfahren zur Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB ...................................... 340-344
II. Verfahren zur Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher, entwöhnungsbedürftiger Rechtsbrecher oder gefährlicher Rückfallstäter nach den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 StGB in die hiefür vorgesehenen Anstalten und zur Verhängung eines Tätigkeitsverbotes nach § 220 StGB ............ 345-352
III. Verfahren bei der Abschöpfung der Bereicherung, beim Verfall und bei der Einziehung ................................................. 353-357
XXIV. Hauptstück
Von dem Verfahren wegen der Verantwortlichkeit juristischer Personen
357a-357g
XXVI. Hauptstück
Schluss- und Übergangsbestimmungen
358-360
312.0
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 1988 Nr. 62 ausgegeben am 31. Dezember 1988
Strafprozessordnung (StPO)
vom 18. Oktober 1988
Dem nachstehenden vom Landtag gefassten Beschluss erteile Ich Meine Zustimmung:
I. Hauptstück
Allgemeine Bestimmungen
§ 1
1) Eine Bestrafung wegen der dem Gerichte zur Aburteilung zugewiesenen Handlungen kann nur nach vorgängigem Strafverfahren gemäss der Strafprozessordnung und infolge eines von dem zuständigen Richter gefällten Urteiles erfolgen.
2) Der Tod des Beschuldigten beendet das Strafverfahren. In diesem Fall wird auch ein noch nicht rechtskräftig gewordenes Urteil gegenstandslos. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Durchführung eines objektiven Verfahrens werden hiedurch nicht berührt.
§ 2
1) Die gerichtliche Verfolgung der strafbaren Handlungen tritt nur auf Antrag eines Anklägers ein.
2) Ist eine strafbare Handlung nur auf Verlangen des Verletzten oder eines anderen Beteiligten zu verfolgen, so kommt diesem die Erhebung der Privatanklage zu. In den Fällen des § 117 Abs. 2 erster und zweiter Satz StGB ist der Verletzte auch dann selbst zur Anklage berechtigt, wenn der öffentliche Ankläger die strafbare Handlung deshalb nicht verfolgen kann, weil entweder der Verletzte innerhalb der Frist des § 31 Abs. 1 ohne vorangehende Anfrage des öffentlichen Anklägers unwider
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
ruflich erklärt, die erforderliche Ermächtigung nicht zu erteilen, oder eine der zur Ermächtigung erforderlichen Erklärungen des Verletzten und der diesem vorgesetzten Stelle auf Anfrage des öffentlichen Anklägers verweigert wird; im Falle einer solchen Verweigerung oder bei nachträglicher Zurücknahme einer der zur Ermächtigung des öffentlichen Anklägers erforderlichen Erklärungen bestimmt sich der Beginn der Frist zur Erhebung der Anklage für den Verletzten nach § 117 Abs. 2 letzter Satz StGB.
3) Alle nicht der Privatanklage unterliegenden strafbaren Handlungen einschliesslich derer, bei denen es zur Verfolgung eines Antrages oder einer Ermächtigung bedarf, sind Gegenstand der öffentlichen Anklage. Die öffentliche Anklage steht dem Staatsanwalt zu, kann aber an dessen Stelle nach Massgabe der §§ 32 und 173 auch vom Privatbeteiligten übernommen werden.
4) Findet die Verfolgung nur auf Antrag statt, so kann sie nicht eingeleitet werden, bevor dem Gericht der Antrag nachgewiesen ist. Der Antrag kann bis zum Schluss der Verhandlung zurückgenommen werden.
5) Findet die Verfolgung nur mit Ermächtigung des Verletzten oder eines anderen Beteiligten statt, so hat der öffentliche Ankläger, wenn die Ermächtigung nicht schon vorliegt, unverzüglich anzufragen, ob sie erteilt werde. Die Erklärung, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschliessen, gilt als Ermächtigung. Die Ermächtigung gilt als verweigert, wenn sie nicht binnen vierzehn Tagen nach Zustellung der Anfrage erteilt wird; im Falle der öffentlichen Beleidigung des Landtages tritt an die Stelle von vierzehn Tagen eine Frist von sechs Wochen, in die die tagungsfreie Zeit nicht eingerechnet wird. Die Ermächtigung muss sich auf eine bestimmte Person beziehen und ist dem Gericht bis zum Beginn der Schlussverhandlung nachzuweisen. Die Ermächtigung kann bis zum Schluss der Verhandlung zurückgenommen werden.
6) Die öffentliche Anklage erlischt, sobald der Landesfürst anordnet, dass wegen einer strafbaren Handlung kein strafgerichtliches Verfahren eingeleitet oder das eingeleitete wieder eingestellt werden soll.
§ 3
Alle in dem Strafverfahren tätigen Behörden haben die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen und sie sind verpflichtet, den Beschuldigten auch wo es nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, über seine Rechte zu belehren.
§ 4
Privatrechtliche Ansprüche des Beschädigten sind auf Antrag des Beschädigten im Strafverfahren mitzuerledigen, wenn nicht die Notwendigkeit weiterer Ausführung eine Verweisung derselben auf den Zivilrechtsweg unerlässlich erscheinen lässt.
§ 5
1) Die strafgerichtliche Untersuchung und Beurteilung erstreckt sich auch auf die privatrechtlichen Vorfragen.
2) An das über eine solche ergangene Erkenntnis des Zivilrichters ist der Strafrichter, soweit es sich um die Beurteilung der Strafbarkeit des Beschuldigten handelt, nicht gebunden.
§ 6
1) Die in diesem Gesetze bestimmten Fristen können, wenn das Gegenteil nicht ausdrücklich verfügt ist, nicht verlängert werden. Wenn dieselben von einem bestimmten Tage zu laufen haben, sind sie so zu berechnen, dass dieser Tag nicht mitgezählt wird.
2) Der Beginn und Lauf einer Frist wird durch Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage und den Karfreitag nicht behindert. Fällt aber das Ende einer Frist auf einen solchen Tag, so ist der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen.
3) Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet.
§ 7
1) Erweist sich eine nach der Strafprozessordnung verhängte Geld-strafe als ganz oder teilweise uneinbringlich, so hat sie das Gericht in berücksichtigungswürdigen Fällen neu zu bemessen, sonst aber in eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu acht Tagen umzuwandeln.
2) Auf den Vollzug dieser Ersatzfreiheitsstrafen sowie der in der Strafprozessordnung angedrohten Freiheitsstrafen und der Beugehaft sind die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit drei Monate nicht übersteigt, dem Sinne nach anzuwenden.
3) Alle Geldstrafen fliessen dem Lande zu.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 8
Die Sicherheitsbehörden, zu welchen auch die Ortsvorsteher zu rechnen sind, haben allen Verbrechen und Vergehen, soferne sie nicht bloss auf Begehren eines Beteiligten untersucht werden, nachzuforschen und wenn das unverzügliche Einschreiten des Untersuchungsrichters nicht erwirkt werden kann, die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zu treffen, welche zur Aufklärung der Sache dienen oder die Beseitigung der Spuren der strafbaren Handlung oder die Flucht des Täters verhüten können. Hausdurchsuchungen und die vorläufige Verwahrung von Personen dürfen die Sicherheitsbehörden und deren Organe zum Zwecke der Strafrechtspflege nur in den in dieser Strafprozessordnung vorgesehenen Fällen unaufgefordert vornehmen, und sie haben von ihrem Einschreiten und dessen Ergebnisse dem Staatsanwalt oder dem Untersuchungsrichter sogleich Mitteilung zu machen.
§ 9
Es ist den Sicherheitsorganen, sowie allen öffentlichen Beamten und Dienern bei strengster Ahndung untersagt, auf die Gewinnung von Verdachtsgründen oder auf die Überführung eines Verdächtigten dadurch hinzuwirken, dass derselbe zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer strafbaren Handlung verleitet oder durch insgeheim bestellte Personen zu Geständnissen, welche sodann dem Gerichte hinterbracht werden sollen, verlockt wird.
§ 10
Das Strafgericht ist in allem, was zu seinem Verfahren gehört, berechtigt, mit allen Landes- und Gemeindebehörden unmittelbares Vernehmen durch Ersuchsschreiben zu pflegen. Alle Landes- und Gemeindebehörden sind verbunden, dem Strafgerichte hilfreiche Hand zu bieten und den an sie ergangenen Ersuchen desselben mit möglichster Beschleunigung zu entsprechen oder dem Strafgerichte die entgegenstehenden Hindernisse sogleich anzuzeigen. Auch mit den Behörden fremder Staaten kann das Strafgericht in unmittelbaren Verkehr treten, soferne darüber nicht durch besondere Vorschriften etwas anderes festgesetzt ist oder entgegengesetzte Gewohnheiten bestehen.
§ 11
Bemerkt das Strafgericht eine Nachlässigkeit oder Verzögerung in Erfüllung eines von ihm an eine andere Behörde gerichteten Ersuchens, so hat es diesen Umstand entweder zu Kenntnis der der letzteren zunächst vorgesetzten Behörde zu bringen oder dem Obergericht die Anzeige zu erstatten, damit im geeigneten Wege Abhilfe verschafft werde. Sollte das Strafgericht diese Pflicht ausser Acht lassen, so kann ihm die Saumseligkeit einer anderen Behörde zu keiner Entschuldigung dienen.
II. Hauptstück
Von den Gerichten
§ 12
1) Zur Gerichtsbarkeit in Strafsachen sind berufen:
- das Landgericht;
- das Obergericht;
- der Oberste Gerichtshof.
2) Jedermann ist verpflichtet, auf die an ihn ergangene Vorladung vor dem Strafgerichte zu erscheinen, ihm Rede und Antwort zu geben und seinen Verfügungen zu gehorchen.
3) Soweit nach den folgenden Bestimmungen für die Zuständigkeit der Strafgerichte und das einzuhaltende Verfahren die Höhe der angedrohten Freiheitsstrafe massgebend ist, ist auf die Veränderung der Strafdrohungen durch die §§ 39 und 313 StGB Bedacht zu nehmen. Im Falle der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung ist in dieser Hinsicht die Beschränkung der Strafdrohung durch § 287 Abs. 1 letzter Satz StGB zu berücksichtigen.
§ 13
Dem Landgericht obliegt:
- die Führung der Untersuchung;
- die Schlussverhandlung und die Urteilsfällung wegen aller strafbarer Handlungen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 14
In der Geschäftsverteilung des Landgerichtes sind ein oder mehrere Einzelrichter zu Untersuchungsrichtern zu bestellen (§ 13 Ziff. 1).
§ 15
1) Das Landgericht übt seine Tätigkeit gemäss § 13 Ziff. 2 in Kollegialbesetzung oder durch Einzelrichter aus. In Kollegialbesetzung wird das Landgericht als Kriminalgericht oder als Schöffengericht tätig.
2) Die Schlussverhandlung und Urteilsfällung obliegt dem Kriminalgericht wegen aller Verbrechen im Sinne des § 17 Abs. 1 StGB, in den Fällen des Einbruchdiebstahls nach § 129 Ziff. 1 bis 3 StGB (in Verbindung mit § 12 Abs. 3) aber nur dann, wenn die Strafdrohung fünf Jahre übersteigt.
3) Die Schlussverhandlung und Urteilsfällung obliegt dem Schöffengericht ohne Rücksicht auf die Strafdrohung wegen der nachbenannten Vergehen, soweit nicht im folgenden Einschränkungen getroffen werden:
- fahrlässige Tötung (§ 80 StGB);
- fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 StGB);
- Raufhandel mit Todesfolge (§ 91 Abs. 1 StGB);
- Imstichlassen eines Verletzten mit Todesfolge (§ 94 Abs. 2 StGB);
- Unterlassung der Hilfeleistung mit Todesfolge (§ 95 Abs. 1 StGB);
- Schwangerschaftsabbruch und verwandte strafbare Handlungen (§§ 96 bis 98 b StGB);
- öffentliche Beleidigung des Landtages, der Regierung oder einer anderen öffentlichen Behörde (§§ 116, 117 StGB);
- fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst mit qualifizierten Folgen (§ 170 Abs. 2 StGB);
- fahrlässige Gefährdung durch Kernenergie oder ionisierende Strahlen mit qualifizierten Folgen (§ 172 Abs. 2 StGB);
- fahrlässige Gefährdung durch Sprengmittel mit qualifizierten Folgen (§ 174 Abs. 2 StGB);
- fahrlässige Gemeingefährdung mit qualifizierten Folgen (§ 177 Abs. 2 StGB);
- vorsätzliche und fahrlässige Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten (§§ 178, 179 StGB);
- vorsätzliche und fahrlässige Gefährdung durch Verunreinigung der Gewässer oder der Luft (§§ 180, 181 StGB);
- vorsätzliche und fahrlässige Gefährdung des Tier- oder Pflanzenbestandes (§§ 182, 183 StGB);
- Hinderung der Bekämpfung einer Gemeingefahr (§ 187 StGB);
- strafbare Handlungen gegen den religiösen Frieden und die Ruhe der Toten (§§ 188 bis 191 StGB);
- Verletzung der Unterhaltspflicht mit Todesfolge (§ 197 Abs. 2 StGB);
- Aufgehoben1
- staatsfeindliche Verbindungen (§ 246 StGB);
- Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole (§ 248 StGB);
- Preisgabe von Staatsgeheimnissen (§ 253 StGB);
- geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Liechtensteins (§ 256 StGB);
- strafbare Handlungen bei Wahlen und Abstimmungen (§§ 261 bis 268 StGB);
- Landfriedensbruch (§ 274 StGB);
- Landzwang (§ 275 StGB);
- Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte (§ 276 StGB);
- kriminelle Vereinigung (§ 278 StGB);2
- Bewaffnete Verbindungen (§ 279 StGB);
- Ansammeln von Kampfmitteln (§ 280 StGB);
- Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze (§ 281 StGB);
- Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheissung mit Strafe bedrohter Handlungen (§ 282 StGB);
- Rassendiskriminierung (§ 283 StGB);3
- Sprengung einer Versammlung (§ 284 StGB);
- Verhinderung oder Störung einer Versammlung (§ 285 StGB);
- strafbare Verletzungen der Amtspflicht und verwandte strafbare Handlungen (§§ 304 bis 312 StGB);
- Amtsanmassung und Erschleichung eines Amtes (§§ 314, 315 StGB);
- Herabwürdigung fremder Symbole (§ 317 StGB);
- militärischer Nachrichtendienst für einen fremden Staat (§ 319 StGB);
- die Vergehen gegen das Staatsschutzgesetz vom 14. März 1949, LGBl. 1949 Nr. 8 (Art. 2, 4 Abs. 3, 13 und 15);
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
40. die Vergehen gegen das Gesetz vom 4. Dezember 1962 zum Schutze des Namens des Fürstenhauses, LGBl. 1963 Nr. 2 (Art. 1).
4) Die Schlussverhandlung und Urteilsfällung obliegt dem Einzelrichter, soweit nicht im Sinne der Abs. 2 oder 3 die Zuständigkeit des Kriminalgerichtes oder Schöffengerichtes gegeben ist.
5) Liegen dem Beschuldigten mehrere strafbare Handlungen zur Last und ist auch nur für eine von ihnen die Zuständigkeit des Kriminal- oder Schöffengerichtes gegeben, so ist dieses zur Verhandlung und Entscheidung über alle strafbaren Handlungen zuständig. Dem für die Verhandlung und Entscheidung aller Strafsachen zuständigen Gericht ist jedoch die Erlassung von Verfügungen im Sinne des § 67 Abs. 3 unbenommen.
6) Erachtet sich das Schöffengericht für unzuständig, weil die der Anklage zugrunde liegenden Tatsachen für sich oder in Verbindung mit den in der Schlussverhandlung hervorkommenden Umständen die Zuständigkeit des Kriminalgerichtes begründen, hat es mit Urteil seine Unzuständigkeit auszusprechen. Dasselbe gilt, soweit nicht besondere Vorschriften bestehen, auch für den Einzelrichter, der sich für unzuständig hält, weil die dem Strafantrag zugrunde liegenden Tatsachen an sich oder in Verbindung mit den in der Schlussverhandlung hervorkommenden Umständen die Zuständigkeit des Kriminalgerichtes oder Schöffengerichtes begründen. Im einen wie im anderen Fall hat der Ankläger, sobald das Unzuständigkeitsurteil rechtskräftig wird, binnen vierzehn Tagen seine Anträge zu stellen.
7) Vorbehalten bleiben die Regelungen des Jugendgerichtsgesetzes.
§ 16
Das Obergericht entscheidet über Berufungen und Beschwerden gegen Urteile und Beschlüsse des Landgerichtes. Als Gericht erster Instanz entscheidet das Obergericht nur ausnahmsweise nach Massgabe besonderer gesetzlicher Anordnungen.
§ 17
Der Oberste Gerichtshof entscheidet über Revisionen und Beschwerden gegen Urteile und Beschlüsse des Obergerichtes.
§ 18
Im Falle von Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Gerichten entscheidet das nächste gemeinsam übergeordnete Gericht, letztlich der Oberste Gerichtshof.
III. Hauptstück
Von der Staatsanwaltschaft
§ 191
1) Die Aufgaben und die Organisation der Staatsanwaltschaft richten sich nach den Vorschriften des Staatsanwaltschaftsgesetzes, sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
2) Der Staatsanwalt ist in seinen Amtsverrichtungen unabhängig von den Gerichten.
§ 20
1) Zu dem Wirkungskreis des Staatsanwaltes gehört die Beteiligung an allen in diesem Gesetz geregelten Verfahren, insbesondere an allen Untersuchungen und Schlussverhandlungen der wegen Verbrechens, Vergehens und Übertretungen eingeleiteten Strafverfahren.
2) Der Staatsanwalt hat darauf zu sehen, dass alle zur Erforschung der Wahrheit dienlichen Mittel gehörig benützt werden. Er ist befugt, jederzeit vom Stande der anhängigen Untersuchungen durch Einsicht der Akten Kenntnis zu nehmen oder deren Mitteilung zu verlangen und die geeigneten Anträge zu stellen, ohne dass jedoch das Strafverfahren dadurch aufgehalten werden darf.
3) Der Staatsanwalt stellt seine Anträge mündlich oder schriftlich und es muss über jeden derselben eine richterliche Verfügung oder Beschlussnahme erfolgen. In gleicher Weise gibt er über Anträge des Beschuldigten oder über Anfragen des Gerichtes Erklärungen ab.
4) An Beratungen des Gerichtshofes nimmt der Staatsanwalt nicht teil.
5) Er ist befugt, sich in unmittelbare Verbindung mit den Sicherheits- und anderen Behörden zu setzen und deren Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 21
1) Der Staatsanwalt hat alle strafbaren Handlungen, die zu seiner Kenntnis kommen und die nicht bloss auf Begehren eines Beteiligten zu untersuchen und zu bestrafen sind, von Amts wegen zu verfolgen und daher wegen deren Untersuchung und Bestrafung durch das Gericht das Erforderliche zu veranlassen.
2) Er kann jedoch, wenn dem Beschuldigten mehrere strafbare Handlungen zur Last liegen, von der Verfolgung einzelner absehen und unter Vorbehalt späterer Verfolgung zurücktreten (§ 281 Abs. 1 Ziff. 3):
a) wenn das voraussichtlich weder auf die Strafen oder sichernden Massnahmen, noch auf die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen wesentlichen Einfluss hat;
b) wenn der Beschuldigte wegen der übrigen strafbaren Handlungen an eine ausländische Behörde ausgeliefert wird und die im Inland zu erwartenden Strafen oder sichernden Massnahmen gegenüber denen, auf die voraussichtlich im Ausland erkannt werden wird, nicht ins Gewicht fallen. Nimmt der Staatsanwalt später die vorbehaltene Verfolgung wieder auf, so ist ein abermaliger Vorbehalt wegen einzelner strafbarer Handlungen unzulässig.
3) Der Staatsanwalt kann ferner von der Verfolgung einer im Ausland begangenen strafbaren Handlung absehen oder zurücktreten, wenn der Täter schon im Ausland dafür gestraft worden und nicht anzunehmen ist, dass das inländische Gericht eine strengere Strafe verhängen werde.
4) Die den Privatbeteiligten nach den §§ 173 und 320 zustehenden Rechte werden durch die Bestimmungen der Abs. 2 und 3 nicht berührt. Deshalb sind die Privatbeteiligten zu verständigen, wenn der Staatsanwalt von einer der in den Abs. 2 und 3 eingeräumten Möglichkeiten der Abstandnahme von der Strafverfolgung Gebrauch macht. Diese Verständigung obliegt dem Staatsanwalt, wenn aber eine Befassung des Untersuchungsrichters vorlag, letzterem.
5) Aufgehoben1
6) Aufgehoben2
§ 21a1
1) Überhaupt ist der Staatsanwalt berechtigt, durch den Untersuchungsrichter oder durch die Sicherheitsbehörden Vorerhebungen zu dem Zweck führen zu lassen, um die nötigen Anhaltspunkte für die Veranlassung eines Strafverfahrens wider eine bestimmte Person oder für die Zurücklegung der Anzeige zu erlangen.
2) Der Untersuchungsrichter und die Sicherheitsbehörden haben auch bei diesen Vorerhebungen die Rechte und Pflichten, die ihnen in der Untersuchung zukommen.
3) Der Staatsanwalt kann Personen, die Aufklärungen über begangene strafbare Handlungen zu erteilen imstande sein dürften, durch die Sicherheitsbehörden vernehmen lassen (§ 56 Abs. 4). Er kann sie auch selbst unbeeidigt vernehmen, ferner Augenschein und Hausdurchsuchung durch die Sicherheitsbehörden vornehmen lassen und diesen beiwohnen, soweit diese Amtshandlungen wegen Gefahr im Verzug nicht durch den zuständigen Untersuchungsrichter durchgeführt oder angeordnet werden können.
4) Die Protokolle über diese Akte, bei denen alle für gerichtliche Amtshandlungen dieser Art vorgeschriebenen Förmlichkeiten zu beach-ten sind, können jedoch bei sonstiger Nichtigkeit nur dann als Beweismittel benützt werden, wenn sie unverweilt dem Untersuchungsrichter mitgeteilt worden sind, welcher deren Form und Vollständigkeit zu prüfen und nötigenfalls die Wiederholung oder Ergänzung zu bewirken hat.
§ 222
1) Findet der Staatsanwalt nach Prüfung der Anzeige oder der Akten der - nötigenfalls auf seine Veranlassung zu ergänzenden - Vorerhebungen genügende Gründe, wider eine bestimmte Person das Strafverfahren zu veranlassen, so bringt er entweder den Antrag auf Einleitung der Untersuchung oder die Anklageschrift ein. Im entgegengesetzten Falle legt er die an ihn gelangte Anzeige mit kurzer Aufzeichnung der ihn dazu bestimmenden Erwägungen zurück und übersendet dem Untersuchungsrichter die Akten der Vorerhebungen mit der Bemerkung, dass er keinen Grund zur weiteren Verfolgung finde. Der Untersuchungsrichter hat in diesem Falle die Vorerhebungen einzustellen und den etwa verhafteten Beschuldigten sofort auf freien Fuss zu setzen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
2) Legt der Staatsanwalt eine Anzeige zurück, so hat er Personen, die bereits als der strafbaren Handlung verdächtig vernommen worden sind (§ 23 Abs. 3) oder nach dem Inhalt der Akten sonst von dem gegen sie gerichteten Verdacht Kenntnis erlangt haben, sowie allfällige Privatbeteiligte hievon zu verständigen. Diese Verständigung obliegt dem Staatsanwalt, wenn aber eine Befassung des Untersuchungsrichters vorlag, letzterem.
IIIa. Hauptstück
Vom Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit und nach aussergerichtlichem Tatausgleich (Diversion)1
I. Allgemeines2
§ 22a
1) Der Staatsanwalt hat nach diesem Hauptstück vorzugehen und von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurückzutreten, wenn aufgrund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass ein Zurücklegen der Anzeige nach § 22 nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf
- die Zahlung eines Geldbetrages (§ 22c) oder
- die Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 22d) oder
- die Bestimmung einer Probezeit, allenfalls in Verbindung mit Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten (§ 22f) oder
- einen aussergerichtlichen Tatausgleich (§ 22g) nicht geboten erscheint, um den Verdächtigen von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.3
2) Ein Vorgehen nach diesem Hauptstück ist jedoch nur zulässig, wenn4
1. die strafbare Handlung eine Übertretung nach Art. 21 des Betäubungsmittelgesetzes, Art. 35 Abs. 2 des Tierschutzgesetzes, Art. 101 oder
102 Abs. 1 bis 3 des Kinder- und Jugendgesetzes, ein Vergehen oder einen Einbruchdiebstahl nach § 129 Ziff. 1 bis 3 StGB darstellt, sofern die Strafdrohung fünf Jahre nicht übersteigt,1
- die Schuld des Verdächtigen nicht als schwer anzusehen wäre und2
- die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat.3
3) Ein Vorgehen nach diesem Hauptstück ist überdies bei den strafbaren Handlungen der sexuellen Nötigung (§ 201 StGB) und der Schändung (§ 204 StGB) jedenfalls ausgeschlossen.4
§ 22b5
Das Gericht hat die für den Staatsanwalt geltenden Bestimmungen dieses Hauptstückes sinngemäss anzuwenden und nach Einleitung der Untersuchung oder Erhebung der Anklage das Verfahren wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung unter den für den Staatsanwalt geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Schlussverhandlung mit Beschluss einzustellen.
2 Überschrift vor § 22a eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
3 § 22a Abs. 1 eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
4 § 22a Abs. 2 Einleitungssatz eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
II. Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines
Geldbetrages6
§ 22c7
1) Unter den Voraussetzungen des § 22a kann der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurücktreten, wenn der Verdächtige einen Geldbetrag zugunsten des Landes erlegt.
2) Der Geldbetrag darf den Betrag nicht übersteigen, der einer Geld-strafe von 180 Tagessätzen oder einer Geldbusse von 20 000 Franken zuzüglich der im Falle einer Verurteilung zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens entspricht. Er ist innerhalb von vier Wochen nach Zustellung der Mitteilung nach Abs. 4 zu bezahlen. Sofern dies den Verdächtigen
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
unbillig hart träfe, kann ihm jedoch ein Zahlungsaufschub für längstens sechs Monate gewährt oder die Zahlung von Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraumes gestattet werden.
3) Soweit dies möglich und zweckmässig ist, ist der Rücktritt von der Verfolgung überdies davon abhängig zu machen, dass der Verdächtige binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht und dies unverzüglich nachweist.
4) Der Staatsanwalt hat dem Verdächtigen mitzuteilen, dass die Durchführung eines Strafverfahrens gegen ihn wegen einer bestimmten strafbaren Handlung beabsichtigt sei, aber unterbleiben werde, wenn er einen festgesetzten Geldbetrag und gegebenenfalls Schadensgutmachung in bestimmter Höhe leiste. Des Weiteren hat der Staatsanwalt den Verdächtigen im Sinne des § 22k sowie über die Möglichkeit eines Zahlungsaufschubes (Abs. 2) zu belehren, soweit er ihm einen solchen nicht von Amts wegen in Aussicht stellt.
5) Nach Leistung des Geldbetrages und allfälliger Schadensgutmachung hat der Staatsanwalt von der Verfolgung zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäss § 22h nachträglich einzuleiten oder fortzusetzen ist.
2 § 22a Abs. 2 Ziff. 2 eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
3 § 22a Abs. 2 Ziff. 3 eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
4 § 22a Abs. 3 eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
5 § 22b eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
6 Überschrift vor § 22c eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
7 § 22c eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
III. Rücktritt von der Verfolgung nach gemeinnützigen Leistungen1
§ 22d2
1) Unter den Voraussetzungen des § 22a kann der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung vorläufig zurücktreten, wenn sich der Verdächtige ausdrücklich bereit erklärt hat, innerhalb einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten unentgeltlich gemeinnützige Leistungen zu erbringen.
2) Gemeinnützige Leistungen sollen die Bereitschaft des Verdächtigen zum Ausdruck bringen, für die Tat einzustehen. Sie sind in der Freizeit bei einer geeigneten Einrichtung zu erbringen, mit der das Einvernehmen herzustellen ist.
3) Soweit dies möglich und zweckmässig ist, ist der Rücktritt von der Verfolgung nach gemeinnützigen Leistungen überdies davon abhängig zu machen, dass der Verdächtige binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt und dies unverzüglich nachweist.
4) Der Staatsanwalt hat dem Verdächtigen mitzuteilen, dass die Durchführung eines Strafverfahrens gegen ihn wegen einer bestimmten strafbaren Handlung beabsichtigt sei, aber vorläufig unterbleiben werde, wenn er sich bereit erklärt, binnen bestimmter Frist gemeinnützige Leistungen in nach Art und Ausmass bestimmter Weise zu erbringen und gegebenenfalls Tatausgleich zu leisten. Der Staatsanwalt hat den Verdächtigen dabei im Sinne von § 22k zu belehren; er kann auch eine in der Sozialarbeit erfahrene Person um diese Mitteilung und Belehrung sowie darum ersuchen, die gemeinnützigen Leistungen zu vermitteln (Art. 24c Bewährungshilfegesetz). Die Einrichtung (Abs. 2) hat dem Verdächtigen oder dem Sozialarbeiter eine Bestätigung über die erbrachten Leistungen auszustellen, die unverzüglich vorzulegen ist.
5) Nach Erbringung der gemeinnützigen Leistungen und allfälligem Tatfolgenausgleich hat der Staatsanwalt von der Verfolgung zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäss § 22h nachträglich einzuleiten oder fortzusetzen ist.
§ 22e1
1) Gemeinnützige Leistungen dürfen täglich nicht mehr als acht Stun-den, wöchentlich nicht mehr als 40 Stunden und insgesamt nicht mehr als 240 Stunden in Anspruch nehmen; auf eine gleichzeitige Aus- und Fortbildung oder eine Berufstätigkeit des Verdächtigen ist Bedacht zu nehmen. Gemeinnützige Leistungen, die einen unzumutbaren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte oder in die Lebensführung des Verdächtigen darstellen würden, sind unzulässig.
2) Der Geschäftsstellenleiter der mit der Bewährungshilfe betrauten privaten Vereinigung hat jeweils eine Liste von Einrichtungen, die für die Erbringung gemeinnütziger Leistungen geeignet sind, zu führen und erforderlichenfalls zu ergänzen. In diese Liste ist auf Verlangen jedermann Einsicht zu gewähren.
3) Fügt der Verdächtige bei der Erbringung von Leistungen der Einrichtung oder deren Träger einen Schaden zu, so ist auf seine Ersatz
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
pflicht § 1173a Art. 8 ABGB sinngemäss anzuwenden. Fügt der Verdächtige einem Dritten einen Schaden zu, so haftet dafür neben ihm auch das Land nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Die Einrichtung oder deren Träger haftet in diesem Fall dem Geschädigten nicht.
4) Das Land hat den Schaden nur in Geld zu ersetzen. Von der Einrichtung, bei der die gemeinnützigen Leistungen erbracht wurden, oder deren Träger kann das Land Rückersatz begehren, insoweit diesen oder ihren Organen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, insbesondere durch Vernachlässigung der Aufsicht oder Anleitung zur Last fällt. Auf das Verhältnis zwischen dem Land und dem Verdächtigen ist § 1173a Art. 8 ABGB sinngemäss anzuwenden.
5) Erleidet der Verdächtige bei Erbringung gemeinnütziger Leistungen einen Unfall oder eine Krankheit, so gelten die Bestimmungen der Art. 3 und 33ff. des Strafvollzugsgesetzes dem Sinne nach.
IV. Rücktritt von der Verfolgung nach einer Probezeit1
§ 22f2
1) Unter den Voraussetzungen des § 22a kann der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung unter Bestimmung einer Probezeit von einem bis zu zwei Jahren vorläufig zurücktreten. Der Lauf der Probezeit beginnt mit der Zustellung der Verständigung über den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung.
2) Soweit dies möglich und zweckmässig ist, ist der vorläufige Rücktritt von der Verfolgung überdies davon abhängig zu machen, dass sich der Verdächtige ausdrücklich bereit erklärt, während der Probezeit bestimmte Pflichten zu erfüllen, die als Weisungen (§ 51 StGB) erteilt werden könnten, und sich durch einen Bewährungshelfer (§ 52 StGB) betreuen zu lassen. Dabei kommt insbesondere die Pflicht in Betracht, den entstandenen Schaden nach Kräften gutzumachen oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beizutragen.
3) Der Staatsanwalt hat dem Verdächtigen mitzuteilen, dass die Durchführung eines Strafverfahrens gegen ihn wegen einer bestimmten strafbaren Handlung für eine bestimmte Probezeit vorläufig unterbleibe und ihn im Sinne des § 22k zu belehren. Gegebenenfalls hat der Staatsanwalt dem Verdächtigen mitzuteilen, dass dieser vorläufige Rücktritt von der Verfolgung voraussetze, dass er sich ausdrücklich bereit erklärt, bestimmte Pflichten auf sich zu nehmen und sich von einem Bewährungshelfer betreuen zu lassen (Abs. 2). In diesem Fall kann der Staatsanwalt auch eine in der Sozialarbeit erfahrene Person um die Mitteilung und Belehrung sowie darum ersuchen, den Verdächtigen bei der Erfüllung seiner Pflichten zu betreuen (Art. 24c Bewährungshilfegesetz).
4) Nach Ablauf der Probezeit und Erfüllung allfälliger Pflichten hat der Staatsanwalt von der Verfolgung endgültig zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäss § 22h nachträglich einzuleiten oder fortzusetzen ist.
V. Rücktritt von der Verfolgung nach aussergerichtlichem Tatausgleich1
§ 22g2
1) Unter den Voraussetzungen des § 22a kann der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurücktreten, wenn der Verdächtige bereit ist, für die Tat einzustehen und sich mit deren Ursachen auseinander zu setzen, wenn er allfällige Folgen der Tat auf eine den Umständen nach geeignete Weise ausgleicht, insbesondere dadurch, dass er den aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt und wenn er erforderlichenfalls Verpflichtungen eingeht, die seine Bereitschaft bekunden, Verhaltensweisen, die zur Tat geführt haben, künftig zu unterlassen.
2) Der Verletzte ist in Bemühungen um einen aussergerichtlichen Tatausgleich einzubeziehen, soweit er dazu bereit ist. Das Zustandekommen eines Ausgleichs ist von seiner Zustimmung abhängig, es sei denn, dass er diese aus Gründen nicht erteilt, die im Strafverfahren nicht berücksichtigungswürdig sind. Seine berechtigten Interessen sind jedenfalls zu berücksichtigen (§ 22i).
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
3) Der Staatsanwalt kann einen Konfliktregler ersuchen, den Verletzten und den Verdächtigen über die Möglichkeit eines aussergerichtlichen Tatausgleichs sowie im Sinne der §§ 22i und 22k zu belehren und Bemühungen um einen solchen Ausgleich einzuleiten und zu unterstützen (Art. 24b Bewährungshilfegesetz).
4) Der Konfliktregler hat dem Staatsanwalt über Ausgleichsvereinbarungen zu berichten und deren Erfüllung zu überprüfen. Einen abschliessenden Bericht hat er zu erstatten, wenn der Verdächtige seinen Verpflichtungen zumindest soweit nachgekommen ist, dass unter Berücksichtigung seines übrigen Verhaltens angenommen werden kann, er werde die Vereinbarungen weiter einhalten, oder wenn nicht mehr zu erwarten ist, dass ein Ausgleich zustande kommt.
VI. Nachträgliche Einleitung oder Fortsetzung des
Strafverfahrens1
§ 22h2
1) Nach einem nicht bloss vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung des Verdächtigen nach diesem Hauptstück (§§ 22c Abs. 5, 22d Abs. 5, 22f Abs. 4 und 22g Abs. 1) ist eine Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens nur unter den Voraussetzungen der ordentlichen Wiederaufnahme zulässig. Vor einem solchen Rücktritt ist das Strafverfahren jedenfalls dann einzuleiten oder fortzusetzen, wenn der Verdächtige dies verlangt.
2) Hat der Staatsanwalt dem Verdächtigen vorgeschlagen, einen Geldbetrag zu bezahlen (§ 22c Abs. 4), gemeinnützige Leistungen zu erbringen (§ 22d Abs. 4), eine Probezeit oder allfällige Pflichten auf sich zu nehmen (§ 22f Abs. 3), oder ist der Staatsanwalt von der Verfolgung der strafbaren Handlung vorläufig zurückgetreten (§§ 22d Abs. 1, 22f Abs. 1), so hat er das Strafverfahren einzuleiten oder fortzusetzen, wenn
- der Verdächtige den Geldbetrag samt allfälliger Schadensgutmachung oder die gemeinnützigen Leistungen samt allfälligem Tatausgleich nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlt oder erbringt,
- der Verdächtige übernommene Pflichten nicht hinreichend erfüllt oder sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzieht oder
3. gegen den Verdächtigen vor Zahlung des Geldbetrages samt allfälliger Schadensgutmachung oder vor Erbringung der gemeinnützigen Leistungen samt allfälliger Schadensgutmachung oder vor Erbringen der gemeinnützigen Leistungen oder vor Ablauf der Probezeit wegen einer anderen strafbaren Handlung ein Strafverfahren eingeleitet wird. In diesem Fall ist die nachträgliche Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens zulässig, sobald gegen den Verdächtigen wegen der neuen oder neu hervorgekommenen strafbaren Tat Anklage erhoben wird, und zwar noch während eines Monats nach Erhebung dieser Anklage, selbst wenn inzwischen der Geldbetrag bezahlt, die gemeinnützigen Leistungen erbracht oder der Tatfolgenausgleich bewirkt wurde oder die Probezeit abgelaufen ist. Das nachträglich eingeleitete oder fortgesetzte Strafverfahren ist jedoch nach Massgabe der übrigen Voraussetzungen einzustellen, wenn das neue Strafverfahren auf andere Weise als durch Schuldspruch beendet wird.
3) Von der Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens kann jedoch abgesehen werden, wenn dies in den Fällen des Abs. 2 Ziff. 1 aus besonderen Gründen vertretbar erscheint, in den Fällen des Abs. 2 Ziff. 2 und 3 nach den Umständen nicht geboten ist, um den Verdächtigen von strafbaren Handlungen abzuhalten. Im Übrigen ist die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens in den im Abs. 2 angeführten Fällen nur zulässig, wenn der Verdächtige den dort erwähnten Vorschlag des Staatsanwalts nicht annimmt.
4) Wenn der Verdächtige den Geldbetrag nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlen oder den übernommenen Verpflichtungen nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommen kann, weil ihn dies wegen einer erheblichen Änderung der für die Höhe des Geldbetrages oder die Art oder den Umfang der Verpflichtungen massgeblichen Umstände unbillig hart träfe, so kann der Staatsanwalt die Höhe des Geldbetrages oder die Verpflichtung angemessen ändern.
5) Verpflichtungen, die der Verdächtige übernommen, und Zahlungen, zu denen er sich bereit erklärt hat, werden mit der nachträglichen Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens gegenstandslos. Die Bewährungshilfe endet; § 144b bleibt jedoch unberührt. Vom Verdächtigen in diesem Zusammenhang erbrachte Leistungen sind bei einer allfälligen Strafbemessung zu berücksichtigen. Wird der Verdächtige freigesprochen oder sonst ausser Verfolgung gesetzt, so sind nur nach § 22c geleistete Geldbeträge zurückzuzahlen, andere Leistungen jedoch nicht zu ersetzen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
VII. Rechte und Interessen des Verletzten1
§ 22i2
1) Bei einem Vorgehen nach diesem Hauptstück sind stets die Interessen des Verletzten zu prüfen und, soweit sie berechtigt sind, im grösstmöglichen Ausmass zu fördern. Um beurteilen zu können, ob eine Schadensgutmachung oder ein sonstiger Tatfolgenausgleich möglich oder zweckmässig ist, hat der Staatsanwalt erforderlichenfalls entsprechende Erhebungen zu veranlassen. Der Verletzte hat das Recht, eine Vertrauensperson beizuziehen. Er ist jedenfalls sobald wie möglich umfassend über seine Rechte zu belehren und über geeignete Beratungsstellen zu informieren. Vor einem Rücktritt von der Verfolgung ist er zu hören, soweit dies nach Massgabe seiner Interessen geboten erscheint.
2) Der Verletzte ist jedenfalls zu verständigen, wenn sich der Verdächtige bereit erklärt, aus der Tat entstandenen Schaden gutzumachen oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beizutragen. Gleiches gilt für den Fall, dass der Verdächtige eine Pflicht übernimmt, welche die Interessen des Verletzten unmittelbar berührt.
VIII. Belehrung des Verdächtigen3
§ 22k
1) Bei einem Vorgehen nach diesem Hauptstück ist der Verdächtige eingehend über seine Rechtsstellung zu belehren, insbesondere über die Voraussetzungen für einen Rücktritt von der Verfolgung nach diesem Hauptstück, über das Erfordernis seiner Zustimmung, über seine Möglichkeit, eine Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, und über die sonstigen Umstände, die eine Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens bewirken können (§ 22h Abs. 2), sowie über die Notwendigkeit eines Pauschalkostenbeitrages (§ 305a).4
2) Aufgehoben5
2 § 22i eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
3 Überschrift vor § 22k eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
4 § 22k Abs. 1 eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
5 § 22k Abs. 2 aufgehoben durch LGBl. 2008 Nr. 333.
IX. Gemeinsame Bestimmungen1
§ 22l2
1) Um die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach diesem Hauptstück abzuklären, kann der Staatsanwalt oder das Gericht den Geschäftsstellenleiter der mit der Bewährungshilfe betrauten privaten Vereinigung ersuchen, mit dem Verletzten, mit dem Verdächtigen und gegebenenfalls auch mit jener Einrichtung, bei der gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder eine Schulung oder ein Kurs zu besuchen wären, Verbindung aufzunehmen und sich dazu zu äussern, ob die Zahlung eines Geldbetrages, die Erbringung gemeinnütziger Leistungen, die Bestimmung einer Probezeit, die Übernahme bestimmter Pflichten, die Betreuung durch einen Bewährungshelfer oder ein aussergerichtlicher Tatausgleich zweckmässig wäre. Zu diesem Zweck kann der Staatsanwalt auch selbst Erhebungen führen sowie den Verletzten, den Verdächtigen und andere Personen hören.
2) Die Probezeit nach § 22f Abs. 1 sowie die Fristen zur Zahlung eines Geldbetrages samt allfälliger Schadensgutmachung und zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen samt allfälligem Tatfolgenausgleich (§§ 22c Abs. 2 und 3, 22d Abs. 1 und 3) werden in die Verjährungszeit nicht eingerechnet (§ 58 Abs. 3 StGB).
§ 22m3
1) Der Staatsanwalt kann nach diesem Hauptstück von der Verfolgung zurücktreten, solange er noch nicht Anklage erhoben hat. Danach hat er bei Gericht zu beantragen, das Verfahren einzustellen (§ 22b).
2) Gerichtliche Beschlüsse nach diesem Hauptstück sind während der Untersuchung vom Untersuchungsrichter, in der Schlussverhandlung vom erkennenden Gericht, sonst vom Vorsitzenden zu fassen. Bevor das Gericht eine Mitteilung nach den §§ 22c Abs. 4, 22d Abs. 4, 22f Abs. 3 oder einen Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt oder seine Einleitung abgelehnt wird, zustellt, hat es den Staatsanwalt zu hören. Ein solcher Beschluss ist dem Verdächtigen erst dann zuzustellen, wenn er dem Staatsanwalt gegenüber in Rechtskraft erwachsen ist.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
3) Gegen einen Beschluss, mit dem ein Strafverfahren nach diesem Hauptstück eingestellt oder dessen Einleitung abgelehnt wird (§§ 22c Abs. 5, 22d Abs. 1 und 5, 22f Abs. 1 und 4, 22g Abs. 1 in Verbindung mit § 22b), steht dem Staatsanwalt, gegen eine Abweisung des Antrages auf Einstellung des Strafverfahrens dem Verdächtigen und dem Staatsanwalt, die binnen 14 Tagen nach Zustellung einzubringende Beschwerde an das Obergericht zu. Solange über eine solche Beschwerde noch nicht entschieden wurde, ist die Durchführung einer Schlussverhandlung nicht zulässig.
4) Gegen einen Beschluss, mit dem über die nachträgliche Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens entschieden wird (§ 22h), steht dem Verdächtigen und dem Staatsanwalt die binnen 14 Tagen nach Zustellung einzubringende Beschwerde an das Obergericht zu. Die Beschwerde gegen die nachträgliche Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens hat aufschiebende Wirkung.
IV. Hauptstück
Vom Beschuldigten und seiner Verteidigung
§ 23
1) Wen der Verdacht einer strafbaren Handlung trifft, der kann als Beschuldigter erst dann angesehen werden, wenn gegen ihn Anklage oder Strafantrag erhoben oder der Antrag auf Einleitung der Untersuchung eingebracht worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt ist er als Verdächtiger zu betrachten.
2) Als Angeklagter ist der anzusehen, gegen den wegen Verbrechens oder Vergehens eine Schlussverhandlung angeordnet worden ist.
3) Soweit indes die den Beschuldigten betreffenden Vorschriften dieses Gesetzes nicht als ihrer Natur nach auf die Untersuchung beschränkt erscheinen, sind sie auch auf den Angeklagten und auf den anzuwenden, der als einer strafbaren Handlung verdächtig vernommen oder als solcher zur Vernehmung vorgeladen oder in Verwahrung oder Haft genommen wurde.
4) Der Beschuldigte ist zu verständigen, sobald gerichtliche Vorerhebungen gegen ihn geführt werden oder die Untersuchung gegen ihn eingeleitet wurde. Die Verständigung hat den Gegenstand der Anschuldigung und eine Belehrung über die wesentlichen Rechte im Verfahren zu enthalten. Sie kann aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck der Vorerhebungen oder der Untersuchung gefährdet wäre.1
§ 24
1) Der Beschuldigte kann sich in allen Strafsachen eines Verteidigers bedienen.
2) Zum Verteidiger kann jede eigenberechtigte Person, in den in § 26 Abs. 2 geregelten Fällen sowie in Rechtsmittelverfahren jedoch nur ein Rechtsanwalt bestellt werden, der in der Rechtsanwaltsliste eingetragen oder sonst gesetzlich oder mittels Bewilligung der Regierung zur Berufsausübung im Fürstentum Liechtenstein zugelassen ist.2
3) Für einen Minderjährigen oder Pflegebefohlenen können die gesetzlichen Vertreter selbst wider dessen Willen einen Verteidiger bestellen.3
§ 25
1) Ausgeschlossen von der Verteidigung in der Schlussverhandlung ist, wer als Zeuge zur Schlussverhandlung vorgeladen wurde. Inwiefern im vorausgehenden Verfahren bestimmte Personen deshalb von der Verteidigung auszuschliessen seien, weil sie als Zeugen vernommen wurden oder weil ihre Vorladung zur Schlussverhandlung beantragt ist, hat der Präsident des Obergerichtes zu beurteilen.
2) Dem Beschuldigten ist auch gestattet, mehrere Verteidiger beizuziehen; doch darf hiedurch keine Vermehrung der für den Angeklagten in der Schlussverhandlung gestatteten Vorträge herbeigeführt werden.
3) Sind mehrere der nämlichen strafbaren Handlung Mitbeschuldigte vorhanden, welche sich selbst ihre Verteidiger wählen, so bleibt es ihnen auch selbst überlassen, ob sich mehrere derselben durch einen gemeinschaftlichen Verteidiger vertreten lassen wollen.
§ 26
1) Über sein Recht, sich eines Verteidigers zu bedienen, ist der Beschuldigte in der Verständigung gemäss § 23 Abs. 4, spätestens jedoch bei der ersten gerichtlichen Vernehmung zu belehren.4
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
2) Ist der Beschuldigte (Angeklagter) ausserstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Gericht auf Antrag des Beschuldigten (Angeklagten) zu beschliessen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte (Angeklagte) nicht zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist. In diesem Sinne ist besonders die Beigebung eines Verteidigers zur Ausübung angemeldeter Rechtsmittel, zur Erhebung des Einspruches gegen die Anklageschrift, für die Schlussverhandlung sowie für den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über ein Rechtsmittel erforderlich. Wird für die Schlussverhandlung oder Berufung ein Verteidiger beigegeben, so gilt dessen Bestellung auch für das Rechtsmittelverfahren.
3) Für die Dauer der Untersuchungshaft und für die Schlussverhandlung vor dem Kriminal- oder dem Schöffengericht bedarf der Beschuldigte (Angeklagte) eines Verteidigers. Wählt für diese Fälle weder der Beschuldigte (Angeklagte) selbst noch sein gesetzlicher Vertreter für ihn einen Verteidiger und wird ihm auch kein Verteidiger nach Abs. 2 beigegeben, so ist von Amts wegen, im Haftfall spätestens vor Durchführung der ersten Haftverhandlung, ein Verteidiger beizugeben, dessen Kosten der Angeklagte zu tragen hat, es sei denn, dass die Voraussetzungen für die Beigebung eines Verteidigers nach Abs. 2 vorliegen. Abs. 2 letzter Satz gilt entsprechend.1
§ 27
1) Zum Verteidiger hat das Gericht einen Rechtsanwalt zu bestellen. Soweit nicht zwingend ein Rechtsanwalt zum Verteidiger bestellt werden muss, kann es einen beim Landgericht tätigen Praktikanten mit abgeschlossenem Rechtsstudium zum Verteidiger bestellen. Hat das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwalts beschlossen, so hat es den Vorstand der Liechtensteinischen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit dieser einen Rechtsanwalt zum Verteidiger bestelle.2
2) Mehreren gleichzeitig Beschuldigten (Angeklagten) kann ein gemeinschaftlicher Verteidiger beigegeben werden. Dem bestellten Verteidiger bleibt es jedoch unbenommen, in dem Falle, dass er nach Einsicht der Akten und nach genommener Rücksprache mit den von ihm zu vertretenden Beschuldigten die Verteidigung in der vom Gerichte bestimmten Weise nicht angemessen findet, eine grössere Zahl von Verteidigern
oder eine andere Verteilung der Aufgaben in Antrag zu bringen. Auch steht es dem Beschuldigten, wenn er der Meinung ist, dass der für ihn bestellte Verteidiger seine Vertretung nicht gehörig führen könne, frei, dieses dem Gerichte anzuzeigen und um die geeignete Abänderung nachzusuchen.
§ 28
Beantragt der Beschuldigte (Angeklagte) innerhalb der für die Ausführung eines Rechtsmittels oder für eine sonstige Prozesshandlung offenstehenden Frist die Beigebung eines Verteidigers (§ 26 Abs. 2), so beginnt diese Frist mit der Zustellung des Beschlusses über die Verteidigerbestellung sowie des Aktenstückes an den Verteidiger, das die Frist sonst in Lauf setzt, oder mit der Zustellung des den Antrag rechtskräftig abweisenden Beschlusses an den Beschuldigten von neuem zu laufen.
§ 29
1) Der einmal bestellte Verteidiger bedarf zur Vornahme einzelner Prozesshandlungen keiner besonderen Vollmacht, selbst nicht zur Stellung des Antrages auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens.
2) Der Beschuldigte kann die Verteidigung von dem durch ihn selbst gewählten Verteidiger jederzeit auf einen anderen übertragen. Auch der Auftrag des von Amts wegen bestellten Verteidigers erlischt, sobald der Beschuldigte einen anderen Verteidiger bestellt. Doch darf in solchen Fällen durch den Wechsel in der Person des Verteidigers das Verfahren nicht aufgehalten werden.
§ 30
1) Auch während der Untersuchung kann sich der Beschuldigte eines Verteidigers zur Wahrnehmung seiner Rechte bei den gerichtlichen Akten, die unmittelbar die Feststellung des Tatbestandes betreffen und keine spätere Wiederholung zulassen, sowie zur Ausführung bestimmter, von ihm angemeldeter Rechtsmittel bedienen.
2) Der Untersuchungsrichter hat dem Verteidiger auf Verlangen zu gestatten, in den Amtsräumen des Gerichtes in die Strafakten, mit Ausnahme der Beratungsprotokolle, Einsicht zu nehmen und von ihnen Abschriften herzustellen; der Untersuchungsrichter kann dem Verteidiger statt dessen auch Ablichtungen ausfolgen. Ist der Beschuldigte nicht durch einen Verteidiger vertreten, so stehen diese Rechte des Verteidigers ihm selbst zu, wobei die Akteneinsicht einem in Haft befindlichen Beschuldigten auch in den Amtsräumen des Landesgefängnisses gewährt werden kann. Bis zur Mitteilung der Anklageschrift kann der Untersu
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
chungsrichter einzelne Aktenstücke von der Einsicht- und Abschriftnahme durch Verteidiger oder Beschuldigten ausnehmen, wenn die Befürchtung gerechtfertigt ist, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme von diesen Aktenstücken die Untersuchung erschwert werden könnte. Dem Beschuldigten oder seinem Verteidiger sind auf Verlangen unentgeltliche Abschriften (Ablichtungen) der Augenscheinprotokolle, der Befunde und Gutachten von Sachverständigen, Behörden, Ämtern und Anstalten sowie der Originalurkunden, die Gegenstand der strafbaren Handlung sind, zu übergeben. Dem Verteidiger ist auch eine Ausfertigung der Anordnung der Festnahme sowie aller gerichtlichen Entscheidungen auszufolgen, gegen die dem Beschuldigten ein Rechtsmittel zusteht.1
3) Der festgenommene Beschuldigte darf sich mit seinem Verteidiger besprechen, ohne dabei überwacht zu werden. Ist der Beschuldigte aber wegen Verdunkelungsgefahr (§ 131 Abs. 2 Ziff. 2) oder Tatausführungsgefahr (§ 131 Abs. 2 Ziff. 3 Bst. d) in Haft und ist auf Grund besonderer, schwer wiegender Umstände zu befürchten, dass der Kontakt mit dem Verteidiger zu einer Gefährdung der Haftzwecke, zu einer Beeinträchtigung erheblicher Beweismittel oder zu einer Gefährdung von Leib und Leben oder anderer lebenswichtiger Interessen führen könnte, so kann der Untersuchungsrichter mit begründetem Beschluss anordnen, dass die Besprechung mit dem Verteidiger in Anwesenheit des Untersuchungsrichters oder einer von ihm bestellten Person durchzuführen und von dieser überwacht wird. Eine solche Überwachung ist nur für eine Höchstfrist von einem Monat ab Verhängung der Untersuchungshaft, längstens jedoch bis zur Erhebung der Anklage zulässig.2
4) Der Untersuchungsrichter darf den Briefverkehr und die Telefongespräche des festgenommenen Beschuldigten mit seinem Verteidiger nur unter den im Abs. 3 erwähnten Voraussetzungen und Bedingungen überwachen.3
§ 30a4
Der Beschuldigte und sein Verteidiger sind berechtigt, Informationen, die sie im Verfahren in nicht öffentlicher Verhandlung oder im Zuge einer nicht öffentlichen Beweisaufnahme oder durch Akteneinsicht erlangt haben, im Interesse der Verteidigung und anderer überwiegender Interessen zu verwerten. Es ist ihnen jedoch untersagt, solche Informationen,
soweit sie personenbezogene Daten anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter enthalten und nicht in öffentlicher Verhandlung vorgekommen oder sonst öffentlich bekannt geworden sind, in einem Medienwerk oder auf andere Weise zu veröffentlichen, dass die Mitteilung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, wenn dadurch schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter, die gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen, verletzt würden.
§ 30b1
Wird über den Beschuldigten die Untersuchungshaft verhängt, so sind dem Staatsanwalt und dem Verteidiger bis zur ersten Haftverhandlung - sofern die Schlussverhandlung früher stattfindet, bis zu dieser ohne unnötigen Aufschub Abschriften (Ablichtungen) aller Aktenstücke, die für die Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können, von Amts wegen zur Verfügung zu stellen. Der Staatsanwalt und der Verteidiger können beantragen, dass ihnen solche Abschriften auch in weiterer Folge übermittelt werden. Eine Beschränkung der Akteneinsicht hinsichtlich solcher Aktenstücke, die für die Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können, ist ab Verhängung der Untersuchungshaft unzulässig. Im Übrigen bleiben die §§ 30 Abs. 2 und 30a unberührt.
1 § 30b eingefügt durch LGBl. 2007 Nr. 292.
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V. Hauptstück
Von dem Privatankläger, dem Verletzten und dem
Privatbeteiligten1
§ 31
1) Eine zur Privatanklage berechtigte Person muss bei sonstigem Verlust ihres Anklagerechtes, binnen sechs Wochen von dem Tag, an dem ihr die strafbare Handlung und der der Tat hinlänglich Verdächtige bekannt geworden sind, einen Verfolgungsantrag gegen diesen stellen. Dieser Antrag kann auch auf die Einleitung der Untersuchung oder auf die Bestrafung des Täters gerichtet sein und muss beim Strafgericht mündlich oder schriftlich gestellt werden. Der Verletzte oder sonstige Beteiligte ist zum Einschreiten als Privatankläger nicht mehr berechtigt, wenn er die strafbare Handlung ausdrücklich verziehen hat. Die §§ 66 und 67 bleiben unberührt.
2) Der Privatankläger ist berechtigt, während der Untersuchung dem Gerichte alles an die Hand zu geben, was seine Anklage unterstützen kann, von den Akten Einsicht zu nehmen und zur Geltendmachung seiner Anklage alle Schritte einzuleiten, zu welchen sonst der Staatsanwalt berechtigt ist. Es kann ihm jedoch, wenn er seine Klage zurückgenommen hat, die Wiederaufnahme des Strafverfahrens nicht bewilligt werden.
3) Hat der Privatankläger unterlassen, innerhalb der gesetzlichen Frist die Anklage oder die sonst zur Aufrechterhaltung der Strafverfolgung erforderlichen Anträge einzubringen, ist er bei der Schlussverhandlung nicht erschienen, oder hat er bei dieser unterlassen, die Schlussanträge zu stellen, so wird angenommen, dass er von der Verfolgung zurückgetreten sei. Auf diese Folge ist der Privatankläger jeweils hinzuweisen.
§ 31a2
Alle im Strafverfahren tätigen Behörden sind verpflichtet, den Verletzten über seine Rechte im Strafverfahren zu belehren.
§ 31b3
1) Alle im Strafverfahren tätigen Behörden haben bei ihren Amtshandlungen wie auch bei der Auskunftserteilung gegenüber Dritten die berech
tigten Interessen der durch eine strafbare Handlung verletzten Personen an der Wahrung ihres höchstpersönlichen Lebensbereiches zu beachten. Dies gilt besonders für die Weitergabe von Lichtbildern und die Mitteilung von Angaben zur Person, die zu einem Bekanntwerden ihrer Identität in einem grösseren Personenkreis führen können, ohne dass dies durch Zwecke der Strafrechtspflege geboten ist.
2) Das Verbot der Veröffentlichung nach § 30a gilt für Privatankläger, Privatbeteiligte und Verletzte sinngemäss.
§ 32
1) Jeder durch ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen in seinen Rechten Verletzte kann sich bis zum Beginn der Schlussverhandlung seiner privatrechtlichen Ansprüche wegen dem Strafverfahren anschliessen und wird hiedurch Privatbeteiligter.
2) Dem Privatbeteiligten stehen folgende Rechte zu:
- Er kann dem Untersuchungsrichter alles an die Hand geben, was derÜberweisung des Beschuldigten oder zur Begründung der Entschädigungsansprüche dienlich ist.
- Er kann von den Akten, und zwar, falls nicht besondere Gründe entgegenstehen, schon während der Untersuchung Einsicht nehmen.
- Zur Schlussverhandlung wird der Privatbeteiligte mit dem Beisatze geladen, dass im Falle seines Nichterscheinens die Verhandlung dennoch vor sich gehen werde, und dass seine Anträge aus den Akten vorgelesen werden würden. Er kann an den Angeklagten, an Zeugen und Sachverständige Fragen stellen oder um andere Bemerkungen zu machen, schon während der Verhandlung das Wort erhalten. Am Schlusse der Verhandlung erhält er unmittelbar, nachdem der Staatsanwalt seinen Schlussantrag gestellt und begründet hat, das Wort, um seine Ansprüche auszuführen und zu begründen und diejenigen Anträge zu stellen, über die er im Haupterkenntnisse mitentschieden haben will.
3) Ausserdem ist der Privatbeteiligte berechtigt nach Massgabe des § 173 statt des Staatsanwaltes die öffentliche Anklage als Subsidiarankläger zu erheben, doch steht dem Staatsanwalt frei, auch in diesem Falle die Verfolgung jederzeit wieder zu übernehmen.
3a) Wenn der Staatsanwalt nach dem IIIa. Hauptstück von der Verfolgung zurücktritt, ist der Privatbeteiligte hingegen nicht berechtigt, die öffentliche Anklage zu erheben oder zu übernehmen.1
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
4) Im übrigen finden auf den Subsidiarankläger, soweit in diesem Gesetz nicht etwas anderes angeordnet ist, die den Privatankläger betreffenden Bestimmungen Anwendung mit der Einschränkung, dass ihm die Berufung gegen das Urteil nur soweit offen steht, als sie dem Privatbeteiligten überhaupt eingeräumt ist und er nicht berechtigt ist, auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens anzutragen.
§ 33
Wenn mit einer gerichtlichen Entscheidung die Voraussetzungen des § 42 StGB bejaht wurden, steht dem Privatbeteiligten kein subsidiäres Verfolgungsrecht zu.
§ 34
1) Der Privatankläger und der Privatbeteiligte sowie deren gesetzliche Vertreter können ihre Sache selbst oder durch einen Bevollmächtigten führen.
2) Das Gericht kann, wenn es ihm angemessen erscheint, dem abwesenden Privatankläger oder Privatbeteiligten die Namhaftmachung eines am Gerichtssitze wohnhaften Bevollmächtigten auftragen.
VI. Hauptstück
Von der Bekanntmachung, Zustellung und
Akteneinsicht1
§ 352
1) Die Bekanntmachung von Erledigungen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft hat durch mündliche Verkündung oder durch Zustellung einer Ausfertigung zu erfolgen.
2) Mündliche Verkündungen sind zu protokollieren. Jeder Person, der mündlich verkündet wurde, ist der Inhalt der Erledigung auf Verlangen schriftlich oder elektronisch zu übermitteln.
3) Der Staatsanwaltschaft und dem Gericht können die Akten zur Einsicht in die Erledigung übermittelt werden. In diesem Fall hat die Staatsanwaltschaft oder das Gericht den Tag des Einlangens der Akten und den Tag der Einsichtnahme nachvollziehbar in den Akten zu beurkunden.
§ 361
1) Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, gelten für Zustellungen das Zustellgesetz (ZustG) und die §§ 87 und 91 der Zivilprozessordnung sinngemäss.
2) Die Art. 8, 9 Abs. 2, Art. 10 Abs. 1 sowie Art. 12 ZustG sind ausser in den Fällen des § 143 Abs. 1 und § 295 Abs. 2 nur auf Subsidiarankläger, Privatankläger, Privatbeteiligte, sonst Betroffene (§ 354) und auf Bevollmächtigte dieser Personen anzuwenden.
3) Zustellungen haben durch unmittelbare Übergabe oder durch Organe eines Zustelldienstes zu erfolgen. Die Landespolizei ist nur dann um eine Zustellung zu ersuchen, wenn dies im Interesse der Strafrechtspflege unbedingt erforderlich ist.
§ 372
1) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, kann ohne Zustellnachweis zugestellt werden.
2) Eine Übermittlung an eine elektronische Zustelladresse (Art. 2 Abs. 1 Bst. e ZustG) ist einer Zustellung mit Zustellnachweis gleichzuhalten.
3) Ladungen und Aufforderungen, deren Befolgung durch Beugemittel oder auf andere Weise durchgesetzt werden kann, Erledigungen, deren Zustellung die Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels oder eines Rechtsbehelfs an das Gericht auslöst, sowie Ladungen von Privatbeteiligten, Privatanklägern und Subsidiaranklägern zur Schlussverhandlung sind zu eigenen Handen (Art. 23 ZustG) zuzustellen. Berufsmässigen Parteienvertretern kann anstatt zu eigenen Handen immer auch mit Zustellnachweis zugestellt werden.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
4) Soweit der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter des Verfahrens durch einen Verteidiger oder eine andere Person vertreten wird, ist diesem Verteidiger oder Vertreter zuzustellen. Die Ladung zur Schlussverhandlung in erster Instanz, das Abwesenheitsurteil sowie Verständigungen und Mitteilungen nach den §§ 22c Abs. 4, 22d Abs. 1 und 4 sowie 22f Abs. 1 und 3 sind dem Angeklagten oder Beschuldigten jedoch immer selbst und zu eigenen Handen zuzustellen.
§ 381
Aufgehoben
§ 39
Der Beurteilung des Gerichtes ist es überlassen, ob es zulässig erscheine, einer Partei oder ihrem ausgewiesenen Vertreter auch ausser den in dieser Strafprozessordnung insbesondere bezeichneten Fällen die Einsicht in strafgerichtliche Akten oder die Ausfolgung von Abschriften aus solchen zu bewilligen, sofern diese Personen glaubwürdig dartun, dass ihnen dieselbe zur Ausführung eines Entschädigungsanspruches oder zum Zwecke des Begehrens um Wiederaufnahme oder aus anderen Gründen notwendig sei.
§ 40
1) Von der Einleitung und von der Beendigung des Strafverfahrens gegen Personen, welche in einem öffentlichen Dienste stehen, Mitglieder einer Gemeinde- oder einer anderen zur Besorgung öffentlicher Angelegenheiten berufenen Vertretung sind oder welchen öffentliche Titel oder Orden oder Ehrenzeichen verliehen sind, ist der Regierung Mitteilung zu machen.
2) Dasselbe gilt für Mitglieder des geistlichen Standes mit der Massgabe, dass die Verständigung an den Bischof oder das geistliche Oberhaupt, dessen Sprengel der Beschuldigte angehört, zu richten ist.
VII. Hauptstück
Von der Untersuchung im allgemeinen und der
Verbindung mehrerer sowie der Absonderung einzelner
Strafsachen
§ 41
1) Das Untersuchungsverfahren hat den Zweck, den Tatbestand zu erheben, den Täter, die Mitschuldigen und Teilnehmer zu erforschen, die Verdachtsgründe und Beweise über die Schuld einerseits und die Mittel zur Rechtfertigung des Beschuldigten andererseits zu sammeln.
2) Die Erhebung des Tatbestandes besteht in der Nachforschung, ob eine zur Kenntnis des Gerichts gelangte strafbare Handlung wirklich stattgefunden und welche Beschaffenheit sie nach allen Umständen und Wirkungen habe. Insbesondere ist hiebei auch zu erheben, inwieferne die Tat mit Vorsatz oder aus Fahrlässigkeit begangen worden; mit welchen erschwerenden oder mildernden Umständen sie begleitet gewesen; welche Personen davon Kenntnis haben können; und wie gross der durch die strafbare Handlung zugefügte Schaden ist.
3) Der Untersuchungsrichter darf die Untersuchung nur wegen solcher strafbarer Handlungen und nur gegen Personen einleiten, bei denen ihm ein darauf abzielender Antrag eines berechtigten Anklägers vorliegt.1
4) Beantragt der Staatsanwalt die Einleitung der Untersuchung, so hat er die Anzeige sowie die zu seiner Kenntnis gelangten Beweismittel und die Ergebnisse der etwa veranlassten Vorerhebungen dem Untersuchungsrichter mitzuteilen.2
5) Über den Antrag auf Einleitung der Untersuchung entscheidet der Untersuchungsrichter mit Beschluss.3
§ 42
Der Untersuchungsrichter hat die strafbaren Handlungen unter Beiziehung eines beeideten Protokollführers zu erforschen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 43
1) Der Ankläger und der Beschuldigte sind berechtigt, hinsichtlich der Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen Anträge an den Untersuchungsrichter zu stellen, über welche dieser zu entscheiden hat. Im Übrigen wird jedoch der Untersuchungsrichter, ohne weitere Anträge des Anklägers abzuwarten, von Amts wegen mit dem Ziel tätig, den Tatbestand zu erheben, den Täter zu ermitteln und die zur Überführung oder Verteidigung des Beschuldigten dienenden Beweismittel so weit festzustellen, als es der Zweck der Untersuchung erfordert.1
2) Weder der Ankläger noch der Verteidiger dürfen bei der förmlichen Vernehmung des Beschuldigten oder der Zeugen durch den Untersuchungsrichter gegenwärtig sein. Sie sind aber berechtigt, dem Augenscheine, der Hausdurchsuchung und der Durchsuchung von Papieren beizuwohnen und die Gegenstände zu bezeichnen, auf welche diese Untersuchungshandlungen auszudehnen sind. Der Untersuchungsrichter soll den Ankläger und den Verteidiger deshalb in der Regel von der Vornahme dieser Handlungen vorher benachrichtigen; er nimmt sie aber, wenn Gefahr im Verzuge ist, ohne vorausgegangene Verständigung desselben vor.
§ 44
Ist bei einer Untersuchungshandlung die Zuziehung von Gerichtszeugen erforderlich, so müssen diese volljährige, unbescholtene, bei der Sache unbeteiligte Personen sein und mittels Handschlages angeloben, dass sie auf alles, was vor ihnen vorgenommen und ausgesagt wird, volle Aufmerksamkeit verwenden, über die getreue Protokollierung wachen und bis zum Schlussverfahren über alles, was ihnen während der Untersuchungshandlung bekannt geworden, Stillschweigen beobachten. Die Zuziehung von Gerichtszeugen ist nur erforderlich:
- bei der Vornahme des Augenscheines;
- bei der Haus- und Personsdurchsuchung;
- bei der Vernehmung des Beschuldigten, wenn er es verlangt.
§ 45
Es ist allgemeine Bürgerpflicht, sich als Gerichtszeuge bei Untersuchungshandlungen verwenden zu lassen. Diese Pflicht trifft zunächst die Bewohner jener Gemeinde, in welcher die Untersuchungshandlung vorgenommen wird.
§ 46
Der Untersuchungsrichter bestimmt die Gerichtszeugen nach Massgabe der §§ 44 und 45 dieses Gesetzes. Ganz befreit von der Pflicht, sich als Gerichtszeugen verwenden zu lassen, bleiben: a) die Seelsorger; b) öffentliche Beamte und Diener;
c) die Lehrer, Sanitätspersonen und alle, deren Berufsdienst ohne Verletzung des öffentlichen Dienstes nicht unterbrochen werden kann.
§ 47
Über alle Untersuchungshandlungen sind Protokolle aufzunehmen; es muss ausser dem Beamten, welcher die Handlung vornimmt oder leitet, stets ein beeideter Protokollführer gegenwärtig sein.
§ 48
1) Die Protokolle über gerichtliche Verhandlungen werden gleich bei deren Vornahme und, wo dies nicht tunlich ist, unmittelbar nachher aufgenommen.
2) Jedes Protokoll enthält die Bezeichnung des Ortes, Jahres und Tages der Aufnahme und der gegenwärtigen Personen.
3) Die Fragen sind nur insoweit niederzuschreiben, als es zum Verständnis einer Antwort erforderlich ist. Die Antworten sind in der Regel bloss ihrem wesentlichen Inhalte nach erzählungsweise aufzunehmen. Nur wo es für die Beurteilung der Sache wichtig oder wo zu erwarten ist, dass die Vorlesung des Protokolles in der Schlussverhandlung erforderlich sein werde, ist die Aussage des Vernommenen unter Beibehaltung seiner eigenen Ausdrücke, wörtlich und als solche erkennbar, in das Protokoll aufzunehmen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
4) Der Richter hat das Protokoll laut zu diktieren, so dass es die Anwesenden hören. Doch steht dem Vernommenen frei, seine Antworten dem Protokollführer zu diktieren. Missbraucht der Vernommene dieses Recht, so kann es ihm vom Richter entzogen werden.
§ 49
Jedes Protokoll ist den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen vorzulesen oder auf Verlangen zum Durchlesen vorzulegen und es ist die geschehene Vorlesung oder Vorlegung sowie die Genehmigung im Protokolle zu bemerken. Dasselbe ist sodann von den vernommenen Personen durch Beisetzung der Unterschrift oder des Handzeichens auf jedem Bogen und am Schlusse von den anwesenden Beamten, dem Protokollführer und den beigezogenen Gerichtszeugen zu unterschreiben. Verweigert der Vernommene die Unterschrift, so ist dies nebst dem Grunde der Weigerung im Protokolle zu bemerken.
§ 50
In dem einmal Niedergeschriebenen darf nichts Erhebliches ausgelöscht, zugesetzt oder verändert werden. Durchstrichene Stellen müssen noch lesbar bleiben. Erhebliche Zusätze oder Berichtigungen, die ein Vernommener seiner Aussage beifügt, sind am Rande des Protokolles oder in einem Nachtrage zu bemerken und auf die im § 49 bezeichnete Art zu genehmigen und zu unterschreiben.
§ 51
1) Besteht das Protokoll aus mehreren Bogen, so müssen diese zusammengeheftet und mit dem Gerichtssiegel befestigt werden.
2) Der Untersuchungsrichter hat ein Verzeichnis zu führen, in welchem täglich alle Akten der Untersuchung genau festzuhalten sind.
§ 52
Der Untersuchungsrichter kann Personen, die sich ungeachtet einer vorausgegangenen Abmahnung bei einer seiner Amtshandlungen ungebührlich oder beleidigend betragen, mit einer Ordnungsstrafe bis zu 1 000 Franken bestrafen. Gegen Rechtsbeistände der Parteien kann eine Geldstrafe nur verhängt werden, wenn sie nicht der Disziplinargewalt einer Standesbehörde unterliegen. Jede dieser Verfügungen ist in den Akten ersichtlich zu machen.
§ 531
1) Wird einer Behörde der Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung bekannt, die ihren gesetzmässigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an die Staatsanwaltschaft oder die Landespolizei verpflichtet.
2) Keine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht,
- wenn die Anzeige eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, oder
- wenn und so lange hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, die Strafbarkeit der Tat werde binnen kurzem durch schadensbereinigende Massnahmen entfallen.
3) Die Behörde hat jedenfalls alles zu unternehmen, was zum Schutz des Verletzten oder anderer Personen vor Gefährdung notwendig ist; erforderlichenfalls ist auch in den Fällen des Abs. 2 Anzeige zu erstatten.
4) Die Anzeigepflicht der Sicherheitsbehörden und der Gerichte sowie in anderen Gesetzen festgelegte Anzeigepflichten bleiben unberührt.
§ 54
1) Die im § 53 näher bezeichnete Pflicht zur Anzeigeerstattung trifft insbesondere auch die Gerichte.
2) Die Gerichte sind verpflichtet, dem Staatsanwalt sowie dem Strafgericht (§ 12) alle notwendigen Aufklärungen zu erteilen und die Akten, deren sie bedürfen, in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift zu übermitteln.
§ 55
1) Wer immer von einer strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, Kenntnis erlangt, ist berechtigt, sie anzuzeigen. Zur Annahme der Anzeige ist nicht bloss der Staatsanwalt, sondern es sind dazu auch der Untersuchungsrichter und die Sicherheitsbehörden verpflichtet. Sie haben die Anzeige dem Staatsanwalt zu übermitteln.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
2) Liegen hinreichende Gründe für die Annahme vor, dass eine Person eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung ausführe, unmittelbar vorher ausgeführt habe, oder dass nach ihr wegen einer solchen Hand-lung gefahndet werde, so ist jedermann berechtigt, diese Person auf angemessene Weise anzuhalten. Er ist jedoch verpflichtet, die Anhaltung unverzüglich dem nächsten Sicherheitsorgan anzuzeigen.
§ 56
1) Der Staatsanwalt ist verpflichtet, alle an ihn gelangten Anzeigen über strafbare Handlungen, die von Amts wegen zu verfolgen sind, zu prüfen, sowie die zu seiner Kenntnis gelangenden Spuren solcher strafbaren Handlungen zu verfolgen. Er hat auch zur Entdeckung unbekannter Täter durch Erforschung dahinführender Verdachtsgründe mitzuwirken.
2) Wenn namenlose Anzeigen oder solche, die von einem völlig Unbekannten herrühren, bestimmte, die strafbare Handlung glaubwürdig bezeichnende Umstände enthalten, so ist zwar zur Erhebung dieser Umstände zu schreiten; doch ist dabei mit Vermeidung allen Aufsehens und mit möglichster Schonung der Ehre der beschuldigten Personen vorzugehen.
3) Wenn der Ruf von einer strafbaren Handlung, die nicht bloss auf Begehren eines Beteiligten zu untersuchen ist, an den Staatsanwalt gelangt, so ist er verpflichtet, die Vernehmung der Personen zu veranlassen, durch die der Ruf fortgepflanzt wurde, dem Ruf unter Mitwirkung der Sicherheitsbehörden bis zu seinem Ursprunge nachzugehen und sich, soviel als möglich, zu überzeugen, ob er gegründet ist oder nicht.
4) Zur Klärung eines bestehenden Verdachtes kann sowohl der Staatsanwalt wie auch der Untersuchungsrichter die Mithilfe der Sicherheitsorgane in Anspruch nehmen.
§ 57
1) Der Untersuchungsrichter nimmt, solange kein Antrag des Staatsanwaltes vorliegt, nur die Untersuchungshandlungen vor, die ohne Gefährdung des Zweckes oder ohne Überschreitung einer gesetzlichen Frist nicht aufgeschoben werden können. Vom Vorgenommenen hat er den Staatsanwalt in Kenntnis zu setzen und sodann dessen Anträge abzuwarten.
2) Die über Untersuchungshandlungen nach Abs. 1 aufgenommenen Protokolle hat der Untersuchungsrichter mit grösstmöglicher Beschleunigung dem Staatsanwalt zur Antragstellung mitzuteilen.
§ 58
Indessen auch über eine namenlose oder von einer unbekannten Person herrührende Anzeige ist, sofern sie bestimmte, die strafbare Handlung glaubwürdig bezeichnende Umstände enthält, zur Erhebung dieser Umstände zu schreiten.
§ 59
1) Hat eine strafbare Handlung Spuren zurückgelassen, so sind diese in geeigneter Weise, insbesondere durch Augenschein nach den in dem folgenden Hauptstücke enthaltenen Bestimmungen zu erheben.
2) Daher ist auch gehörig Sorge zu tragen, dass solche Spuren bis zu dieser Erhebung, soweit dieses ohne grösseren Schaden zu besorgen tunlich ist, in dem Zustande gelassen werden, in welchem sie sich zur Zeit befunden, als die strafbare Handlung entdeckt worden ist.
§ 60
1) Gegenstände, an oder mit welchen die strafbare Tat verübt wurde oder welche der Täter am Orte der Tat zurückgelassen haben dürfte, überhaupt Gegenstände, welche von dem Beschuldigten oder von Zeugen anzuerkennen sind oder in anderer Weise zur Herstellung des Beweises dienen können, sind, soweit es möglich ist, in gerichtliche Verwahrung zu nehmen. Sie sind entweder in einen mit dem Gerichtssiegel zu verschliessenden Umschlag zu legen, oder es ist an ihnen eine gegen Unterschiebung oder Verwechslung schützende gerichtliche Bezeichnung anzubringen.
2) Befinden sich unter den vorgefundenen Gegenständen zum Gottesdienste geweihte Sachen, so hat das Gericht für deren Absonderung von allen übrigen Gegenständen und für deren entsprechende Aufbewahrung zu sorgen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 61
1) Der Untersuchungsrichter hat alle Personen, von denen sich mit Wahrscheinlichkeit eine Auskunft über die Umstände der Tat oder über die Person von dabei Beteiligten und deren Verhältnis zur Tat erwarten lässt und insbesondere auch den durch die strafbare Handlung Beschädigten zu vernehmen.
2) Auch bereits vernommene Personen können von dem Untersuchungsrichter neuerlich vernommen werden, insoferne dies zur Ergänzung oder Aufklärung ihrer früheren Aussagen erheblich erscheint.
§ 62
Kann der durch eine strafbare Handlung verursachte Schaden oder entgangene Gewinn durch die Aussage des Beschädigten nicht zuverlässig erhoben werden oder ist mit Grund zu vermuten, dass der Beschädigte seinen Schaden zu hoch schätze, so ist die Grösse des Schadens in jenen Fällen, in welchen sie auf die Zurechnung der Tat als Verbrechen, auf das Strafmass oder auf die Zuerkennung der Entschädigung von Einfluss ist, durch Vernehmung von Zeugen oder durch Sachverständige zu ermitteln.
§ 63
Schriften, die nicht in deutscher Sprache geschrieben und für die Untersuchung erheblich sind, hat der Untersuchungsrichter durch einen beeideten Dolmetscher übersetzen zu lassen und samt der Übersetzung zu den Akten zu bringen.
§ 641
1) Die Untersuchung ist durch Verfügung des Untersuchungsrichters einzustellen, sobald der Ankläger von der strafgerichtlichen Verfolgung absteht.
2) Ausser diesem Fall kann die Untersuchung nur durch Beschluss des Untersuchungsrichters (§ 66) oder des Obergerichts eingestellt werden.
§ 65
1) Wird die Untersuchung eingestellt, so sind der Ankläger, der Privatbeteiligte und der Beschuldigte hievon zu verständigen und letzterer ist, wenn er verhaftet war, sogleich freizulassen.
2) Auf sein Verlangen ist ihm ein Amtszeugnis darüber auszufertigen, dass kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung gegen ihn vorhanden sei.
3) Hat sich der durch die strafbare Handlung in seinem Rechte Verletzte dem Verfahren nicht angeschlossen, so ist ihm auf sein Ansuchen die Bestätigung der erfolgten Einstellung zu erteilen.
§ 661
Die Untersuchung ist mit Beschluss des Untersuchungsrichters einzustellen, wenn auf Grund der Ergebnisse der Erhebungen fest steht, dass kein Tatbestand einer strafbaren Handlung vorhanden sei oder wenn alle Verdachtsgründe gegen den Beschuldigten behoben sind oder wenn sich von weiteren Erhebungen eine bessere Aufklärung, weder in Beziehung auf den Tatbestand, noch in Ansehung des Täters erwarten lässt.
§ 67
1) Die Zuständigkeit des Gerichtes für den unmittelbaren Täter begründet auch die Zuständigkeit für die anderen Beteiligten (§ 12 StGB).
2) Liegen demselben Beschuldigten mehrere strafbare Handlungen zur Last, oder haben sich an derselben strafbaren Handlung mehrere Personen beteiligt, oder hat eine dieser letzteren auch noch in Verbindung mit anderen Personen strafbare Handlungen begangen, so ist in der Regel das Strafverfahren gegen alle diese Personen und wegen aller dieser strafbaren Handlungen gleichzeitig zu führen und über alle zusammentreffenden Strafsachen ein Urteil zu fällen.
3) Das Gericht kann aber auf Antrag oder von Amts wegen verfügen, dass hinsichtlich einzelner strafbarer Handlungen oder einzelner Beschuldigter das Strafverfahren abgesondert zu führen und zum Abschluss zu bringen sei, soferne dies zur Vermeidung von Verzögerungen oder Erschwerungen des Verfahrens oder zur Kürzung der Haft eines Beschuldigten dienlich erscheint.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
4) In jedem solchen Falle ist dem Ankläger eine sofortige Erklärung abzufordern, ob er sich hinsichtlich der ausgeschiedenen gegen denselben Beschuldigten vorliegenden Anschuldigungspunkte die Verfolgung vorbehalte. Geschieht dies, so ist das Verfahren hinsichtlich der letzteren ohne unnötigen Aufschub fortzuführen und zum Abschlusse zu bringen; im entgegengesetzten Falle ist die Untersuchung hinsichtlich dieser Anschuldigungspunkte einzustellen.
§ 68
Gehören zu den strafbaren Handlungen im Sinne des § 67 Abs. 2 solche, für die auf Grund zwischenstaatlicher Abkommen ein besonderer Rechtszug an eine ausländische Rechtsmittelinstanz besteht, so ist das Strafverfahren für diese strafbaren Handlungen abgesondert zu führen.
VIII. Hauptstück
Von dem Augenscheine und den Sachverständigen
I. Von dem Augenscheine und der Zuziehung von
Sachverständigen überhaupt
§ 69
Der Augenschein ist vorzunehmen, sooft dies zur Aufklärung eines für die Untersuchung erheblichen Umstandes notwendig erscheint. Es sind stets zwei Gerichtszeugen, und wenn sich dies wegen Anerkennung der zu untersuchenden Gegenstände oder zur Erlangung von Aufklärungen als zweckdienlich darstellt, ist auch der Beschuldigte zuzuziehen. Dem Verteidiger des Beschuldigten kann die Beteiligung bei der Vornahme des Augenscheines nicht versagt werden; auch ist ein bereits bestellter Verteidiger, wenn kein besonderes Bedenken dagegen obwaltet, von der Vornahme des Augenscheines in Kenntnis zu setzen.
§ 70
Das über den Augenschein aufzunehmende Protokoll ist so bestimmt und umständlich abzufassen, dass es eine vollständige und treue Anschauung der besichtigten Gegenstände gewährt. Es sind demselben zu diesem Zwecke erforderlichenfalls Zeichnungen, Pläne oder Risse beizufügen; Masse, Gewichte, Grössen und Ortsverhältnisse sind nach bekannten und unzweifelhaften Bestimmungen zu bezeichnen.
§ 71
1) Dem Augenschein ist erforderlichenfalls ein Sachverständiger beizuziehen.
2) Zwei Sachverständige sind nur dann beizuziehen, wenn es wegen der Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung erforderlich ist.
§ 72
1) Die Wahl der Sachverständigen steht dem Untersuchungsrichter zu. Sind solche für ein bestimmtes Fach bei dem Gerichte bleibend angestellt, so soll er andere nur dann zuziehen, wenn Gefahr im Verzuge ist oder wenn jene durch besondere Verhältnisse abgehalten sind oder in dem einzelnen Falle als bedenklich erscheinen.
2) Wenn ein Sachverständiger der an ihn ergangenen Vorladung nicht Folge leistet oder seine Mitwirkung bei der Vornahme des Augenscheines verweigert, so kann der Untersuchungsrichter eine Geldstrafe bis zu 1 000 Franken gegen ihn verhängen.
§ 731
Personen, die in einem Untersuchungsfall als Zeugen nicht vernommen oder nicht beeidigt werden dürfen oder die zum Beschuldigten oder zum Verletzten in einem der im § 107 Abs. 1 Ziff. 1a bezeichneten Verhältnisse stehen, sind bei sonstiger Nichtigkeit des Aktes als Sachverständige nicht beizuziehen. Von der Wahl der Sachverständigen sind in der Regel sowohl der Ankläger als auch der Beschuldigte vor der Vornahme des Augenscheines in Kenntnis zu setzen; werden erhebliche Einwendungen vorgebracht und ist nicht Gefahr im Verzuge, so sind andere Sachverständige beizuziehen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 74
1) Diejenigen Sachverständigen, welche schon im allgemeinen beeidigt sind, hat der Untersuchungsrichter vor dem Beginne der Amtshandlung an den von ihnen abgelegten Eid zu erinnern.
2) Andere Sachverständige müssen vor der Vornahme des Augenscheines eidlich verpflichtet werden, dass sie den Gegenstand desselben sorgfältig untersuchen, die gemachten Wahrnehmungen treu und vollständig angeben und den Befund sowie ihr Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln ihrer Wissenschaft oder Kunst abgeben wollen.
§ 75
1) Die Gegenstände des Augenscheines sind von den Sachverständigen in Gegenwart der Gerichtspersonen zu besichtigen und zu untersuchen, ausser wenn letztere aus Rücksichten des sittlichen Anstandes für angemessen erachten, sich zu entfernen oder, wenn die erforderlichen Wahrnehmungen, wie bei der Untersuchung von Giften, nur durch fortgesetzte Beobachtung oder länger dauernde Versuche gemacht werden können.
2) Bei jeder solchen Entfernung der Gerichtspersonen von dem Orte des Augenscheines ist aber auf geeignete Weise dafür zu sorgen, dass die Glaubwürdigkeit der von den Sachverständigen zu pflegenden Erhebungen sichergestellt werde.
3) Ist von dem Verfahren der Sachverständigen die Zerstörung oder Veränderung eines von ihnen zu untersuchenden Gegenstandes zu erwarten, so soll ein Teil des letzteren, insoferne es tunlich erscheint, in gerichtlicher Verwahrung behalten werden.
§ 76
1) Der Untersuchungsrichter leitet den Augenschein. Er bezeichnet mit möglichster Berücksichtigung der von dem Ankläger und dem Beschuldigten oder dessen Verteidiger gestellten Anträge die Gegenstände, auf welche die Sachverständigen ihre Beobachtung zu richten haben und stellt die Fragen, deren Beantwortung er für erforderlich hält. Die Sachverständigen können verlangen, dass ihnen aus den Akten oder durch Vernehmung von Zeugen jene Aufklärungen über von ihnen bestimmt zu bezeichnende Punkte gegeben werden, welche sie für das abzugebende Gutachten für erforderlich erachten.
2) Wenn den Sachverständigen zur Abgabe eines gründlichen Gutachtens die Einsicht der Untersuchungsakten unerlässlich erscheint, können ihnen, soweit nicht besondere Bedenken dagegen obwalten, auch die Akten selbst mitgeteilt werden.
§ 77
Die Angaben der Sachverständigen über die von ihnen gemachten Wahrnehmungen (Befund) sind von dem Protokollführer sogleich aufzuzeichnen. Das Gutachten samt dessen Gründen können sie entweder sofort zu Protokoll geben oder sich die Abgabe eines schriftlichen Gutachtens vorbehalten, wofür eine angemessene Frist zu bestimmen ist.
§ 78
Ist der Befund dunkel, unbestimmt, im Widerspruche mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen oder weichen die Angaben zweier Sachverständiger über die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen erheblich voneinander ab, und lassen sich die Bedenken nicht durch eine nochmalige Vernehmung beseitigen, so ist der Augenschein, sofern es möglich ist, unter Zuziehung desselben oder derselben Sachverständigen zu wiederholen. Erforderlichenfalls können an ihrer Stelle andere Sachverständige beigezogen werden.
§ 79
Ergeben sich solche Widersprüche oder Mängel in bezug auf das Gutachten oder zeigt sich, dass es Schlüsse enthält, welche aus den angegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen sind, und lassen sich die Bedenken nicht durch eine nochmalige Vernehmung der Sachverständigen beseitigen, so ist das Gutachten eines anderen oder mehrerer anderer Sachverständigen einzuholen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
II. Verfahren bei Untersuchungen wegen Tötungen und wegen Körperverletzungen insbesondere
§ 80
1) Wenn sich bei einem Todesfalle Verdacht ergibt, dass derselbe durch eine strafbare Handlung verursacht worden sei, so muss vor der Beerdigung die Leichenbeschau und Leichenöffnung vorgenommen werden.
2) Ist die Leiche bereits beerdigt, so muss sie zu diesem Behufe wieder ausgegraben werden, wenn nach den Umständen noch ein erhebliches Ergebnis davon erwartet werden kann und nicht dringende Gefahr für die Gesundheit der Personen, welche an der Leichenbeschau teilnehmen müssen, vorhanden ist.
3) Ehe zur Öffnung der Leiche geschritten wird, ist dieselbe genau zu beschreiben und deren Identität durch Vernehmung von Personen, die den Verstorbenen gekannt haben, ausser Zweifel zu setzen. Diesen Personen ist nötigenfalls vor der Anerkennung eine genaue Beschreibung des Verstorbenen abzufordern. Ist aber der letztere ganz unbekannt, so ist eine genaue Beschreibung der Leiche durch öffentliche Blätter bekanntzumachen.
4) Bei der Leichenbeschau hat der Untersuchungsrichter darauf zu sehen, dass die Lage und Beschaffenheit des Leichnams, der Ort, wo und die Kleidung, worin er gefunden wurde, genau bemerkt sowie alles, was nach den Umständen für die Untersuchung von Bedeutung sein könnte, sorgfältig beachtet werde. Insbesondere sind Wunden und andere äussere Spuren erlittener Gewalttätigkeit nach ihrer Zahl und Beschaffenheit genau zu verzeichnen, die Mittel und Werkzeuge, durch welche sie wahrscheinlich verursacht wurden, anzugeben und die etwa vorgefundenen, möglicherweise gebrauchten Werkzeuge mit den vorhandenen Verletzungen zu vergleichen.
§ 81
1) Die Leichenbeschau und Leichenöffnung ist durch einen, nötigenfalls zwei Ärzte vorzunehmen (§ 71).
2) Der Arzt, welcher den Verstorbenen in der seinem Tode allenfalls vorhergegangenen Krankheit behandelt hat, ist, wenn es zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen und ohne Verzögerung geschehen kann, zur Gegenwart bei der Leichenbeschau aufzufordern.
§ 82
1) Das Gutachten hat sich darüber auszusprechen, was in dem vorliegenden Falle die den eingetretenen Tod zunächst bewirkende Ursache gewesen und wodurch dieselbe erzeugt worden sei.
2) Werden Verletzungen wahrgenommen, so ist insbesondere zu erörtern:
- ob dieselben dem Verstorbenen durch die Handlung eines anderen zugefügt wurden und, falls diese Frage bejaht wird,
- ob diese Handlung a) schon ihrer allgemeinen Natur wegen, b) vermöge der eigentümlichen persönlichen Beschaffenheit oder eines
besonderen Zustandes des Verletzten, c) wegen der zufälligen Umstände, unter welchen sie verübt wurde oder d) vermöge zufällig hinzugekommener, jedoch durch sie veranlasster oder aus ihr entstandener Zwischenursachen den Tod herbeigeführt habe und ob endlich e) der Tod durch rechtzeitige und zweckmässige Hilfe hätte abgewendet werden können.
3) Insoferne sich das Gutachten nicht über alle für die Entscheidung erheblichen Umstände verbreitet, sind hierüber von dem Untersuchungsrichter besondere Fragen an die Sachverständigen zu stellen.
§ 83
Bei Verdacht einer Kindestötung ist nebst den nach den vorstehenden Vorschriften zu pflegenden Erhebungen auch zu erforschen, ob das Kind lebendig geboren sei.
§ 84
Liegt der Verdacht einer Vergiftung vor, so ist der Erhebung des Tatbestandes nebst dem Arzte nach Erfordernis noch ein Chemiker beizuziehen. Die Untersuchung der Gifte selbst aber kann nach Umständen auch von dem Chemiker allein in einem hiezu geeigneten Lokale vorgenommen werden. Im übrigen gilt § 71 sinngemäss.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 85
Auch bei körperlichen Beschädigungen ist die Besichtigung des Verletzten durch einen Arzt als Sachverständigen vorzunehmen, welcher sich nach genauer Beschreibung der Verletzungen insbesondere auch darüber auszusprechen hat, welche von den vorhandenen Körperverletzungen oder Gesundheitsstörungen an und für sich oder in ihrem Zusammenwirken unbedingt oder unter den besonderen Umständen des Falles als leichte, schwere oder lebensgefährliche anzusehen seien, welche Wirkungen Beschädigungen dieser Art gewöhnlich nach sich zu ziehen pflegen, und welche in dem vorliegenden einzelnen Falle daraus hervorgegangen sowie durch welche Mittel oder Werkzeuge oder auf welche Weise dieselben zugefügt worden seien. Im übrigen gilt § 71 sinngemäss.
§ 86
Ist die Untersuchung einer Frau nötig, so ist womöglich eine Ärztin zu beauftragen.
III. Verfahren bei Zweifeln über Geistesstörungen oder über
Zurechnungsfähigkeit
§ 87
1) Entstehen Zweifel darüber, ob der Beschuldigte den Gebrauch der Vernunft besitze, oder ob er an einer Geistesstörung leide, wodurch die Zurechnungsfähigkeit desselben aufgehoben sein könnte, so ist die Untersuchung des Geistes- und Gemütszustandes des Beschuldigten jederzeit durch zwei Ärzte zu veranlassen.
2) Dieselben haben über das Ergebnis ihrer Beobachtungen Bericht zu erstatten, alle für die Beurteilung des Geistes- und Gemütszustandes des Beschuldigten einflussreichen Tatsachen zusammenzustellen, sie nach ihrer Bedeutung sowohl einzeln als im Zusammenhange zu prüfen und, falls sie eine Geistesstörung als vorhanden betrachten, die Natur der Krankheit, die Art und den Grad derselben zu bestimmen und sich sowohl nach den Akten, als nach ihrer eigenen Beobachtung über den Einfluss auszusprechen, welchen die Krankheit auf die Vorstellungen, Triebe und Handlungen des Beschuldigten geäussert habe und noch äussere und ob und in welchem Masse dieser getrübte Geisteszustand zur Zeit der begangenen Tat bestanden habe.
IV. Prüfung von Handschriften
§ 88
Entstehen Zweifel über die Echtheit einer Urkunde oder soll ermittelt werden, von wessen Hand eine bestimmte Schrift herrühre, so kann eine Vergleichung mit unzweifelhaft echten Schriftstücken durch einen oder zwei Sachverständige vorgenommen werden.
V. Verfahren bei Untersuchungen wegen strafbarer
Handlungen gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld,
Wertpapieren und Wertzeichen
§ 89
1) In Fällen strafbarer Handlungen gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren und Wertzeichen hat der Untersuchungsrichter die Stücke, welche den Gegenstand der Untersuchung bilden, in der Regel der Regierung zu übergeben, um den Befund über ihre Echtheit oder Unechtheit und die weitere Auskunft zu erhalten, in welcher Art die Fälschung geschehen sei, ob vorbereitete Werkzeuge, welche die Vervielfältigung erleichtern, benützt worden, endlich ob und wo solche gefälschten Stücke bereits vorgekommen sind.
2) Eben dahin sind auch nach gänzlich beendigten strafgerichtlichen Verfahren die Falsifikate samt allen von der strafbaren Handlung herrührenden Werkzeugen, Materialien und anderen dazugehörigen Gegenständen einzuschicken. Sobald diese Gegenstände zu einer neuerlichen strafgerichtlichen Amtshandlung nötig werden, sind sie zurückzuverlangen.
VI. Verfahren bei Untersuchungen wegen Brandlegungen
§ 90
Bei Brandlegungen ist insbesondere zu ermitteln, auf welche Weise der Brand gelegt, ob dazu ein Zündstoff und welcher verwendet worden ist; ferner der Ort, wo und die Zeit zu erforschen, wann die Brandlegung, ob bei Tag oder Nacht oder ob sie unter solchen Umständen geschehen, dass daraus wirklich eine Feuerbrunst an fremden Eigentume bewirkt
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
oder doch die Gefahr einer solchen herbeigeführt, oder das Leben eines Menschen einer Gefahr ausgesetzt worden sei und ob das Feuer bei dem Ausbruche sich leicht hätte verbreiten können; endlich ist bei einem wirklich ausgebrochenen Brande die Grösse des dadurch verursachten Schadens zu erheben.
VII. Verfahren bei Untersuchungen wegen anderer
Beschädigungen
§ 91
Bei strafbaren Handlungen, durch welche auf andere als die eben erwähnte Weise, ein Schaden oder eine Gefahr für Leben oder für Eigentum herbeigeführt wurde, ist durch den Augenschein vorzüglich die Beschaffenheit der angewendeten Gewalt oder List, der gebrauchten Mittel oder Werkzeuge und die Grösse des verursachten oder beabsichtigten Schadens und des entgangenen Gewinnes oder der Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit von Menschen und für fremdes Eigentum zu erheben.
IX. Hauptstück
Von der Haus- und Personsdurchsuchung, der Beschlagnahme und der Überwachung der elektronischen Kommunikation1
I. Haus- und Personsdurchsuchung
§ 92
1) Eine Hausdurchsuchung, das ist die Durchsuchung der Wohnung oder sonstiger zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten, darf nur dann vorgenommen werden, wenn gegründeter Verdacht vorliegt, dass sich darin eine eines Verbrechens oder Vergehens verdächtige Person verborgen halte oder dass sich daselbst Gegenstände befinden, deren Besitz oder Besichtigung für eine bestimmte Untersuchung von Bedeutung sein könne.
2) Gegen Personen, bei welchen eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Besitz solcher Gegenstände spricht oder welche eines Verbrechens oder Vergehens verdächtig oder sonst übel berüchtigt sind, ist auch die Durchsuchung der Person und ihrer Kleidung zulässig.
§ 93
1) Eine Durchsuchung findet in der Regel nur nach vorausgegangener Vernehmung desjenigen, bei oder an welchem sie vorgenommen werden soll und nur insoferne statt, als durch die Vernehmung weder die freiwillige Herausgabe des Gesuchten, noch die Beseitigung der die Durchsuchung veranlassenden Gründe herbeigeführt wird.
2) Von dieser Vernehmung kann Umgang genommen werden bei übel berüchtigten Personen sowie auch dann, wenn Gefahr im Verzuge ist oder wenn die Durchsuchung von dem Publikum offenstehenden Räumlichkeiten vorgenommen wird.
3) In der Regel darf die Durchsuchung nur kraft eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehles unternommen werden. Dieser Befehl ist dem Beteiligten sogleich oder doch innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zuzustellen.
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§ 94
1) Zum Zwecke der Strafgerichtspflege kann eine Hausdurchsuchung auch durch die Sicherheitsorgane aus eigener Macht vorgenommen werden, wenn gegen jemanden ein Vorführungs- oder Haftbefehl erlassen oder wenn jemand auf der Tat betreten, durch öffentliche Verfolgung oder öffentlichen Ruf als einer strafbaren Handlung verdächtig bezeichnet oder im Besitze von Gegenständen betreten wird, welche auf die Beteiligung an einer solchen hinweisen.
2) In diesem Falle ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder doch binnen der nächsten vierundzwanzig Stunden die Bescheinigung über die Vornahme der Hausdurchsuchung und deren Gründe zuzustellen.
§ 95
1) Haus- und Personsdurchsuchungen sind stets mit Vermeidung alles unnötigen Aufsehens, jeder nicht unumgänglich nötigen Belästigung oder Störung der Beteiligten, mit möglichster Schonung ihres Rufes und ihrer mit dem Gegenstande der Untersuchung nicht zusammenhängenden Privatgeheimnisse sowie mit sorgfältigster Wahrung der Schicklichkeit und des Anstandes vorzunehmen.
2) In der Regel ist die Haus- und Personsdurchsuchung in Gegenwart des Untersuchungsrichters zu vollziehen. In geringeren Fällen kann der Untersuchungsrichter solche Untersuchungshandlungen durch einen anderen Gerichtsbeamten, einen Ortsvorsteher oder ein anderes geeignetes Sicherheitsorgan ausführen lassen.
3) Der Inhaber der Räumlichkeit, welche durchsucht werden soll, ist aufzufordern, der Durchsuchung beizuwohnen; ist er verhindert oder nicht anwesend, so muss die Aufforderung an ein erwachsenes Mitglied seiner Familie oder in dessen Ermangelung an einen Hausgenossen oder Nachbar ergehen.
4) Ausserdem sind der Durchsuchung stets ein Protokollführer und zwei Gerichtszeugen beizuziehen.
5) Das über die Durchsuchung aufzunehmende Protokoll ist von allen Anwesenden zu unterfertigen. Dem Beteiligten ist auf sein Verlangen eine Abschrift (Ablichtung) des Protokolles auszuhändigen. Ist nichts Verdächtiges ermittelt worden, so ist dem Beteiligten auf sein Verlangen eine Bestätigung hierüber zu erteilen.
II. Beschlagnahme
§ 96
1) Werden Gegenstände gefunden, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können oder dem Verfall oder der Einziehung unterliegen, so sind sie in ein Verzeichnis zu bringen und in gerichtliche Verwahrung oder doch unter gerichtliche Obhut oder in Beschlag zu nehmen (§ 60).
2) Jedermann ist verpflichtet, solche Gegenstände, insbesondere auch Urkunden, auf Verlangen herauszugeben. Wird die Herausgabe eines Gegenstandes, dessen Innehabung zugestanden oder sonst erwiesen ist, verweigert und lässt sich die Abnahme nicht durch Hausdurchsuchung bewirken, so kann der Besitzer, falls er nicht selbst der strafbaren Hand-lung verdächtig erscheint oder von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses gesetzlich befreit ist, durch Verhängung einer Beugestrafe bis zu 1 000 Franken und bei weiterer Weigerung in wichtigen Fällen durch Verhängung einer Beugehaft bis zu sechs Wochen dazu angehalten werden.
3) Der zur Herausgabe verpflichteten Person sind, soweit sie nicht selbst der Tat verdächtig ist, auf ihren Antrag die angemessenen Kosten zu ersetzen, die ihr durch die Trennung von Urkunden oder sonstigen beweiserheblichen Gegenständen von anderen oder durch die Ausfolgung von Ablichtungen (Kopien, Wiedergaben) notwendigerweise entstanden sind.1
§ 97
Werden bei einer Haus- oder Personsdurchsuchung Gegenstände gefunden, die auf die Begehung einer anderen als der strafbaren Handlung schliessen lassen, derentwegen die Durchsuchung vorgenommen wird, so werden sie, wenn jene von Amts wegen zu verfolgen ist, zwar mit Beschlag belegt; es muss jedoch hierüber ein besonderes Protokoll aufgenommen und dieses sofort dem Staatsanwalte mitgeteilt werden. Beantragt dieser nicht die Einleitung des Strafverfahrens, so sind die in Beschlag genommenen Gegenstände unverzüglich zurückzugeben.
§ 97a
1) Besteht der Verdacht der unrechtmässigen Bereicherung und ist anzunehmen, dass diese Bereicherung nach § 20 StGB abgeschöpft wer
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den wird, oder besteht der Verdacht, dass Vermögenswerte der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung (§§ 278a und 278b StGB) unterliegen, als Mittel der Terrorismusfinanzierung (§ 278d) bereitgestellt oder gesammelt wurden oder aus einer mit Strafe bedrohten Handlung herrühren, und ist anzunehmen, dass diese Vermögenswerte nach § 20b StGB für verfallen zu erklären sein werden, so hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft zur Sicherung der Abschöpfung der Bereicherung oder des Verfalls insbesondere nachstehende Anordnungen zu treffen, wenn zu befürchten ist, dass andernfalls die Einbringung gefährdet oder wesentlich erschwert würde:1
- die Pfändung, Verwahrung und Verwaltung von beweglichen körperlichen Sachen, einschliesslich der Hinterlegung von Geld,
- das gerichtliche Verbot der Veräusserung oder Verpfändung beweglicher körperlicher Sachen,
- das gerichtliche Verbot der Verfügung über Guthaben oder sonstige Vermögenswerte,
- das gerichtliche Verbot der Veräusserung, Belastung oder Verpfändung von Grundstücken oder Rechten, die im Grundbuch eingetragen sind.
Durch das Verbot gemäss Ziff. 3 erwirbt der Staat an den Guthaben und sonstigen Vermögenswerten ein Pfandrecht.2
2) Die Anordnung kann auch erlassen werden, wenn die Höhe des nach Abs. 1 zu sichernden Betrages noch nicht genau feststeht.3
3) In der Anordnung kann ein Geldbetrag bestimmt werden, durch dessen Erlag die Vollziehung der Anordnung gehemmt wird. Nach dem Erlag ist die Anordnung auf Antrag des Betroffenen insoweit aufzuheben. Der Geldbetrag ist so zu bestimmen, dass darin die voraussichtliche Abschöpfung der Bereicherung oder der voraussichtliche Verfall Deckung findet.4
1 § 97a Abs. 1 Einleitungssatz abgeändert durch LGBl. 2007 Nr. 187.
2 § 97a Abs. 1 abgeändert durch LGBl. 2000 Nr. 257 und LGBl. 2003 Nr. 167.
3 § 97a Abs. 2 abgeändert durch LGBl. 1998 Nr.174.
4 § 97a Abs. 3 abgeändert durch LGBl. 2000 Nr. 257.
4) Das Gericht hat die Dauer, für welche die Anordnung getroffen wird, zu befristen. Diese Frist kann auf Antrag verlängert werden. Sind seit der erstmaligen Anordnung zwei Jahre vergangen, ohne dass Anklage erhoben oder Antrag im selbständigen objektiven Verfahren nach § 356 gestellt wurde, so sind weitere Fristverlängerungen für jeweils ein weiteres Jahr nur mit Zustimmung des Obergerichtes zulässig.1
5) Die Anordnung ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen ihrer Erlassung weggefallen sind, insbesondere auch wenn anzunehmen ist, dass die Abschöpfung der Bereicherung oder der Verfall unterbleiben werde oder die gemäss Abs. 4 festgesetzte Befristung abgelaufen ist.2
6) Gegen den Beschluss, mit dem über die Anordnung oder deren Aufhebung entschieden wird, steht der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und den von ihrer Erlassung sonst Betroffenen (§ 354) die Beschwerde an das Obergericht zu.3
III. Durchsuchung und Beschlagnahme von Papieren
§ 98
1) Bei der Durchsuchung von Papieren ist dafür zu sorgen, dass deren Inhalt nicht zur Kenntnis unbefugter Personen gelange.
2) Papiere, welche in gerichtliche Verwahrung genommen wurden und welche nicht sofort verzeichnet werden können, sind in einen mit dem Gerichtssiegel zu verschliessenden Umschlag zu bringen. Auch dem bei der Durchsuchung etwa anwesenden Beteiligten ist die Beidrückung seines Siegels zu gestatten. Wird eine Entsiegelung vorgenommen, so ist der Beteiligte aufzufordern, derselben beizuwohnen. Erscheint er auf eine solche Aufforderung nicht oder kann ihm dieselbe wegen seiner Abwesenheit nicht zugestellt werden, so ist die Entsiegelung dennoch vorzunehmen.
§ 98a
1) Banken und Wertpapierfirmen sind, sofern dies zur Aufklärung einer Geldwäscherei im Sinne des Strafgesetzbuches, einer Vortat zur Geldwä
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scherei oder einer Tat im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität erforderlich erscheint, über gerichtlichen Beschluss verpflichtet,1
- den Namen, sonstige ihnen bekannte Daten über die Identität des Inhabers einer Geschäftsverbindung sowie dessen Anschrift bekannt zu geben,2
- Auskunft zu erteilen, ob eine verdächtige Person eine Geschäftsverbindung mit diesem Institut unterhält, aus einer solchen wirtschaftlich berechtigt ist oder für sie bevollmächtigt ist, und, soweit dies der Fall ist, alle zur genauen Bezeichnung dieser Geschäftsverbindung erforderlichen Angaben zu machen sowie alle Unterlagen über die Identität des Inhabers der Geschäftsverbindung und über seine Verfügungsberechtigung zu übermitteln,3
- alle Urkunden und anderen Unterlagen über Art und Umfang der Geschäftsverbindung und damit im Zusammenhang stehende Geschäftsvorgänge und sonstige Geschäftsvorfälle eines bestimmten vergangenen oder zukünftigen Zeitraums herauszugeben.4
Dasselbe gilt, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, die Geschäftsverbindung wurde oder werde für die Transaktion eines Vermögensvorteils benutzt, der durch die strafbare Handlungen erlangt oder für sie empfangen wurde (§ 20 StGB) oder der der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung unterliegt oder als Mittel der Terrorismusfinanzierung bereitgestellt oder gesammelt wurde (§ 20b StGB).5
1a) Unter den in Abs. 1 genannten Voraussetzungen haben für Ban-ken und Wertpapierfirmen tätige Personen als Zeugen über Tatsachen auszusagen, die ihnen aufgrund der Geschäftsverbindung anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind.6
1 § 98a Abs. 1 Einleitungssatz abgeändert durch LGBl. 2007 Nr. 269. 2 § 98a Abs. 1 Ziff. 1 eingefügt durch LGBl. 2003 Nr. 237. 3 § 98a Abs. 1 Ziff. 2 eingefügt durch LGBl. 2003 Nr. 237. 4 § 98a Abs. 1 Ziff. 3 eingefügt durch LGBl. 2003 Nr. 237. 5 § 98a Abs. 1 Schlusssatz eingefügt durch LGBl. 2003 Nr. 237. 6 § 98a Abs. 1a eingefügt durch LGBl. 2009 Nr. 37.
2) Anstelle der Originale von Urkunden und anderen Unterlagenkönnen Ablichtungen herausgegeben werden, sofern deren Übereinstimmung mit dem Original ausser Zweifel steht. Werden Datenträger verwendet, so hat die Bank oder die Wertpapierfirma dauerhafte und ohne weitere Hilfsmittel lesbare Wiedergaben auszufolgen oder herstellen zu lassen; wird zur Führung der Geschäftsverbindung automationsunterstützte Datenverarbeitung verwendet, so kann ein elektronischer Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat übermittelt werden. § 96 Abs. 3 gilt sinngemäss.1
3) Ein Beschluss nach Abs. 1 ist jedenfalls der Bank oder der Wertpapierfirma zuzustellen. Die Zustellung an die sonst aus der Geschäftsverbindung hervorgehenden und bekannt gewordenen Verfügungsberechtigten kann aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck der Untersuchung gefährdet wäre. Hierüber ist die Bank oder die Wertpapierfirma zu informieren, die alle mit der gerichtlichen Anordnung verbundenen Tatsachen und Vorgänge gegenüber Kunden und Dritten vorläufig geheim zu halten hat. Unter diesen Voraussetzungen dürfen auch für sie tätige Personen den Vertragspartner oder Dritte nicht über laufende Ermittlungen in Kenntnis setzen.2
4) Will die Bank oder die Wertpapierfirma bestimmte Urkunden oder andere Unterlagen nicht herausgeben oder bestimmte Informationen nicht erteilen, so ist im Sinne der §§ 96 ff. vorzugehen. Das Mitteilungsverbot nach Abs. 3 bleibt davon unberührt.3
IV. Beschlagnahme und Eröffnung von Briefen und anderen Sendungen
§ 99
Befindet sich der Beschuldigte bereits wegen einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung in Haft oder ist wegen einer solchen ein Vorführungs- oder Haftbefehl gegen ihn erlassen, so kann der Untersuchungsrichter Telegramme, Briefe oder andere Sendungen, welche der Beschuldigte abschickt oder welche an ihn gerichtet werden, in Beschlag nehmen und
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von den Beförderungsanstalten deren Auslieferung verlangen. Diese sind ferner verpflichtet, auf Verlangen des Staatsanwaltes solche Sendungen bis zum Eintreffen einer gerichtlichen Verfügung zurückzuhalten; erfolgt jedoch eine solche Verfügung von Seite des Untersuchungsrichters nicht binnen drei Tagen, so dürfen sie die Beförderung nicht weiter verschieben.
§ 100
1) Die Eröffnung der mit Beschlag belegten Sendungen kann nur durch den Untersuchungsrichter geschehen.
2) Bei der Eröffnung, über welche ein Protokoll aufzunehmen ist, dürfen die Siegel nicht verletzt werden; Umschläge und Adressen sind aufzubewahren.
§ 101
Die Beschlagnahme von Sendungen ist dem Beschuldigten oder, wenn er abwesend ist, einem seiner Angehörigen sogleich und längstens binnen vierundzwanzig Stunden bekanntzumachen. Ist die Eröffnung der Sendungen erfolgt, so sind Briefe und Telegramme, soferne von der Mitteilung ihres Inhaltes kein nachteiliger Einfluss auf die Untersuchung zu besorgen ist, dem Beschuldigten oder demjenigen, an welchen sie gerichtet sind, in Urschrift oder Abschrift ganz oder auszugsweise mitzuteilen. Ist der Beschuldigte abwesend, so geschieht die Mitteilung an einen seiner Angehörigen. Sind keine Angehörigen des Beschuldigten vorhanden, so ist der Brief, wenn der Richter es im Interesse des Absenders erachtet, diesen zurückzuschicken oder demselben, falls der Brief oder das Telegramm bei den Akten bleiben muss, die erfolgte Beschlagnahme anzuzeigen.
§ 102
In Beschlag genommene Sendungen, deren Eröffnung nicht für notwendig erachtet wurde, sind ohne Verzug denjenigen, an welche sie gerichtet sind, auszufolgen oder der Beförderungsanstalt zurückzugeben.
V. Überwachung einer elektronischen Kommunikation1
§ 103
1) Die Anordnung der Überwachung der elektronischen Kommunikation einschliesslich der Aufzeichnung ihres Inhaltes ist nur zulässig, wenn zu erwarten ist, dass dadurch die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung gefördert werden kann und wenn
- der Inhaber der Kommunikationsanlage selbst dringend verdächtig ist, die Tat begangen zu haben, oder
- Gründe für die Annahme vorliegen, dass sich eine der Tat dringend verdächtige Person beim Inhaber der Anlage aufhalte oder sich mit ihm unter Benützung der Anlage in Verbindung setzen werde, es sei denn, dass der Inhaber eine der im § 107 Abs. 1 Ziff. 2 genannten Personen ist, oder
- der Inhaber der Anlage der Überwachung ausdrücklich zustimmt.2
2) Die Anordnung der Überwachung der elektronischen Kommunikation steht dem Untersuchungsrichter zu, doch hat er unverzüglich die Genehmigung des Präsidenten des Obergerichtes einzuholen. Wird die Genehmigung verweigert, so hat der Untersuchungsrichter die Anordnung sofort zu widerrufen und die Aufzeichnungen vernichten zu lassen.3
3) Um die Durchführung der Überwachung der elektronischen Kommunikation im Einvernehmen mit den Anbietern im Sinne des Kommunikationsgesetzes sind die Sicherheitsbehörden zu ersuchen (§ 10). Verständigungen von Parteien oder sonstigen Verfahrensbeteiligten haben zunächst zu unterbleiben.4
4) Die angeordnete Überwachung ist auf drei Monate befristet. Besteht die Notwendigkeit der Überwachung nach dem Ablauf dieses Zeitraumes weiter, ist erneut nach den vorstehenden Absätzen vorzugehen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 104
1) Sobald die Voraussetzungen für die weitere Überwachung der elektronischen Kommunikation weggefallen sind, hat der Untersuchungsrichter die sofortige Beendigung der Überwachung anzuordnen.1
2) Nach Beendigung der Überwachung hat der Untersuchungsrichter dem Inhaber der überwachten Kommunikationsanlage und dem Verdächtigen (Beschuldigten) die Tatsache der Überwachung mitzuteilen. Zugleich ist dem Inhaber der Kommunikationsanlage Gelegenheit zur Einsichtnahme in die Aufzeichnungen zu geben, desgleichen dem vom Inhaber der Kommunikationsanlage verschiedenen Verdächtigen (Beschuldigten), diesem jedoch nur insoweit, als die Aufzeichnungen für das gegenwärtige oder für ein erst einzuleitendes Strafverfahren gegen ihn von Bedeutung sein könnten. Bei der Einsichtnahme können der Inhaber der Kommunikationsanlage und der Verdächtige (Beschuldigte) verlangen, dass die von ihnen eingesehenen Aufzeichnungen aufbewahrt werden. Wird kein solches Verlangen gestellt, so hat der Untersuchungsrichter die Aufzeichnungen nur soweit zu den Akten zu nehmen, als sie für das gegenwärtige oder ein erst einzuleitendes Strafverfahren von Bedeutung sein können; die nicht zu den Akten genommenen Aufzeichnungen hat er vernichten zu lassen.2
3) Jedenfalls zu vernichten sind Aufzeichnungen von Gesprächen, die zwischen einem Verdächtigen (Beschuldigten) und seinem Verteidiger (§ 107 Abs. 1 Ziff. 2) geführt wurden, es sei denn, beide verlangen übereinstimmend die Aufbewahrung.
4) Erachtet sich der Inhaber der überwachten Kommunikationsanlage dadurch beschwert, dass die Überwachung angeordnet, genehmigt oder aufrechterhalten oder die Aufbewahrung einer Aufzeichnung angeordnet worden ist, so steht ihm die binnen vierzehn Tagen nach der Mitteilung des Untersuchungsrichters einzubringende Beschwerde an das Obergericht zu. Wird die Beschwerde für berechtigt erkannt, so ist zugleich anzuordnen, dass alle durch unzulässige Überwachung gewonnenen Aufzeichnungen zu vernichten sind, sofern nicht nach den Abs. 2 oder 3 ihre Aufbewahrung verlangt worden ist.3
X. Hauptstück
Von der Vernehmung der Zeugen
§ 105
In der Regel ist jeder, der als Zeuge vorgeladen wird, verpflichtet, der Vorladung Folge zu leisten und über dasjenige, was ihm von dem Gegenstande der Untersuchung bekannt ist, vor Gericht Zeugnis abzulegen.
§ 106
Als Zeugen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit ihrer Aussage nicht vernommen werden:
- Geistliche in Ansehung dessen, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde;
- Staatsbeamte, wenn sie durch ihr Zeugnis das ihnen obliegende Amtsgeheimnis verletzen würden, insoferne sie dieser Pflicht nicht durch ihre Vorgesetzten entbunden sind;
- Personen, die zur Zeit, in welcher sie das Zeugnis ablegen sollen, wegen ihrer Leibes- oder Gemütsbeschaffenheit ausser Stande sind, die Wahrheit anzugeben.
§ 107
1) Von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses sind befreit:
1. Personen, die sich durch ihre Aussage der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aussetzen würden oder die im Zusammenhang mit einem gegen sie geführten Strafverfahren Gefahr liefen, sich selbst zu belasten, auch wenn sie bereits verurteilt worden sind;1
1a. Personen, die im Verfahren gegen einen Angehörigen (§ 72 StGB) aussagen sollen oder deren Aussage die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung eines Angehörigen mit sich brächte, wobei die durch eine Ehe begründete Eigenschaft einer Person als Angehöriger aufrecht bleibt, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;2
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
1b. Personen, die durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte strafbare Handlung in ihrer Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnten, sofern die Parteien Gelegenheit hatten, sich an einer vorausgegangenen gerichtlichen Vernehmung zu beteiligen (§§ 115a, 195);1
1c. Personen, die zur Zeit ihrer Vernehmung das achtzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben und durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte strafbare Handlung verletzt worden sein könnten, so-fern die Parteien Gelegenheit hatten, sich an einer vorausgegangenen gerichtlichen Vernehmung zu beteiligen (§§ 115a, 195);2
- Verteidiger über das, was ihnen in dieser Eigenschaft vom Beschuldigten anvertraut worden ist;
- Rechtsanwälte, Rechtsagenten, Wirtschaftprüfer sowie Patentanwälte über das, was ihnen in dieser Eigenschaft von ihrem Vollmachtgeber anvertraut worden ist;3
- Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, nichtärztliche Psychotherapeuten, Psychologen, Bewährungshelfer, Mediatoren nach dem Zivilrechts-Mediations-Gesetz sowie Mitarbeiter anerkannter Einrichtungen zur psychosozialen Beratung und Betreuung über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist;4
- jedermann darüber, wie er sein Wahl- oder Stimmrecht ausgeübt hat, wenn dessen Ausübung gesetzlich für geheim erklärt ist.5
2) Den in Abs. 1 Ziff. 2, 3 und 4 erwähnten Personen stehen deren Hilfskräfte und jene Personen gleich, die zur Ausbildung an der berufsmässigen Tätigkeit teilnehmen.6
3) Das Recht der in Abs. 1 Ziff. 2, 3 und 4 sowie in Abs. 2 erwähnten Personen, sich des Zeugnisses zu entschlagen, darf bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden.7
4) Steht eine als Zeuge vorgeladene Person nur zu einem von mehreren Beschuldigten in einem der vorstehend erwähnten Verhältnisse, so kann sie sich des Zeugnisses hinsichtlich der anderen nur dann entschlagen, wenn eine Sonderung der Aussagen, die die anderen betreffen, nicht
möglich ist. Gleiches gilt, wenn sich der Grund für die Zeugnisentschlagung nur auf einen von mehreren Sachverhalten bezieht.1
5) Der Untersuchungsrichter hat die in den Abs. 1 und 2 erwähnten Personen vor ihrer Vernehmung oder sobald der Grund für die Zeugnisbefreiung bekannt wird, über ihr Entschlagungsrecht zu belehren und ihre darüber abgegebene Erklärung in das Protokoll aufzunehmen. Die Belehrung kann auch vom Sachverständigen (§ 115a Abs. 2) durchgeführt werden. Auf das Alter und den Zustand des Zeugen ist bei der Belehrung jedenfalls Rücksicht zu nehmen. Hat der Zeuge auf sein Recht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, nicht ausdrücklich verzichtet, so ist seine Aussage nichtig.2
§ 1083
1) Wenn die Ablegung des Zeugnisses oder die Beantwortung einer Frage für den Zeugen oder einen seiner Angehörigen (§ 107 Abs. 1 Ziff. 1a) Schande oder die Gefahr eines unmittelbaren und bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteils mit sich brächte, und er deshalb das Zeugnis verweigert, so soll er nur zum Zeugnis verhalten werden, wenn dies wegen der besonderen Bedeutung seiner Aussage unerlässlich ist.
2) Eine durch eine strafbare Handlung in ihrer Geschlechtssphäre verletzte Person kann die Beantwortung von Fragen nach Umständen aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich sowie nach Einzelheiten der strafbaren Handlung, deren Schilderung sie für unzumutbar hält, verweigern. In diesem Fall ist nach Abs. 1 vorzugehen.
3) Sobald sich Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Zeugnisverweigerung nach Abs. 1 oder 2 zeigen, hat der Untersuchungsrichter den Zeugen hierüber zu belehren.
§ 109
Personen, welche durch Krankheit oder Gebrechlichkeit vor Gericht zu erscheinen verhindert sind, können in ihrer Wohnung vernommen werden.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 110
Mitglieder des fürstlichen Hauses werden in ihrer Wohnung vernommen.
§ 111
Sind Zeugen zu vernehmen, die sich im Auslande befinden, so ist in der Regel um deren Vernehmung der zuständige fremde Richter zu ersuchen. Demselben sind die Gegenstände und Fragen mitzuteilen, worüber die Vernehmung stattzufinden hat, und es ist zugleich das Ersuchen zu stellen, nach Beschaffenheit der Umstände die Vernehmung auch auf solche Fragepunkte auszudehnen, die sich aus dem Inhalte der von dem Zeugen abgelegten Aussage ergeben werden. Stellt sich aber das persönliche Erscheinen eines solchen Zeugen vor dem Gerichte als notwendig dar, so ist, wenn der Zeuge sich nicht freiwillig einfindet, darüber der Regierung Bericht zu erstatten.
§ 112
1) Steht die zu vernehmende Person in einem öffentlichen Amte oder Dienste und muss zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder anderer öffentlicher Interessen eine Stellvertretung während ihrer Verhinderung eintreten, so ist der unmittelbare Vorgesetzte von deren Vorladung gleichzeitig zu benachrichtigen.
2) Diese Vorschrift hat auch dann zu gelten, wenn Angestellte von Eisenbahnen oder sonstigen Unternehmungen, wo aus Gründen der öffentlichen Sicherheit besondere Vorkehrungen für die Stellvertretung des Vorgeladenen notwendig werden können, wenn Sanitätspersonen, die im Landes- oder Gemeindedienste stehen oder Personen des öffentlichen oder Privatforstdienstes vorzuladen sind.
§ 113
Wenn ein Zeuge der ihm zugestellten Vorladung nicht Folge leistet, so geschieht seine neuerliche Vorladung unter Androhung einer Geld-strafe bis zu 1 000 Franken für den Fall des Nichterscheinens und unter der ferneren Drohung, dass ein Vorführungsbefehl gegen ihn werde erlassen werden. Bleibt der Zeuge ohne gültige Entschuldigungsgründe dennoch aus, so hat der Untersuchungsrichter die Geldstrafe wider ihn zu verhängen und den Vorführungsbefehl auszufertigen. In dringenden Fällen kann der Untersuchungsrichter schon nach dem ersten nicht gerechtfertigten Ausbleiben gegen ihn einen Vorführungsbefehl erlassen. Die Kosten der Vorführung hat der Zeuge zu vergüten.
§ 114
Erscheint der Zeuge, verweigert er aber ohne gesetzlichen Grund ein Zeugnis abzulegen oder den Zeugeneid zu leisten, so kann ihn der Untersuchungsrichter durch Verhängung einer Beugestrafe bis zu 1 000 Franken und bei weiterer Weigerung in wichtigen Fällen durch Verhängung einer Beugehaft bis zu sechs Wochen dazu anhalten, ohne dass deshalb die Fortsetzung oder Beendigung der Untersuchung aufgehalten werden muss.
§ 1151
1) Jeder Zeuge wird vom Untersuchungsrichter in der Regel ohne Beisein des Anklägers, des Privatbeteiligten, des Beschuldigten, ihrer Vertreter oder anderer Zeugen einzeln vernommen.
2) Auf Verlangen des Zeugen ist jedoch einer Person seines Vertrauens die Anwesenheit bei der Vernehmung zu gestatten. Auf dieses Recht ist in der Vorladung hinzuweisen. Als Vertrauensperson kann ausgeschlossen werden, wer der Mitwirkung an der strafbaren Handlung verdächtig oder am Verfahren beteiligt ist oder besorgen lässt, dass seine Anwesenheit den Zeugen bei der Ablegung einer freien und vollständigen Aussage beeinflussen könnte. Vertrauenspersonen sind zur Verschwiegenheit über ihre Wahrnehmungen im Zuge der Vernehmung verpflichtet (§ 301 StGB).
3) Der Vernehmung eines noch nicht Achtzehnjährigen, eines psychisch Kranken oder geistig Behinderten ist, soweit es in dessen Interesse zweckmässig ist, jedenfalls eine Person seines Vertrauens beizuziehen.
§ 115a2
1) Ist zu besorgen, dass die Vernehmung eines Zeugen in der Schlussverhandlung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich sein werde, so hat der Untersuchungsrichter dem Ankläger, dem Privatbeteiligten und dem Beschuldigten sowie deren Vertretern Gelegenheit zu geben, sich an der Vernehmung zu beteiligen und Fragen an den Zeu
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gen zu stellen. Die §§ 186 und 197 Abs. 1 und 2 sind sinngemäss anzuwenden. Der Untersuchungsrichter kann die Ton- oder Bildaufnahme der Vernehmung veranlassen. In diesem Fall kann an Stelle eines Protokolls eine schriftliche Zusammenfassung des Inhaltes der Vernehmung erstellt werden, welche vom Richter zu unterfertigen und zum Akt zu nehmen ist. Soweit dies für die Beurteilung der Sache erforderlich ist, ist die Aussage in der Zusammenfassung wörtlich wieder zu geben.
2) Im Interesse des Zeugen, besonders mit Rücksicht auf sein geringes Alter oder seinen seelischen oder gesundheitlichen Zustand, oder im Interesse der Wahrheitsfindung kann der Untersuchungsrichter die Gelegenheit zur Beteiligung derart beschränken, dass die Parteien und ihre Vertreter die Vernehmung des Zeugen, erforderlichenfalls unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung, mitverfolgen und ihr Fragerecht ausüben können, ohne bei der Befragung anwesend zu sein. Mit einer solchen Befragung kann der Untersuchungsrichter einen Sachverständigen beauftragen, insbesondere wenn der Zeuge das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. In jedem Fall ist dafür Sorge zu tragen, dass eine Begegnung des Zeugen mit dem Beschuldigten möglichst unterbleibt.
3) Die im § 107 Abs. 1 Ziff. 1c erwähnten Personen hat der Untersuchungsrichter auf die im Abs. 1 beschriebene Weise und unter beschränkter Beteiligung der Parteien (Abs. 2) zu vernehmen, wenn sie durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte strafbare Handlung in ihrer Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnten. Im Übrigen hat der Untersuchungsrichter die im § 107 Abs. 1 Ziff. 1a, 1b und 1c erwähnten Personen auf solche Weise (Abs. 1 und 2) zu vernehmen, wenn sie dies verlangen.
4) Vor der Vernehmung hat der Untersuchungsrichter den Zeugen über seine Rechte nach Abs. 3 und darüber zu belehren, dass in der Schlussverhandlung das Protokoll verlesen und Ton- oder Bildaufnahmen der Vernehmung vorgeführt werden können, auch wenn er sich im weiteren Verfahren der Aussage entschlagen sollte. Diese Belehrungen und darüber abgegebene Erklärungen sind in das Protokoll aufzunehmen; sie können auch vom Sachverständigen (Abs. 2) durchgeführt werden. Auf das Alter und den Zustand des Zeugen ist bei jeder Belehrung Rücksicht zu nehmen.
§ 116
Ist ein Zeuge der deutschen Sprache nicht kundig, so ist ein Dolmetscher beizuziehen, wenn nicht sowohl der Untersuchungsrichter als auch der Schriftführer der fremden Sprache mächtig sind. In dieser Sprache ist die Aussage des Zeugen nur dann im Protokoll oder in der Beilage aufzuzeichnen, wenn es notwendig ist, die eigenen Ausdrücke des Vernommenen wörtlich anzuführen (§ 48 Abs. 3).
§ 117
Ist ein Zeuge taub, so werden ihm die Fragen schriftlich vorgelegt und ist er stumm, so wird er aufgefordert, schriftlich zu antworten. Wenn die eine oder die andere Art der Vernehmung nicht möglich ist, so muss die Vernehmung des Zeugen unter Zuziehung einer oder mehrerer Personen geschehen, welche der Zeichensprache desselben kundig sind oder sonst die Geschicklichkeit besitzen, sich mit Taubstummen zu verständigen und welche vorher als Dolmetscher zu beeiden sind.
§ 118
Der Zeuge ist vor seiner Vernehmung zu ermahnen, dass er auf die an ihn zu richtenden Fragen nach seinem besten Wissen und Gewissen die reine Wahrheit anzugeben, nichts zu verschweigen und seine Aussage so abzulegen habe, dass er sie erforderlichenfalls eidlich bekräftigen könne.
§ 1191
1) Sodann ist der Zeuge über Vor- und Zunamen, Geburtsdatum, Geburts- oder Heimatort, Beruf und Wohnort oder eine sonstige zur Ladung geeignete Anschrift sowie erforderlichenfalls über sein Verhältnis zum Beschuldigten zu befragen. Dies hat bei Vernehmung in Anwesenheit anderer Personen auf eine Weise zu geschehen, dass diese Umstände möglichst nicht öffentlich bekannt werden.
2) Fragen nach allfälligen strafgerichtlichen Verfahren gegen den Zeugen und nach deren Ausgang sowie Fragen nach Umständen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich des Zeugen dürfen nicht gestellt werden, es sei denn, dass dies nach den besonderen Umständen des Falles unumgänglich notwendig erscheint.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 119a1
Ist auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten, dass der Zeuge sich oder einen Dritten durch die Bekanntgabe des Namens und anderer Angaben zur Person (§ 119 Abs. 1) oder durch die Beantwortung von Fragen, die Rückschlüsse darauf zulassen, einer ernsten Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit aussetzen würde, so kann ihm der Untersuchungsrichter gestatten, solche Fragen nicht zu beantworten.
§ 120
Bei der Vernehmung über die Sache selbst ist der Zeuge zuvörderst zu einer zusammenhängenden Erzählung der den Gegenstand des Zeugnisses bildenden Tatsachen, sodann aber zur Ergänzung derselben und zur Behebung von Unklarheiten oder Widersprüchen zu veranlassen. Der Zeuge ist insbesondere aufzufordern, den Grund seines Wissens anzugeben. Fragen, durch welche ihm Tatumstände vorgehalten werden, welche erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, sind möglichst zu vermeiden und wenn sie gestellt werden müssen, im Protokolle ersichtlich zu machen.
§ 121
1) Wird es notwendig, die Anerkennung von Personen oder Sachen durch den Zeugen zu erlangen, so ist die Vorstellung oder Vorlegung in angemessener Weise zu veranlassen; jedoch ist der Zeuge vorher zur genauen Beschreibung und Angabe der unterscheidenden Kennzeichen aufzufordern.
2) Stimmen Aussagen von Zeugen untereinander in erheblichen Umständen nicht überein, so kann der Untersuchungsrichter die Gegenüberstellung der Zeugen veranlassen.
3) Die Gegenüberstellung soll in der Regel nicht zwischen mehr als zwei Personen zugleich geschehen. Die Gegenübergestellten sind über jeden einzelnen Umstand, in Beziehung auf welchen sie voneinander abweichen, besonders zu vernehmen und die beiderseitigen Antworten zu Protokoll zu bringen.
§ 122
Nach geschlossener Aussage hat jeder Zeuge, der etwas für die Sache Erhebliches ausgesagt hat, oder rücksichtlich dessen der Untersuchungsrichter die Beeidigung für nötig hält, um sich volle Gewissheit zu verschaffen, dass ihm nichts Näheres bekannt sei, seine Aussage zu beschwören.
§ 123
Folgende Personen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit des Eides nicht beeidet werden:
- welche selbst überwiesen sind oder in Verdacht stehen, dass sie die strafbare Handlung, wegen welcher sie abgehört werden, begangen oder daran teilgenommen haben;
- die sich wegen einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung in Untersuchung befinden oder wegen einer solchen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt sind, die sie noch zu verbüssen haben;
- die schon einmal wegen falscher Beweisaussage vor Gericht verurteilt worden sind;
- die zur Zeit ihrer Abhörung das vierzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben;
- welche an einer erheblichen Schwäche des Wahrnehmungs- oder Erinnerungsvermögens leiden;
- die mit dem Beschuldigten, gegen welchen sie aussagen, in einer Feindschaft leben, welche nach Massgabe der Persönlichkeiten und mit Rücksicht auf die Umstände geeignet ist, die volle Glaubwürdigkeit der Zeugen auszuschliessen;
- welche in ihrem Verhöre wesentliche Umstände angegeben haben, deren Unwahrheit bewiesen ist und worüber sie nicht einen blossen Irrtum nachweisen können.
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§ 124
1) Der durch eine strafbare Handlung in seinem Rechte Verletzte ist bei seiner Vernehmung als Zeuge insbesondere darüber zu befragen, ob er sich dem Strafverfahren anschliesse.
2) Auch in diesem Falle, wenn er als Ankläger auftritt (§ 173), finden alle über die Zeugenvernehmung erteilten Vorschriften auch auf ihn Anwendung.
XI. Hauptstück
Von der Vorladung, Vorführung, Festnahme und
Untersuchungshaft des Beschuldigten1
I. Vorladung2
§ 125
1) Der Beschuldigte wird, wo das Gesetz nichts anderes vorschreibt, zuerst zur Vernehmung vorgeladen.
2) Diese Vorladung geschieht durch Zustellung einer von dem Untersuchungsrichter unterzeichneten, an den Vorzuladenden gerichteten schriftlichen und verschlossenen Ladung. Diese muss den Namen des Gerichtes und des Vorgeladenen, die allgemeine Bezeichnung des Gegenstandes der Untersuchung, den Ort, den Tag und die Stunde des Erscheinens und den Beisatz enthalten, dass der Vorgeladene als Beschuldigter vernommen werden solle und im Falle seines Ausbleibens persönlich werde vor Gericht geführt werden.
II. Vorführung, Festnahme und Untersuchungshaft1
§ 126
Erscheint der Vorgeladene nicht, ohne eine hinreichende Entschuldigungsursache angezeigt zu haben, so ist ein schriftlicher Vorführungsbefehl gegen ihn auszufertigen.
§ 127
1) Auch ohne vorangegangene Vorladung kann der Untersuchungsrichter die Vorführung oder Festnahme des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen anordnen,2
- wenn der Verdächtige auf frischer Tat betreten oder unmittelbar nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt oder mit Waffen oder mit anderen Gegenständen betreten wird, die vom Verbrechen oder Vergehen herrühren oder sonst auf seine Beteiligung daran hinweisen;
- wenn er flüchtig ist oder sich verborgen hält oder wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde wegen der Grösse der ihm mutmasslich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten;
- wenn er Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, die Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat oder wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde dies versuchen oder
- wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde eine strafbare Handlung begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete, oder er werde die ihm angelastete, versuchte oder angedrohte Tat ausführen.3
2) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, muss die Festnahme des Verdächtigen angeordnet werden, es sei denn, dass aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller in Abs. 1 Ziff. 2 bis 4 angeführten Haftgründe sei auszuschliessen.4
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3) Eine Anordnung der Festnahme nach Abs. 1 und 2 ist nicht zulässig, soweit die Haft zur Bedeutung der Sache ausser Verhältnis steht.1
§ 1282
1) Der Untersuchungsrichter hat die Festnahme mit Beschluss anzuordnen, in dem deren Voraussetzungen (§ 127) zu begründen sind; eine Ausfertigung der Anordnung ist dem Verdächtigen sogleich bei seiner Festnahme oder doch innerhalb der nächsten 24 Stunden zuzustellen.
2) Wird eine der in § 112 erwähnten Personen festgenommen, so ist deren unmittelbarer Vorgesetzter hievon unverzüglich und, sofern keine besonderen Bedenken entgegenstehen, bereits von der Anordnung zur Festnahme (Abs. 1) in Kenntnis zu setzen. Wird die Haft wieder aufgehoben, so ist auch dies sofort mitzuteilen.
3) Von der Festnahme ist der Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt unter Angabe von Tag, Stunde und Uhrzeit sogleich zu verständigen; der Staatsanwalt hat unverzüglich, längstens aber binnen 48 Stunden einen Antrag auf Freilassung oder Verhängung der Untersuchungshaft einzubringen.
§ 128a3
Jeder Festgenommene ist bei der Festnahme oder unmittelbar danach über den gegen ihn bestehenden Tatverdacht und den Grund seiner Festnahme sowie darüber zu unterrichten, dass er berechtigt sei, einen Angehörigen oder eine andere Vertrauensperson und einen Verteidiger zu verständigen und dass er das Recht habe, nicht auszusagen. Dabei ist er darauf aufmerksam zu machen, dass seine Aussage seiner Verteidigung dienen, aber auch als Beweis gegen ihn Verwendung finden könne.
§ 129
1) Ausnahmsweise kann der Verdächtige durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung zum Zwecke der Vorführung vor den Untersuchungsrichter festgenommen werden:1
- im Falle des § 127 Abs. 1 Ziff. 1;
- in den Fällen des § 127 Abs. 1 Ziff. 2 bis 4 und § 127 Abs. 2, soferne die vorläufige Einholung des Befehls des Untersuchungsrichters wegen Gefahr im Verzuge nicht tunlich ist.
2) Der Festgenommene ist unverzüglich zur Sache und zu den Voraussetzungen der Festnahme zu vernehmen, und wenn sich dabei ergibt, dass kein Grund für seine Haft mehr vorhanden sei, sogleich freizulassen. Kommt eine Enthaftung nicht in Betracht, so ist der Staatsanwalt unverzüglich zu verständigen; erklärt dieser, dass er keinen Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft stellen werde, so ist der Festgenommene sogleich zu enthaften. Ansonsten hat die Staatsanwaltschaft das Gericht von der Festnahme des Beschuldigten sogleich zu verständigen (§ 128 Abs. 3 erster Satz) und unverzüglich, längstens jedoch binnen 48 Stunden nach der Festnahme den Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft einzubringen.2
3) Die Haft darf nicht aufrechterhalten werden, wenn ihr Zweck durch gelindere Mittel nach § 131 Abs. 5 Ziff. 1 bis 4 und 5 bis 7 erreicht werden kann. In diesem Fall hat die Sicherheitsbehörde, sofern der Staatsanwalt dem zustimmt, unverzüglich die erforderlichen Weisungen zu erteilen, die Gelöbnisse von ihm entgegen zu nehmen oder ihm die in § 131 Abs. 5 Ziff. 5 und 6 erwähnten Papiere abzunehmen und den Verdächtigen freizulassen. Die Ergebnisse der Erhebungen samt den Protokollen über die erteilten Weisungen und geleisteten Gelöbnisse sowie den abgenommenen Papieren sind dem Staatsanwalt mit den Erhebungsergebnissen binnen 48 Stunden nach der Festnahme zu übermitteln. Über die Aufrechterhaltung dieser gelinderen Mittel entscheidet der Untersuchungsrichter mit Beschluss.3
4) Festnahme und Fortsetzung der Haft nach Abs. 1 und 2 sind nicht zulässig, soweit sie zur Bedeutung der Sache ausser Verhältnis stehen.4
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§ 1301
1) Jeder Festgenommene ist vom Untersuchungsrichter unverzüglich, längstens aber binnen 48 Stunden nach Einlagen des Antrags auf Verhängung der Untersuchungshaft zu vernehmen. Zu Beginn der Vernehmung ist der Festgenommene vom Untersuchungsrichter über die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten und darauf hinzuweisen, dass es ihm freistehe, sich zu äussern oder nicht zur Sache auszusagen und sich zuvor mit einem Verteidiger zu verständigen. Er ist darauf aufmerksam zu machen, dass seine Aussage seiner Verteidigung dienen, aber auch als Beweis gegen ihn Verwendung finden könne.
2) Nach der Vernehmung hat der Untersuchungsrichter sofort zu beschliessen, ob der Beschuldigte, allenfalls unter Anwendung gelinderer Mittel (§ 131 Abs. 5), freigelassen oder ob über ihn die Untersuchungshaft verhängt wird. Der Untersuchungsrichter kann aber vor seiner Entscheidung sofortige Erhebungen vornehmen oder vornehmen lassen, wenn deren Ergebnis massgebenden Einfluss auf die Beurteilung von Tatverdacht und Haftgründen erwarten lässt. In jeden Fall hat der Untersuchungsrichter innerhalb von 48 Stunden nach Übergabe des Beschuldigten über die Untersuchungshaft zu entscheiden.
3) Der Beschluss des Untersuchungsrichters samt Begründung ist dem Beschuldigten sofort zu eröffnen; dies ist im Protokoll zu vermerken. Ein Beschluss auf Freilassung des Beschuldigten ist dem Staatsanwalt binnen 24 Stunden zuzustellen; einem gegebenenfalls bestellten Bewährungshelfer ist er in Abschrift zu übermitteln. Lautet der Beschluss auf Verhängung der Untersuchungshaft, so ist die Zustellung an den Beschuldigten binnen 24 Stunden zu veranlassen; Abschriften sind unverzüglich dem Landesgefängnis und einem gegebenenfalls bestellten Bewährungshelfer zu übermitteln. Der Beschuldigte kann auf die Zustellung nicht wirksam verzichten.
4) Der Beschluss auf Verhängung der Untersuchungshaft hat zu enthalten:
- den Namen des Beschuldigten sowie weitere Angaben zur Person,
- die Tat, deren der Beschuldigte dringend verdächtig ist, Zeit, Ort und Umstände ihrer Begehung sowie ihre gesetzliche Bezeichnung,
- den Haftgrund,
- die bestimmten Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht und der Haftgrund ergeben, und aus welchen Gründen der Haftzweck durch Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden kann,
- die Mitteilung, bis zu welchem Tag der Haftbeschluss längstens wirksam sei sowie dass vor einer allfälligen Fortsetzung der Haft eine Haftverhandlung stattfinden werde, sofern nicht einer der im § 132 Abs. 3, 4 oder 6 erwähnten Fälle eintritt,
- die Mitteilung, dass der Beschuldigte einen Angehörigen oder eine andere Vertrauensperson von der Verhängung der Untersuchungshaft verständigen oder verständigen lassen könne,
- die Mitteilung, dass der Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten sein müsse, solange er sich in Untersuchungshaft befinde,
- die Mitteilung, dass dem Beschuldigten die binnen sieben Tagen nach Zustellung des Beschlusses einzubringende Beschwerde an das Obergericht zustehe und dass er im Übrigen jederzeit seine Enthaftung beantragen könne.
5) Gegen einen Beschluss nach Abs. 2 steht dem Beschuldigten und dem Staatsanwalt die binnen sieben Tagen nach Zustellung einzubringende Beschwerde an das Obergericht zu. Eine Beschwerde des Beschuldigten gegen die Verhängung der Untersuchungshaft löst mit ihrem Einlangen die Haftfrist von einem Monat (§ 132 Abs. 2 Ziff. 2) aus. Ein darauf ergehender Beschluss des Obergerichts auf Fortsetzung der Untersuchungshaft löst die Haftfrist von zwei Monaten (§ 132 Abs. 2 Ziff. 3) aus. Die Frist beginnt mit dem Tag der Entscheidung. Abs. 4 Ziff. 1 bis 5 gilt sinngemäss.
§ 131
1) Die Untersuchungshaft darf nur auf Antrag des Staatsanwalts und nur dann verhängt oder fortgesetzt werden, wenn gegen den Beschuldigten eine Untersuchung eingeleitet oder Anklage erhoben wird und der Beschuldigte einer bestimmten Tat dringend verdächtig ist, einer der in den Abs. 2 oder 7 angeführten Haftgründe vorliegt und der Beschuldigte durch den Untersuchungsrichter bereits zur Sache und zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft einvernommen worden ist. Sie darf nicht verhängt oder fortgesetzt werden, soweit sie zur Bedeutung der Sache oder zu der zu erwartenden Strafe ausser Verhältnis steht oder ihr Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel (Abs. 5) erreicht werden kann.1
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2) Die Verhängung der Untersuchungshaft setzt abgesehen von den Fällen des Abs. 7 voraus, dass auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde in Freiheit1
- wegen der Grösse der ihm mutmasslich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten (Fluchtgefahr),
- Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, die Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versuchen (Verdunkelungsgefahr) oder
- ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens
a) eine strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung mit schweren Folgen;
b) eine strafbare Handlung mit nicht bloss leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung, wenn er entweder wegen einer solchen strafbaren Handlung bereits verurteilt worden ist oder wenn ihm nunmehr wiederholte oder fortgesetzte Handlungen angelastet werden;
c) eine strafbare Handlung begehen, die ebenso wie die ihm angelastete strafbare Handlung gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die strafbaren Handlungen, derentwegen er bereits zweimal verurteilt worden ist;
d) die ihm angelastete versuchte oder angedrohte Tat ausführen.2
3) Fluchtgefahr ist jedenfalls nicht anzunehmen, wenn der Beschuldigte einer strafbaren Handlung verdächtig ist, die nicht strenger als mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, er sich in geordneten Lebensverhältnissen befindet und einen festen Wohnsitz im Inland hat, es sei denn, dass er bereits Anstalten zur Flucht getroffen hat. Bei Beurteilung des Haftgrundes nach Abs. 2 Ziff. 3 fällt es besonders ins Gewicht, wenn vom Beschuldigten eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen oder die Gefahr der Begehung von Verbrechen in einer kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung (§§ 278a und 278b StGB) ausgeht. Im Übrigen ist bei der Beurteilung dieses Haftgrundes zu berücksichtigen, inwieweit eine Minderung der Gefahr dadurch eingetreten ist, dass sich die Verhältnisse, unter denen die dem Beschuldigten angelastete Tat begangen worden ist, geändert haben.3
4) Die Untersuchungshaft darf nicht verhängt oder aufrechterhalten werden, wenn die Haftzwecke auch durch eine gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art erreicht werden können. Wird von der Verhängung oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft wegen einer gleichzeitigen Strafhaft Abstand genommen, so hat der Untersuchungsrichter die Abweichungen vom Vollzug der Strafhaft zu verfügen, die für die Zwecke der Untersuchung unentbehrlich sind.1
5) Als gelindere Mittel sind anwendbar:
- das Gelöbnis, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens weder zu flüchten noch sich verborgen zu halten noch sich ohne Genehmigung des Untersuchungsrichters von seinem Aufenthaltsort zu entfernen;
- das Gelöbnis, keinen Versuch zu unternehmen, die Untersuchung zu vereiteln;
- 2a. in Fällen von häuslicher Gewalt (Art. 24g Abs. 1 des Polizeigesetzes) das Gelöbnis, jeden Kontakt mit der gefährdeten Person zu unterlassen und die Weisung, eine bestimmte Wohnung und deren unmittelbare Umgebung nicht zu betreten oder ein bereits erteiltes Betretungsverbot nach Art. 24g Abs. 2 und 3 des Polizeigesetzes oder eine einstweilige Verfügung nach Art. 277a der Exekutionsordnung nicht zu übertreten, samt Abnahme aller Schlüssel zur Wohnung;2
- die Weisung, an einem bestimmten Ort, bei einer bestimmten Familie zu wohnen, eine bestimmte Wohnung, bestimmte Orte oder einen bestimmten Umgang zu meiden, sich alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel zu enthalten oder einer geregelten Arbeit nachzugehen;
- die Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltsortes anzuzeigen oder sich in bestimmten Zeitabständen bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden;
- 4a. mit der Zustimmung des Beschuldigten die Weisung, sich einer Entwöhnungsbehandlung, sonst einer medizinischen Behandlung oder einer Psychotherapie (§ 51 Abs. 3 StGB) oder einer gesundheitsbezogenen Massnahme zu unterziehen;3
- die vorübergehende Abnahme der Reisepapiere;
- die vorübergehende Abnahme der zur Führung eines Fahrzeuges nötigen Papiere;
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- die Leistung einer Sicherheit nach den §§ 142 bis 144;
- die Anordnung der vorläufigen Bewährungshilfe nach § 144b.1
6) Können die Haftzwecke durch die gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art oder die Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden oder würde die Untersuchung durch die Aufrechterhaltung der Strafhaft oder der Haft anderer Art wesentlich erschwert, so ist vom Untersuchungsrichter die Untersuchungshaft zu verhängen. Damit tritt im Falle der Strafhaft eine Unterbrechung des Strafvollzuges ein.
7) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, muss die Untersuchungshaft verhängt werden, es sei denn, dass aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller im Abs. 2 angeführten Haftgründe sei auszuschliessen.
8) Aufgehoben2
9) Aufgehoben3
§ 1324
1) Beschlüsse auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie Beschlüsse des Obergerichts auf Fortsetzung der Untersuchungshaft (§ 132a Abs. 4) sind längstens für einen bestimmten Zeitraum wirksam (Haftfrist); der Ablauftag ist im Beschluss anzuführen. Vor Ablauf der Haftfrist ist eine Haftverhandlung durchzuführen oder der Beschuldigte zu enthaften.
2) Die Haftfrist beträgt
- 14 Tage ab Verhängung der Untersuchungshaft;
- einen Monat ab erstmaliger Fortsetzung der Untersuchungshaft;
- zwei Monate ab weiterer Fortsetzung der Untersuchungshaft.
3) Mit rechtskräftiger Versetzung in den Anklagestand oder Anberaumung der Schlussverhandlung durch den Einzelrichter endet die laufende Haftfrist erst zwei Monate nach diesem Zeitpunkt; ordnet der Einzelrichter jedoch die Schlussverhandlung innerhalb der ersten Haftfrist (Abs. 2 Ziff. 1) an, so endet diese einen Monat nach der Anordnung.
Würde die Haftfrist vor dem Beginn der Schlussverhandlung ablaufen, und kann der Beschuldigte nicht enthaftet werden, so hat der Vorsitzende (Einzelrichter) eine Haftverhandlung durchzuführen. Gleiches gilt, wenn der Beschuldigte seine Enthaftung beantragt und darüber nicht ohne Verzug in der Schlussverhandlung entschieden werden kann.
4) Ist die Durchführung der Haftverhandlung vor Ablauf der Haftfrist wegen eines unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses unmöglich, so kann die Haftverhandlung auf einen der drei dem Fristablauf folgenden Arbeitstage verlegt werden; in diesem Fall verlängert sich die Haftfrist entsprechend. Die für die Verlegung massgeblichen Gründe sind im Beschluss (§ 132a Abs. 3) anzuführen.
5) Haben bereits zwei Haftverhandlungen stattgefunden, so kann der Beschuldigte auf die Durchführung einer bevorstehenden weiteren Haftverhandlung verzichten. In diesem Fall kann der Beschluss über die Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft (§ 132a Abs. 3) ohne vorangegangene mündliche Verhandlung schriftlich ergehen.
6) Im Übrigen ist die Wirksamkeit des zuletzt ergangenen Beschlusses auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft ab dem Beginn der Schlussverhandlung durch die Haftfrist nicht mehr begrenzt; Haftverhandlungen von Amts wegen finden nach diesem Zeitpunkt nicht mehr statt.
§ 132a1
1) Die Haftverhandlung leitet der Untersuchungsrichter; sie ist nicht öffentlich. Der Staatsanwalt, der Verteidiger, der gesetzliche Vertreter sowie der Bewährungshelfer sind zur Verhandlung zu laden; der Beschuldigte ist von diesem Termin zu verständigen.
2) Der Beschuldigte ist zur Verhandlung vorzuführen, es sei denn, dass dies wegen Krankheit nicht möglich ist. Er muss durch einen Verteidiger vertreten sein.
3) Zunächst trägt der Staatsanwalt seinen Antrag auf Fortsetzung der Untersuchungshaft vor und begründet ihn. Der Beschuldigte, sein Verteidiger und sein gesetzlicher Vertreter haben das Recht zu erwidern. Der Bewährungshelfer kann sich zur Haftfrage äussern. Die Parteien können ergänzende Feststellungen aus dem Akt begehren. Der Untersuchungsrichter kann von Amts wegen oder auf Anregung der Parteien Zeugen vernehmen oder andere Beweise aufnehmen, soweit er dies für zweckmä
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ssig hält; die Parteien haben das Fragerecht. Die Erreichung des Untersuchungszweckes darf durch die Verhandlung nicht gefährdet werden. Dem Beschuldigten oder seinem Verteidiger gebührt das Recht der letzten Äusserung. Sodann entscheidet der Untersuchungsrichter über die Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft mit Beschluss; dieser ist mündlich zu verkünden und schriftlich auszufertigen. § 130 Abs. 4 Ziff. 1 bis 5 und 8 gilt sinngemäss.
4) Gegen einen Beschluss nach Abs. 3 steht dem Beschuldigten und dem Staatsanwalt die binnen drei Tagen nach Eröffnung des Beschlusses einzubringende Beschwerde an das Obergericht zu (§ 239). Erkennt das Obergericht auf Fortsetzung der Untersuchungshaft, so gilt § 130 Abs. 4 Ziff. 1 bis 5 sinngemäss.
2 § 129 Abs. 2 abgeändert durch LGBl. 2007 Nr. 292.
3 § 129 Abs. 3 eingefügt durch LGBl. 2007 Nr. 292.
4 § 129 Abs. 4 eingefügt durch LGBl. 2007 Nr. 292.
III. Vollzug der Untersuchungshaft1
§ 1332
1) Der Zweck der Untersuchungshaft liegt ausschliesslich darin, dem Haftgrund entgegen zu wirken (§ 131 Abs. 2).
2) Das Leben in Untersuchungshaft soll den allgemeinen Lebensbedingungen soweit wie möglich angeglichen werden. Beschränkungen dürfen nur insoweit angeordnet oder auferlegt werden, als dies gesetzlich zulässig ist und zur Erreichung des Haftzwecks oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Landesgefängnis notwendig ist.
3) Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass
- für Beschuldigte die Vermutung der Unschuld gilt,
- Beschuldigte ausreichend Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung haben und
- schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs auf geeignete Weise entgegen gewirkt wird.
4) Auf den Vollzug der Untersuchungshaft sind die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, insoweit sie mit dem Sicherungszweck der Untersuchungshaft vereinbar sind, sinngemäss anzuwenden, es sei denn, dass in der Strafprozessordnung etwas Besonderes bestimmt ist. Der Vollzug der Untersuchungshaft ist nicht allein deshalb aufzuschieben oder zu unterbrechen, weil Gründe für den Aufschub des Strafvollzuges wegen Vollzugsuntauglichkeit vorliegen.
5) Die Bestimmungen über den Vollzug der Untersuchungshaft gelten auch für den Vollzug der Haft nach §§ 127 und 129.
§ 1341
1) Untersuchungsgefangene sollen nicht in Gemeinschaft mit Strafgefangenen untergebracht werden. Bei der Bewegung im Freien, bei der Arbeit, beim Gottesdienst und bei Veranstaltungen sowie bei der Krankenbetreuung kann jedoch von einer Trennung abgesehen werden, soweit eine solche nach den zur Verfügung stehenden Einrichtungen nicht möglich ist.
2) Soweit es zur Erreichung der Haftzwecke erforderlich ist, sind der Beteiligung an derselben Tat verdächtige Untersuchungsgefangene so unterzubringen, dass sie nicht miteinander verkehren können. Solange der Untersuchungsrichter hierüber keine Entscheidung getroffen hat, sind solche Untersuchungsgefangene jedenfalls getrennt unterzubringen.
3) Weibliche Untersuchungsgefangene sind in jedem Fall von männlichen Untersuchungs- und Strafgefangenen getrennt unterzubringen.
§ 1352
1) Untersuchungsgefangene sind unter Achtung ihrer Persönlichkeit und ihres Ehrgefühls sowie mit möglichster Schonung ihrer Person zu behandeln. Verfügt ein Untersuchungsgefangener über keine geeignete Kleidung, so ist ihm eine solche für Verhandlungen vor Gericht, für Ausführungen und für Überstellungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Verfügung zu stellen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
2) Untersuchungsgefangene sind berechtigt, sich auf eigene Kosten Bedarfsgegenstände und andere Annehmlichkeiten zu verschaffen, soweit dies mit dem Haftzweck vereinbar ist und weder die Sicherheit gefährdet noch die Ordnung in dem Landesgefängnis erheblich beeinträchtigt oder Mithäftlinge belästigt.
§ 1361
1) Untersuchungsgefangene sind zur Arbeit nicht verpflichtet. Ein arbeitsfähiger Untersuchungsgefangener kann jedoch unter den für Strafgefangene geltenden Bedingungen (Art. 42 bis 46 StVG) arbeiten, wenn er sich dazu bereit erklärt und Nachteile für das Verfahren nicht zu befürchten sind.
2) Die Arbeitsvergütung ist dem Untersuchungsgefangenen nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages (Art. 28 Abs. 2 erster Fall und Abs. 3 StVG) zur Gänze als Hausgeld gutzuschreiben. Im Fall eines Freispruchs oder einer Einstellung des Strafverfahrens ist ihm der einbehaltene Vollzugskostenbeitrag auszubezahlen.
3) Kann einem Untersuchungsgefangenen, der zur Arbeit bereit ist und bei dem der Haftzweck der Heranziehung zur Arbeit nicht entgegen steht, Arbeit nicht zugewiesen werden, so ist ihm im Nachhinein ein Betrag von 5 % der Vergütung für Hauswirtschaftsangestellte gemäss Normalarbeitsvertrag als Hausgeld gutzuschreiben.
§ 1372
1) Untersuchungsgefangene dürfen Besuche innerhalb der festgesetzten Besuchszeiten so oft und in dem zeitlichen Ausmass empfangen, als die Abwicklung ohne unvertretbaren Aufwand gewährleistet werden kann. Im Übrigen gelten für den Empfang von Besuchen die Art. 84 bis 87 des Strafvollzugsgesetzes mit folgenden Massgaben:
1. Untersuchungsgefangenen darf nicht verwehrt werden, wenigstens zweimal in jeder Woche einen Besuch in der Dauer von mindestens einer halben Stunde zu empfangen,
- auf den Inhalt des zwischen einem Untersuchungsgefangenen und einem Besucher geführten Gesprächs hat sich die Überwachung nur zu erstrecken, wenn dies der Untersuchungsrichter zur Sicherung des Haftzwecks oder der Anstaltsleiter zur Aufrechterhaltung der Sicherheit im Landesgefängnis anordnet,
- der Besuch bestimmter Personen, von denen eine Gefährdung des Zweckes der Untersuchungshaft oder der Sicherheit des Landesgefängnisses zu befürchten ist, kann untersagt oder abgebrochen werden.
2) Untersuchungsgefangene sind berechtigt, auf eigene Kosten mit anderen Personen schriftlich zu verkehren und zu telefonieren, es sei denn, dass durch den ausserordentlichen Umfang des Brief- oder Telefonverkehrs die Überwachung oder die Sicherheit und Ordnung beeinträchtigt wird. In diesem Fall sind die jeweils erforderlichen Beschränkungen anzuordnen. Schreiben, von denen eine Beeinträchtigung der Haftzwecke zu befürchten ist, sind zurückzuhalten, soweit sich nicht aus den Bestimmungen des Art. 81 des Strafvollzugsgesetzes über den schriftlichen Verkehr mit öffentlichen Stellen, Rechtsbeiständen und Betreuungsstellen etwas anderes ergibt. Für die Überwachung des Inhalts von Telefongesprächen gilt Abs. 1 Ziff. 2.
3) Für die Überwachung des mündlichen und schriftlichen Verkehrs des Untersuchungsgefangenen mit seinem Verteidiger gilt § 30 Abs. 3 und 4.
§ 137a1
1) Die Entscheidung darüber, mit welchen Personen Untersuchungsgefangene verkehren und welche Besuche sie empfangen dürfen, die Überwachung ihres Briefverkehrs und ihrer Besuche sowie alle übrigen Entscheidungen, die sich auf den Verkehr mit der Aussenwelt beziehen, stehen dem Untersuchungsrichter zu. Von der Überwachung des Brief- und Telefonverkehrs darf nur insoweit abgesehen werden, als davon keine Beeinträchtigung der Haftzwecke zu befürchten ist.
2) Die von den Untersuchungsgefangenen begangenen Ordnungswidrigkeiten sind dem Untersuchungsrichter mitzuteilen. Das gleiche gilt für Vorfälle, von denen eine Beeinträchtigung der Haftzwecke zu befürchten ist.
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IV. Sicherheitsleistung, Höchstdauer und Aufhebung der
Haft1
§ 1382
1) Gegen Kaution oder Bürgschaft sowie gegen Ablegung der im § 131 Abs. 5 Ziff. 1 und 2 erwähnten Gelöbnisse kann der Beschuldigte freigelassen oder die über ihn verhängte Untersuchungshaft aufgehoben werden, sofern ausschliesslich der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 131 Abs. 2 Ziff. 1) vorliegt oder nicht ausgeschlossen werden kann (§ 131 Abs. 7); die Haft muss gegen die angegebenen Sicherheiten unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die strafbare Handlung nicht strenger als mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Die Höhe der Kautions- oder Bürgschaftssumme ist vom Untersuchungsrichter unter Bedachtnahme auf das Gewicht der dem Beschuldigten angelasteten strafbaren Hand-lung, die Verhältnisse der Person des Verhafteten und das Vermögen des Sicherheit Leistenden zu bestimmen.
2) Die Kautions- oder Bürgschaftssumme ist entweder in barem Geld oder in solchen Wertpapieren, die nach den bestehenden Gesetzen zur Anlegung der Gelder von Minderjährigen oder Pflegebefohlenen verwendet werden dürfen, nach dem Börsenkurs des Erlagstages berechnet, gerichtlich zu hinterlegen oder durch Pfandbestellung auf unbewegliche Güter oder durch taugliche Bürgen (§ 1374 ABGB), die sich zugleich als Zahler verpflichten, sicherzustellen.
3) Gegen die Entscheidung des Untersuchungsrichters steht dem Beschuldigten und dem Staatsanwalt die binnen 14 Tagen einzubringende Beschwerde an das Obergericht zu.
§ 1393
1) Wenn der Beschuldigte nach gestatteter Freilassung Anstalten zur Flucht trifft oder wenn neue Umstände vorkommen, die seine Verhaftung erfordern, so ist er ungeachtet der Sicherheitsleistung zu verhaften; ist er in diesen Fällen verhaftet worden, so wird die Kaution oder Bürgschaftssumme frei.
2) Dasselbe ist der Fall, sobald das Strafverfahren durch Einstellung oder durch Endurteil rechtskräftig beendet ist, bei Verurteilung zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe aber erst, sobald der Verurteilte die Strafe angetreten hat.
3) Über die Freigabe der Kaution oder die Bürgschaftssumme entscheidet der Untersuchungsrichter, nach rechtskräftiger Versetzung in den Anklagestand oder Anordnung der Schlussverhandlung vor dem Einzelrichter aber der Vorsitzende (Einzelrichter).
§ 140
1) Die Kaution oder Bürgschaftssumme ist vom Gericht für verfallen zu erklären, wenn sich der Beschuldigte der Untersuchung oder, im Fall der Verurteilung zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, dem Antritt dieser Strafe entzieht, insbesondere dadurch, dass er sich ohne Erlaubnis von seinem Wohnort entfernt oder auf die an ihn ergangene Vorladung, die im Falle seiner Nichtauffindung nach Art. 8 Abs. 2 ZustG zuzustellen ist, binnen drei Tagen vor Gericht nicht erscheint.1
2) Dieses Erkenntnis ist, sobald es rechtskräftig geworden, gleich jedem Urteil exekutionsfähig. Die verfallenen Sicherheitsbeträge fliessen dem Land zu, doch hat der durch die strafbare Handlung Geschädigte das Recht, zu verlangen, dass vor allem seine Entschädigungsansprüche daraus befriedigt werden.2
§ 1413
1) Sämtliche am Strafverfahren beteiligten Behörden sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Haft so kurz wie möglich dauert.
2) Die Haft und die Anwendung gelinderer Mittel sind aufzuheben, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder ihre Dauer unverhältnismässig wäre.
3) Gelangt der Sicherheitsbehörde ein Umstand zur Kenntnis, der für sich allein oder im Zusammenhalt mit den Ergebnissen bisheriger Erhebungen bewirken könnte, dass die Untersuchungshaft aufzuheben wäre (Abs. 2), so hat sie dies unverzüglich dem Untersuchungsrichter und dem Staatsanwalt mitzuteilen. Im Übrigen hat sie dafür Sorge zu tragen, dass
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
spätestens vor der ersten Haftverhandlung alle noch nicht vorliegenden Erhebungsergebnisse dem Untersuchungsrichter in dreifacher und dem Staatsanwalt in einfacher Ausfertigung zugehen.
4) Ist der Staatsanwalt der Ansicht, dass die Untersuchungshaft aufzuheben sei, so beantragt er dies beim Untersuchungsrichter, der sogleich die Enthaftung zu verfügen hat.
5) Beantragt der Beschuldigte seine Enthaftung und spricht sich der Staatsanwalt dagegen aus, so hat der Untersuchungsrichter ohne Verzug eine Haftverhandlung anzuberaumen. Das gleiche gilt, wenn der Untersuchungsrichter der Ansicht ist, dass die Haft aufzuheben sein könnte und der Staatsanwalt der Enthaftung entgegentritt.
6) Der Untersuchungsrichter hat die Aufhebung gelinderer Mittel zu verfügen, wenn der Beschuldigte dies beantragt und der Staatsanwalt zustimmt. Ansonsten entscheidet der Untersuchungsrichter über die Aufhebung oder Änderung gelinderer Mittel nach Anhörung des Staatsanwalts mit Beschluss. Gegen diesen Beschluss steht dem Beschuldigten und dem Staatsanwalt die binnen drei Tagen einzubringende Beschwerde an das Obergericht zu. Die Beschwerde des Staatsanwalts hat aufschiebende Wirkung.
§ 1421
1) Die Untersuchungshaft aus dem Grunde der Verdunkelungsgefahr (§ 131 Abs. 2 Ziff. 2) darf nicht länger als zwei Monate dauern.
2) Im Übrigen ist der Beschuldigte jedenfalls zu enthaften, wenn er sich schon sechs Monate, handelt es sich um ein Verbrechen, schon ein Jahr, handelt es sich jedoch um ein Verbrechen, das mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, schon zwei Jahre in Untersuchungshaft befindet, ohne dass die Schlussverhandlung begonnen hat.
3) Über sechs Monate hinaus darf die Untersuchungshaft nur dann aufrechterhalten werden, wenn dies wegen besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Untersuchung im Hinblick auf das Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist.
4) Muss ein in Vollziehung der vorstehenden Bestimmungen aus der Untersuchungshaft entlassener Beschuldigter zum Zwecke der Durchführung der Schlussverhandlung neuerlich in Haft genommen werden, so darf dies jeweils höchstens für die Dauer von weiteren sechs Wochen geschehen.
§ 1431
Aufgehoben
§ 1442
Aufgehoben
§ 144a3
Soweit der Verletzte dies beantragt hat, ist er von einer Freilassung des Beschuldigten vor Fällung des Urteils erster Instanz sogleich zu verständigen. Diese Verständigung hat die Landespolizei, bei der Entlassung aus der Untersuchungshaft jedoch das Landgericht zu veranlassen.
V. Vorläufige Bewährungshilfe4
§ 144b5
1) Vorläufige Bewährungshilfe ist anzuordnen, wenn der Beschuldigte dem zustimmt und es geboten erscheint, dadurch die Bemühungen des Beschuldigten um eine Lebensführung und Einstellung, die ihn in Zukunft von der Begehung strafbarer Handlungen abhalten werde, zu fördern.
2) Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen Vertreter, so ist diesem die Anordnung der vorläufigen Bewährungshilfe mitzuteilen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
3) Die vorläufige Bewährungshilfe endet spätestens mit der rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens. Im Übrigen gelten die Bestimmungen über die Bewährungshilfe dem Sinne nach.
2 § 144 aufgehoben durch LGBl. 2007 Nr. 292.
3 § 144a eingefügt durch LGBl. 2004 Nr. 236.
4 Überschrift vor § 144b eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
5 § 144b eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
XII. Hauptstück
Von der Vernehmung des Beschuldigten
§ 145
1) Der Beschuldigte ist in der Untersuchung ohne Beisein des Anklägers oder anderer gesetzlich hiezu nicht berufener Personen von dem Untersuchungsrichter zu vernehmen. Die Vernehmung findet in der Regel mündlich statt, doch kann der Untersuchungsrichter bei verwickelten Punkten auch eine schriftliche Beantwortung gestatten. Gerichtszeugen sind in der Vernehmung des Beschuldigten nur dann beizuziehen, wenn der Untersuchungsrichter es für nötig erachtet oder der Beschuldigte es verlangt.
2) Ist ein Verhafteter mit Fesseln belegt worden, so müssen ihm dieselben vor seiner Vernehmung abgenommen werden, sofern dies ohne Gefahr geschehen kann.
3) Ist er der deutschen Sprache nicht kundig oder ist er taub oder stumm, so sind die Vorschriften der §§ 116 und 117 zu beobachten.
§ 146
Die Vernehmung des Beschuldigten soll der Untersuchungsrichter ohne Verzug vornehmen, sobald es geschehen kann und die einmal angefangene ohne wichtiges Hindernis nicht durch längere Zeit unterbrechen. Insbesondere soll dann nicht ausgesetzt werden, wenn der Befragte im Bekenntnis der Schuld oder in zusammenhängender Ausweisung seiner Schuldlosigkeit begriffen oder wenn wahrgenommen wird, dass er durch die an ihn gestellten Fragen dahin gebracht worden, der Wahrheit nicht ausweichen zu können oder dass sonst sich Gelegenheit bietet, auf nähere Spuren zur Entdeckung der Wahrheit zu kommen.
§ 1471
Der Untersuchungsrichter hat vor dem Beginn der Vernehmung den Beschuldigten (§ 23 Abs. 3) nach § 130 Abs. 1 zweiter und dritter Satz zu belehren. Sodann ist der Beschuldigte über seinen Vor- und Zunamen, sein Geburtsdatum, seine Religion, seinen Geburts- und Wohnort, über Stand, Gewerbe oder Beschäftigung, ferner, soweit es zum Zwecke der Untersuchung erforderlich erscheint, über seine Familien- und Vermögensverhältnisse, seinen Lebenslauf, insbesondere ob und weshalb er schon in Untersuchung oder Strafe gewesen ist, zu befragen.
§ 1482
Nach der Vernehmung über die persönlichen Verhältnisse hat der Untersuchungsrichter den Beschuldigten zu veranlassen, dass er sich über die den Gegenstand der Anschuldigung bildenden Tatsachen in einer zusammenhängenden umständlichen Erzählung äussere. Die weiteren Fragen sind mit Vermeidung aller unnötigen Weitläufigkeit auf die Ergänzung der Erzählung, auf die Entfernung von Unklarheiten und Widersprüchen zu richten und insbesondere so zu stellen, dass der Beschuldigte alle gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe und Aussagen anderer Personen erfahre und vollständige Gelegenheit zu deren Beseitigung und zu seiner Rechtfertigung erhalte. Gibt er Tatsachen oder Beweismittel zu seiner Entlastung an, so müssen dieselben, soferne sie nicht offenbar zur Verzögerung angegeben wurden, erhoben werden.
§ 149
1) Die an den Beschuldigten zu richtenden Fragen dürfen nicht unbestimmt, mehrdeutig oder verfänglich sein; sie müssen eine aus der anderen nach der natürlichen Ordnung fliessen. Es ist daher insbesondere die Stellung solcher Fragen zu vermeiden, in welchen eine von dem Beschuldigten nicht zugestandene Tatsache als bereits zugestanden angenommen wird.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
2) Fragen, wodurch dem Beschuldigten Tatumstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen oder wodurch ihm die zu erforschenden Mitbeteiligten durch Namen oder andere leicht erkennbare Merkmale bezeichnet werden, dürfen erst dann gestellt werden, wenn der Beschuldigte nicht in anderer Weise zu einer Erklärung über dieselben geführt werden konnte. Die Fragen sind in solchen Fällen wörtlich in das Protokoll aufzunehmen.
§ 150
Gegenstände, die sich auf die Tat beziehen oder zur Überweisung des Beschuldigten dienen, sind ihm nach vorläufiger Beschreibung derselben zur Anerkennung vorzulegen und er ist, soferne eine Vorlegung derselben nicht möglich ist, zu diesen Gegenständen zum Behufe ihrer Anerkennung zu führen. Der Beschuldigte kann, wenn dies zur Beseitigung von Zweifeln über die Echtheit eines ihm beigemessenen Schriftstückes dienlich scheint, veranlasst werden, einige Worte oder Sätze vor Gericht niederzuschreiben, ohne dass jedoch deshalb Zwangsmittel angewendet werden dürfen.
§ 151
Es dürfen weder Versprechungen oder Vorspiegelungen, noch Drohungen oder Zwangsmittel angewendet werden, um den Beschuldigten zu Geständnissen oder anderen bestimmten Angaben zu bewegen. Auch darf die Untersuchung durch das Bemühen, ein Geständnis zu erlangen, nicht verzögert werden.
§ 152
Verweigert der Beschuldigte die Antwort überhaupt oder auf bestimmte Fragen oder stellt er sich taub, stumm, wahnsinnig oder blödsinnig und ist der Untersuchungsrichter in den letzteren Fällen entweder durch seine eigenen Wahrnehmungen oder durch Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen von der Verstellung überzeugt, so ist der Beschuldigte lediglich aufmerksam zu machen, dass sein Verhalten die Untersuchung nicht hemmen und dass er sich dadurch seiner Verteidigungsgründe berauben könne.
§ 153
Weichen spätere Angaben des Beschuldigten von den früheren ab, widerruft er insbesondere frühere Geständnisse, so ist er über die Veranlassung zu jenen Abweichungen und die Gründe seines Widerrufes zu befragen.
§ 154
1) Wenn die Aussagen eines Beschuldigten in erheblichen Punkten von den Angaben eines wider ihn aussagenden Zeugen oder Mitbeteiligten abweichen, so sind ihm diese im Laufe der Untersuchung nur dann gegenüberzustellen, wenn es der Untersuchungsrichter zur Aufklärung der Sache für notwendig hält.
2) Bei solchen Gegenüberstellungen ist das in dem § 121 vorgeschriebene Verfahren zu beobachten.
§ 1551
Aufgehoben
§ 156
Geständnisse des Beschuldigten entbinden den Untersuchungsrichter nicht von der Pflicht, den Tatbestand so weit als möglich zu ermitteln.
1 § 155 aufgehoben durch LGBl. 2004 Nr. 236.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
XIII. Hauptstück
Von der Anklage
§ 157
Sobald der Untersuchungsrichter die Untersuchung abgeschlossen hat, so hat er die Akten dem Ankläger zur Antragstellung zu übermitteln.
§ 158
1) Der Ankläger hat seine Anträge binnen vierzehn Tagen zu stellen. Die Versäumung dieser Frist zieht beim Staatsanwalt die Folgen nach § 11, beim Privatankläger nach § 31 Abs. 3 nach sich.
2) Ist der Staatsanwalt als Ankläger der Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 42 StGB vorliegen, hat er beim Untersuchungsrichter einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens zu stellen. Gegen dessen Entscheidung ist die binnen vierzehn Tagen nach Zustellung einzubringende Beschwerde an das Obergericht zulässig. Ein weiterer Rechtszug findet nicht statt.
§ 159
Beantragt der Ankläger eine Ergänzung der Untersuchung, so entscheidet über diesen Antrag, falls der Untersuchungsrichter hiemit nicht einverstanden ist, das Obergericht ohne weiteren Rechtszug.
§ 160
Nach Abweisung des Ergänzungsantrages oder Vornahme der Ergänzungen übermittelt der Untersuchungsrichter den Akt dem Ankläger neuerlich, dem die vierzehntägige Frist zur Stellung seiner Anträge wiederum zusteht (§ 158 Abs. 1).
§ 161
Erhebt der Ankläger die Anklage, so hat er die Tat, wegen deren er die Verurteilung des Beschuldigten begehrt, genau zu bezeichnen. In bezug auf Anschuldigungspunkte, die der Ankläger unberücksichtigt lässt, wird angenommen, dass er die Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Diese Anschuldigungspunkte dürfen in dem folgenden Schlussverfahren nicht erörtert werden.
§ 162
Die Anklage ist schriftlich zu erheben. Dem Anklageantrag kann der Ankläger Beweisanträge insbesondere auf Vorladung von Zeugen und Sachverständigen anfügen, wobei er jedoch nicht darauf beschränkt ist, die wiederholte Vernehmung bereits in dem Untersuchungsverfahren vernommener Zeugen und Sachverständigen zu beantragen, sondern seine Anträge auch auf andere ausdehnen kann.
§ 163
1) Vor dem Kriminal- und Schöffengericht liegt es dem Ankläger ob, eine förmliche Anklageschrift einzubringen.
2) Die Anklageschrift muss enthalten:
- den Namen des Beschuldigten;
- die Angabe der ihm von dem Ankläger zur Last gelegten strafbaren Handlung oder Handlungen nach allen ihren gesetzlichen, die Anwendung eines bestimmten Strafsatzes bedingenden Merkmalen, wobei die besonderen Umstände des Ortes, der Zeit, des Gegenstandes u.s.f. soweit hinzuzufügen sind, als dies zur deutlichen Bezeichnung der Tat notwendig ist;
- die gesetzliche Benennung der strafbaren Handlung oder Handlungen, worauf die Anklage gerichtet ist sowie Anführung jener Stellen des Strafgesetzes, deren Anwendung beantragt wird.
3) Der Anklageschrift ist eine kurze, aber erschöpfende Begründung beizufügen, in welcher der Sachverhalt, wie er sich aus den Akten ergibt, zusammenhängend zu erzählen ist.
4) Ausserdem ist das Verzeichnis der vorzuladenden Zeugen und Sachverständigen sowie der anderen Beweismittel, deren sich der Ankläger in der Schlussverhandlung zu bedienen gedenkt, in die Anklageschrift aufzunehmen oder derselben beizulegen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 1641
Der Staatsanwalt kann in der Anklageschrift auch den Antrag auf Festnahme des Beschuldigten und Verhängung der Untersuchungshaft stellen.
§ 165
1) Die Anklageschrift ist, unabhängig davon, ob eine Untersuchung stattgefunden hat oder nicht, beim Untersuchungsrichter einzubringen.
2) Der Untersuchungsrichter teilt dem Beschuldigten die Anklageschrift samt Beilagen mit und belehrt ihn über seine Verteidigungsrechte (§§ 24 ff), insbesondere darüber, dass er gegen die Anklageschrift Einspruch erheben (§ 166 Abs. 2) und die Entscheidung des Obergerichtes über die Zulässigkeit der Anklage begehren könne, sowie dass er für die Schlussverhandlung eines Verteidigers bedürfe.2
3) Der Untersuchungsrichter entscheidet auch über einen zugleich eingebrachten Antrag auf Festnahme des Beschuldigten (§ 128).3
§ 166
1) Befindet sich der Beschuldigte bereits in Haft, so ist ihm die Anklageschrift längstens binnen 24 Stunden, wird aber seine Festnahme auf Grund der Anklageschrift angeordnet, so ist sie ihm zugleich mit dieser Anordnung zuzustellen.4
2) Zur Erhebung des Einspruches steht dem Festgenommenen eine Frist von 14 Tagen offen, die im letzten Falle des Abs. 1 vom Zeitpunkt der Verständigung des Gerichts von der Festnahme zu laufen beginnt. Den Einspruch kann er beim Untersuchungsrichter zu Protokoll oder schriftlich anbringen.5
3) Wird auf sein Verlangen die Anklageschrift seinem Verteidiger zugestellt, so läuft die Frist zur Erhebung des Einspruches von der Zustellung an den Verteidiger.
4) Bleibt der Beschuldigte auf freiem Fuss, so ist ihm die Anklageschrift mit der Belehrung zuzustellen, dass er den Einspruch dagegen binnen 14 Tagen beim Untersuchungsrichter mündlich oder schriftlich erheben könne, sowie dass er für die Schlussverhandlung eines Verteidigers bedürfe.1
§ 167
1) Ist der Einspruch innerhalb der gesetzlichen Frist nicht erhoben worden oder hat der Beschuldigte ausdrücklich darauf verzichtet, so legt der Untersuchungsrichter die Akten dem Vorsitzenden des erkennenden Gerichtes erster Instanz vor, der sofort die Schlussverhandlung anzuordnen hat.
2) Im entgegengesetzten Falle sendet der Untersuchungsrichter nach Erhebung des Einspruches die Akten dem Obergericht unter gleichzeitiger Benachrichtigung des Anklägers.
3) Das Obergericht entscheidet über den Einspruch nach Anhörung des Anklägers in nichtöffentlicher Sitzung.
4) In gleicher Weise ist vorzugehen, wenn sich der Beschuldige gegen die vom Untersuchungsrichter über ihn verhängte Haft (§ 165 Abs. 3) beschwert; auch in diesem Fall hat das Obergericht so vorzugehen, als würde gegen die Anklageschrift Einspruch erhoben.2
§ 168
1) Das Obergericht weist die Anklageschrift vorläufig zurück, wenn es dies zur Beseitigung eines Formgebrechens oder zur besseren Aufklärung des Sachverhaltes für notwendig erachtet.
2) Der Ankläger hat hierauf binnen vierzehn Tagen seine allfälligen Anträge an den Untersuchungsrichter zu stellen oder eine Anklageschrift neuerlich zu überreichen (§ 158 Abs. 1).
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 168a1
1) Erachtet das Obergericht, dass die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens nach dem IIIa. Hauptstück vorliegen, so weist es die Anklageschrift an den Untersuchungsrichter mit dem Auftrag zurück, nach den Bestimmungen dieses Hauptstückes vorzugehen.
2) Kommt eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 22c Abs. 1, 22d Abs. 5, 22f Abs. 4 oder 22g Abs. 1 in Verbindung mit § 22b nicht zustande oder ist das Verfahren nachträglich einzuleiten oder fortzusetzen (§ 22h), so hat der Ankläger neuerlich die Anklageschrift einzubringen oder sonst die zur Fortführung oder Beendigung des Strafverfahrens notwendigen Anträge zu stellen.
§ 169
1) Erachtet das Obergericht, dass der Anklage einer der folgenden Gründe entgegenstehe:
- dass die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe;
- dass es an genügenden Gründen fehle, den Beschuldigten der Tat für verdächtig zu halten;
- dass Umstände vorliegen, durch die die Strafbarkeit der Tat aufgehoben oder die Verfolgung wegen der Tat ausgeschlossen ist; oder dass die Voraussetzungen des § 42 StGB gegeben seien; oder
- dass der nach dem Gesetze erforderliche Antrag eines hiezu Berechtigten fehle;
so entscheidet das Obergericht, dass die Anklage nicht zugelassen und das Verfahren eingestellt werde. In diesem Falle hat das Obergericht zugleich die zur Enthaftung eines verhafteten Beschuldigten erforderlichen Anordnungen zu treffen.
2) Betrifft dieser Ausspruch nicht alle Anklagepunkte, so verfügt das Obergericht, dass die Punkte, über die er ergangen ist, aus der Anklageschrift zu entfallen haben.
§ 170
Kommt der Grund, dessentwegen die Anklage nicht zugelassen wird, auch einem Mitbeschuldigten zustatten, der keinen Einspruch erhoben hat, so geht das Obergericht so vor, als ob ein solcher Einspruch vorläge.
§ 171
1) Tritt keiner der in den §§ 168 bis 170 erwähnten Fälle ein, so entscheidet das Obergericht, dass die Anklage zugelassen werde.
2) In diesem Fall ist zugleich über alle die Verbindung oder Trennung mehrerer Anklagen und die Vorladung von Zeugen oder Sachverständigen betreffenden Anträge Beschluss zu fassen.
§ 172
Entscheidungen nach §§ 168 bis 171 sind in der Art zu begründen, dass dadurch der Entscheidung des erkennenden Gerichtes in der Hauptsache nicht vorgegriffen wird. Gegen Entscheidungen nach den §§ 168 und 171 ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
§ 173
1) Insoweit das Strafverfahren infolge Abstehens oder Einstellungsantrages des Staatsanwaltes nicht eingeleitet oder eingestellt wird, hat der Privatbeteiligte (§ 32) das Recht, die Strafverfolgung anstatt des Staatsanwaltes als Subsidiarankläger fortzusetzen, indem er binnen vierzehn Tagen nach seiner Verständigung beim Landgericht den Antrag auf Einleitung oder Fortsetzung der Untersuchung stellt oder die Anklageschrift (§ 163) einbringt.
2) Diese subsidiären Verfolgungsrechte des Privatbeteiligten finden in allen Fällen nicht Anwendung, in denen das Gericht ein Strafverfahren im Sinne des § 42 StGB beendet hat.
3) Über die Zulässigkeit der Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens aufgrund eines Subsidiarantrages des Privatbeteiligten entscheidet das Obergericht unter Ausschluss eines weiteren Rechtszuges.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 174
1) Der Verteidiger ebenso wie der Beschuldigte können unabhängig vom Rechte der Einspruchserhebung gegen eine Anklageschrift in dem Falle, als der eine oder der andere glaubt, dass doch noch irgendein Tatumstand erhoben werden soll oder dass ausser den von dem Ankläger zur Vorladung für das Schlussverfahren beantragten Zeugen und Sachverständigen noch andere berufen werden sollen, innerhalb vierzehn Tagen seit Zustellung der Anklage einschlägige Anträge bei Gericht stellen.
2) Der Untersuchungsrichter soll darauf noch vor der Schlussverhandlung durch nachträgliche Erhebungen den Untersuchungsakt in der etwa erforderlichen Weise vervollständigen. Die Erörterung der Ergebnisse solcher nachträglicher Erhebungen bleibt in der Regel der Schlussverhandlung vorbehalten.
3) Soferne sich der Untersuchungsrichter nicht bestimmt oder nicht in der Lage sieht, nach Abs. 2 vorzugehen, hat er das mündlich oder schriftlich gestellte, einschlägige Begehren des Beschuldigten oder seines Verteidigers den übrigen Akten zur Entscheidung bei der Schlussverhandlung beizuschliessen.
XIV. Hauptstück
Von der Schlussverhandlung
§ 175
1) Das Landgericht entscheidet in Kollegialbesetzung als Kriminalgericht oder als Schöffengericht nach mündlich durchgeführter Schlussverhandlung über die gemäss § 15 Abs. 2 und 3 zur Aburteilung zugewiesenen Verbrechen und Vergehen.
2) Grundlage der Schlussverhandlung ist die erhobene Anklage.
§ 176
1) Im Einzelfall setzt sich das Kriminalgericht aus dem Präsidenten als Vorsitzenden, einem Landrichter und drei weiteren Kriminalrichtern, das Schöffengericht aus einem Landrichter als Vorsitzenden und zwei Schöffen zusammen. Hiezu kommt jedenfalls noch der Protokollführer. Das Nähere bestimmt die Geschäftsverteilung.
2) Im Verhinderungsfalle treten die zur Vertretung bestimmten Ersatzrichter an ihre Stelle.
3) Der mit der Untersuchung betraut gewesene Richter darf dem zur Entscheidung berufenen Senat nicht angehören.
§ 177
Sobald die Anklage eingebracht beziehungsweise rechtskräftig geworden ist und allenfalls noch vorzunehmende Ergänzungen der Untersuchung durchgeführt sind (§ 174 Abs. 2), hat der Untersuchungsrichter die Strafakten dem zuständigen Vorsitzenden mit möglichster Beschleunigung zur Einsicht und zur Anberaumung der Schlussverhandlung vorzulegen.
§ 178
Die Schlussverhandlung hat an einem Wochentage vor dem nach obigen Bestimmungen zusammengesetzten Gerichtshof stattzufinden.
§ 179
Zu der Verhandlung sind der Ankläger, der Beschuldigte, dieser unter Androhung der Säumnisfolgen und dessen Verteidiger, ferner jene Zeugen und Sachverständigen zu laden, deren Vernehmung von den Parteien verlangt wurde und die der Vorsitzende als zum Erscheinen bestimmt bezeichnet hat. Der Privatbeteiligte ist mit dem Beisatze zu laden, dass im Falle seines Nichterscheinens die Verhandlung dennoch vor sich gehen werde und dass seine Anträge aus den Akten vorgelesen werden würden.
§ 180
Auf Antrag des Anklägers, des Beschuldigten oder seines Verteidigers kann der Vorsitzende des Gerichtshofes aus erheblichen Gründen eine Vertagung des angeordneten Schlussverfahrens bewilligen, jedoch muss die Anzeige, wenn immer möglich, rechtzeitig beim Landgericht geschehen, um eine Verlegung der Schlussverhandlung verfügen zu können.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 1811
1) Die Schlussverhandlung ist öffentlich bei sonstiger Nichtigkeit.
2) An einer Schlussverhandlung dürfen nur unbewaffnete Personen als Beteiligte oder Zuhörer teilnehmen. Doch darf Personen, die wegen ihres öffentlichen Dienstes zum Tragen einer Waffe verpflichtet sind, die Anwesenheit deswegen nicht verweigert werden.
3) Unmündige können als Zuhörer von der Schlussverhandlung ausgeschlossen werden, sofern durch ihre Anwesenheit eine Gefährdung ihrer persönlichen Entwicklung zu besorgen wäre.
4) Fernseh- und Hörfunkaufnahmen und -übertragungen sowie Film- und Fotoaufnahmen von Verhandlungen der Gerichte sind unzulässig.
§ 181a2
1) Die Öffentlichkeit einer Schlussverhandlung darf nur aus Gründen der Sittlichkeit oder der öffentlichen Ordnung ausgeschlossen werden. Der Gerichtshof verfügt diese Ausschliessung von Amts wegen oder auf den Antrag des Anklägers oder des Angeklagten nach darüber gepflogener geheimer Verhandlung und Beratung mit Beschluss. Der Beschluss ist samt Gründen in öffentlicher Sitzung zu verkünden und im Verhandlungsprotokoll zu beurkunden. Gegen den Beschluss ist kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig.
2) Vor der Erörterung von Umständen aus dem persönlichen Lebens- oder dem Geheimnisbereich des Angeklagten, eines Zeugen oder eines Dritten sowie vor der Vernehmung eines Zeugen, dessen Angaben zur Person unterbleiben (§ 119a), hat der Gerichtshof bei Überwiegen schutzwürdiger Interessen die Öffentlichkeit von Amts wegen oder auf Antrag auszuschliessen. Für einen solchen Beschluss gilt im Übrigen Abs. 1 entsprechend.
§ 181b1
1) Nach der öffentlichen Verkündung dieses Beschlusses müssen sich alle Zuhörer entfernen.
2) Nur die durch die strafbare Handlung in ihren Rechten Verletzten, Richter, Gerichtspraktikanten, Staatsanwälte sowie Rechtsanwälte dürfen niemals ausgeschlossen werden. Sowohl der Angeklagte als auch der Privatbeteiligte oder Privatankläger kann verlangen, dass der Zutritt drei Personen seines Vertrauens gestattet werde. § 115 Abs. 2 und 3 ist sinngemäss anzuwenden.
§ 181c2
Soweit die Öffentlichkeit einer Verhandlung ausgeschlossen worden ist, ist es untersagt, Mitteilungen daraus zu veröffentlichen. Auch kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung der Tatsachen zur Pflicht machen, die durch die Verhandlung zu ihrer Kenntnis gelangen. Dieser Beschluss ist im Verhandlungsprotokoll zu beurkunden.
§ 181d3
Die Anordnung einer geheimen Sitzung aufgrund des § 181a kann nach dem Aufruf der Sache in jedem Moment der Verhandlung begehrt werden. Die Ausschliessung der Öffentlichkeit kann für einen Teil des Verfahrens oder für die ganze Verhandlung stattfinden. Die Verkündung des Urteils aber muss stets öffentlich geschehen.
§ 182
1) Der Vorsitzende leitet die Verhandlung, vernimmt den Angeklagten, die Zeugen und Sachverständigen, bestimmt die Reihenfolge, in welcher diejenigen, welche das Wort verlangen, zu sprechen haben, die Zeugen und Sachverständigen vernommen, diejenigen Akten des Untersuchungsverfahrens, deren Vorlesung er selbst oder das Gericht für notwendig findet, vorgelesen und andere Beweise dargelegt werden.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
2) Der Vorsitzende und der Gerichtshof sind ermächtigt, auch ohne Antrag des Anklägers oder des Beschuldigten Zeugen und Sachverständige, von welchen nach dem Gange der Verhandlung Aufklärung über erhebliche Tatsachen zu erwarten ist, im Laufe der Schlussverhandlung vorzuladen und zu vernehmen. Überhaupt sind sie verpflichtet, die Ermittlung der Wahrheit zu befördern.
§ 183
1) Dem Vorsitzenden obliegt die Erhaltung der Ruhe und Ordnung und des der Würde des Gerichtes entsprechenden Anstandes im Gerichtssaal.
2) Zeichen des Beifalles oder der Missbilligung sind untersagt. Der Vorsitzende ist berechtigt, Personen, die die Sitzung durch solche Zeichen oder auf eine andere Weise stören, zur Ordnung zu ermahnen und nötigenfalls einzelne oder alle Zuhörer aus dem Sitzungssaale entfernen zu lassen. Widersetzt sich jemand oder werden die Störungen wiederholt, so kann der Vorsitzende über die Widersetzlichen eine Ordnungsstrafe bis zu 1 000 Franken, wenn es aber zur Aufrechterhaltung der Ordnung unerlässlich ist, eine Freiheitsstrafe bis zu acht Tagen verhängen. Im letzterwähnten Falle kann er die sofortige Verhaftung verfügen.
§ 184
1) Wenn der Angeklagte die Ordnung der Verhandlung durch ein ungeziehmendes Benehmen stört und ungeachtet der Ermahnung des Vorsitzenden unter Androhung, dass er aus der Sitzung werde entfernt werden, nicht davon absteht, so kann er durch Beschluss des Gerichtshofes auf einige Zeit oder für die ganze Dauer der Verhandlung von derselben entfernt, die Sitzung in seiner Abwesenheit fortgesetzt und ihm das Urteil durch ein Mitglied des Gerichtshofes in Gegenwart des Protokollführers verkündet werden.
2) Wenn von dem Angeklagten, dem Privatankläger, dem Privatbeteiligten, von Zeugen oder Sachverständigen gegen irgendeine der vernommenen Personen oder gegen einen Vertreter, gegen den Staatsanwalt oder gegen eine Gerichtsperson Beschimpfungen oder offenbar unbegründete und zur Sache nicht gehörige Beschuldigungen vorgebracht werden oder überhaupt die dem Gerichte schuldige Achtung durch ein unanständiges Benehmen verletzt wird, so kann der Gerichtshof wider den Schuldigen auf Antrag des Beleidigten oder des Staatsanwaltes oder von Amts wegen eine Ordnungsstrafe bis zu 1 000 Franken, wenn es aber zur Aufrechterhaltung der Ordnung unerlässlich ist, eine Freiheitsstrafe bis zu acht Tagen verhängen.
§ 185
Macht sich der Verteidiger einer solchen Übertretung schuldig, so ist derselbe vom Gericht mit einem Verweise zu belegen und falls er ein solches ungebührliches Benehmen trotz der erhaltenen Mahnung oder des verhängten Verweises fortsetzen sollte, so kann ihm der Vorsitzende das Wort entziehen und in diesem Falle sowie auch im Falle seines Nichterscheinens bei der anberaumten Verhandlung auch eine Vertagung der Verhandlung auf Kosten des schuldigen Vertreters aussprechen. Schreiten Rechtsfreunde als Verteidiger ein, so kann der Gerichtshof in solchen Fällen wider sie auch die Erstattung der Disziplinaranzeige beim Obergericht beschliessen.
§ 1861
1) Ausser dem Vorsitzenden sind auch die übrigen Mitglieder des Gerichtshofes, der Ankläger, der Angeklagte und der Privatbeteiligte sowie deren Vertreter befugt, an jede zu vernehmende Person, nachdem sie das Wort hiezu vom Vorsitzenden erhalten haben, Fragen zu stellen.
2) Der Vorsitzende hat unzulässige Fragen zurückzuweisen; Fragen, die sonst unangemessen erscheinen, kann er untersagen.
§ 187
1) Die Schlussverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache durch den Protokollführer.
2) Der Beschuldigte erscheint ungefesselt, wenn dies ohne Gefahr geschehen kann, jedoch wenn er verhaftet ist, unter polizeilicher Bewachung.
§ 188
Nach Eröffnung der Schlussverhandlung hat der Vorsitzende an den Ankläger, an den Beschuldigten und an den Privatbeteiligten sowie an die anwesenden Richter die Frage zu stellen, ob bei einem der letzteren ein Ausschliessungsgrund vorhanden sei.
§ 189
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
Der Vorsitzende befragt hierauf den Angeklagten um Vor- und Zunamen, Geburtsdatum, Zuständigkeitsgemeinde, Religion, Stand und Gewerbe oder Beschäftigung und Wohnort und ermahnt ihn, dem nunmehr folgenden Verfahren seine Aufmerksamkeit zuzuwenden.
§ 190
1) Hierauf werden die vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen aufgerufen und angewiesen, sich in das für sie bestimmte Zimmer zu begeben.
2) Rücksichtlich der Sachverständigen kann der Vorsitzende in allen Fällen, in welchen er es für die Erforschung der Wahrheit zweckdienlich findet, verfügen, dass dieselben sowohl während der Vernehmung des Angeklagten als der Zeugen im Sitzungssaale bleiben.
3) Der Privatankläger oder Privatbeteiligte, wenn er als Zeuge zu vernehmen ist, kann unbeschadet seines Rechtes, sich bei der Verhandlung vertreten zu lassen, zur Entfernung aus dem Sitzungssaale angewiesen werden. Der Vorsitzende ordnet auch nach Befinden Massregeln an, um Verabredungen oder Besprechungen der Zeugen zu verhindern.
§ 191
Wider Zeugen und Sachverständige, welche der an sie ergangenen Vorladung ungeachtet bei der Schlussverhandlung ohne Nachweisung eines unvorhergesehenen und unabwendbaren Hindernisses nicht erscheinen, kann von dem Gerichtshof ein Vorführungsbefehl erlassen und eine Geldstrafe bis zu 1 000 Franken, eventuell der Ersatz der Kosten der vereitelten Schlussverhandlung ausgesprochen werden, wogegen aber von dem Zeugen oder Sachverständigen binnen vierzehn Tagen nach erfolgter Zustellung des Erkenntnisses der Einspruch beim erkennenden Gericht erhoben werden kann.
§ 192
Sodann lässt der Vorsitzende bei sonstiger Nichtigkeit die Anklageschrift verlesen.
§ 193
1) Hierauf wird der Angeklagte vom Vorsitzenden über den Inhalt der Anklage vernommen. Beantwortet der Angeklagte die Anklage mit der Erklärung, er sei nicht schuldig, so hat ihm der Vorsitzende zu eröffnen, dass er berechtigt sei, der Anklage eine zusammenhängende Darstellung des Sachverhalts entgegenzustellen und nach Vorführung jedes einzelnen Beweismittels seine Bemerkungen darüber vorzubringen. Weicht der Angeklagte von seinen früheren Aussagen ab, so ist er um die Gründe dieser Abweichung zu befragen. Der Vorsitzende kann in diesem Falle sowie dann, wenn der Angeklagte eine Antwort verweigert, das über die früheren Aussagen aufgenommene Protokoll ganz oder teilweise vorlesen lassen.
2) Der Angeklagte kann zur Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen nicht verhalten werden.
3) Während der Schlussverhandlung ist dem Angeklagten unbenommen, sich mit seinem Verteidiger zu besprechen; es ist ihm jedoch nicht gestattet, mit demselben über die unmittelbare Beantwortung der an ihn gestellten Fragen zu beraten.
§ 194
Nach der Vernehmung des Angeklagten sind die Beweise in der vom Vorsitzenden bestimmten Ordnung vorzuführen.
§ 195
1) Zeugen und Sachverständige werden einzeln vorgerufen und in Anwesenheit des Angeklagten abgehört. Sie sind vor ihrer Vernehmung zur Angabe der Wahrheit zu ermahnen. Sachverständige, welche den Eid bereits abgelegt haben und Zeugen, welche in der Untersuchung beeidet wurden, sind an den abgelegten Eid zu erinnern.
2) Ausser diesem Falle ist jeder derselben nach Beantwortung der allgemeinen Fragen und vor seiner weiteren Vernehmung bei sonstiger Nichtigkeit zu beeidigen, soferne nicht einer der im § 123 Ziff. 1 bis 6 bezeichneten Gründe entgegensteht. Die Beeidigung kann unterbleiben oder bis nach erfolgter Abhörung der Zeugen ausgesetzt werden, wenn Ankläger und Angeklagter darüber einverstanden sind.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 195a1
1) Ein Zeuge, der wegen seines Alters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit oder aus sonstigen erheblichen Gründen nicht in der Lage ist, vor Gericht zu erscheinen, kann unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung vernommen werden.
2) Ein Zeuge, der wegen seines Aufenthalts im Ausland nicht in der Lage oder Willens ist, vor Gericht zu erscheinen, kann in gleicher Weise vernommen werden, sofern die zuständige ausländische Behörde Rechtshilfe leistet.
§ 196
1) Der Vorsitzende hat bei der Abhörung der Zeugen und Sachverständigen die für den Untersuchungsrichter in der Untersuchung erteilten Vorschriften, soweit dieselben nicht ihrer Natur nach als in der Schlussverhandlung unausführbar erscheinen, zu beobachten. Er hat dafür zu sorgen, dass ein noch nicht vernommener Zeuge nicht bei der Beweisaufnahme überhaupt, ein nicht vernommener Sachverständiger nicht bei der Vernehmung anderer Sachverständigen über denselben Gegenstand zugegen sei.
2) Zeugen, deren Aussagen voneinander abweichen, kann der Vorsitzende einander gegenüberstellen.
3) Zeugen und Sachverständige haben nach ihrer Vernehmung solange bei der Verhandlung anwesend zu bleiben, als der Vorsitzende sie nicht entlässt oder ihr Abtreten verordnet. Die einzelnen Zeugen dürfen einander über ihre Aussagen nicht zur Rede stellen.
4) Der Angeklagte muss nach Abhörung eines jeden Zeugen, Sachverständigen oder Mitangeklagten befragt werden, ob er auf die eben vernommene Aussage etwas zu entgegnen habe.
§ 1971
1) Der Vorsitzende ist befugt, ausnahmsweise den Angeklagten während der Anhörung eines Zeugen oder eines Mitangeklagten aus dem Sitzungssaal abtreten zu lassen. Er muss ihn aber, sobald er ihn nach seiner Wiedereinführung über den in seiner Abwesenheit verhandelten Gegenstand vernommen hat, von allem in Kenntnis setzen, was in seiner Abwesenheit vorgenommen wurde, insbesondere von den Aussagen, die inzwischen gemacht worden sind.
2) Ist diese Mitteilung unterblieben, so muss sie jedenfalls bei sonstiger Nichtigkeit vor Schluss des Beweisverfahrens nachgetragen werden.
3) Bei der Vernehmung von Zeugen hat der Vorsitzende § 115a Abs. 1 Satz 3 bis 5 und Abs. 2 bis 4 sinngemäss anzuwenden. Dabei hat er auch den bei der Befragung nicht anwesenden Mitgliedern des Gerichtshofs Gelegenheit zu geben, die Vernehmung des Zeugen mitzuverfolgen und den Zeugen zu befragen.
§ 198
Sowohl der Angeklagte als der Ankläger können verlangen, dass sich Zeugen nach ihrer Abhörung aus dem Gerichtssaale entfernen und später wieder hereingerufen und entweder allein oder in Gegenwart anderer Zeugen nochmals vernommen werden. Der Vorsitzende kann dies auch von Amts wegen anordnen.
§ 198a
1) Gerichtliche und sonstige amtliche Protokolle über die Vernehmung von Mitbeschuldigten und Zeugen, andere amtliche Dokumente, in denen Aussagen von Zeugen oder Mitbeschuldigten festgehalten worden sind, Gutachten von Sachverständigen sowie technische Aufnahmen über die Vernehmung von Zeugen (§ 115a) dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nur in folgenden Fällen verlesen oder vorgeführt werden:
- wenn die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind;
- wenn ihr Aufenthalt unbekannt oder ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus anderen erheblichen Gründen füglich nicht bewerkstelligt werden konnte;
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
- wenn die in der Schlussverhandlung Vernommenen in wesentlichen Punkten von ihren früher abgelegten Aussagen abweichen;
- wenn Zeugen die Aussage berechtigt verweigern (§ 107) und die Parteien Gelegenheit hatten, sich an einer gerichtlichen Vernehmung zu beteiligen (§§ 115a, 195);
- wenn Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein, oder wenn Mitbeschuldigte die Aussage verweigern;
- wenn über die Vorlesung Ankläger und Angeklagter einverstanden sind.1
2) Augenscheins- und Befundaufnahmen, gegen den Angeklagten früher ergangene Straferkenntnisse sowie Urkunden und Dokumente anderer Art, die für die Sache von Bedeutung sind, müssen vorgelesen werden, wenn nicht beide Teile darauf verzichten.2
3) Nach jeder Vorlesung ist der Angeklagte zu befragen, ob er darüber etwas zu bemerken habe.3
4) Die Bestimmungen des Abs. 1 dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden.4
§ 199
Im Laufe oder am Schlusse des Beweisverfahrens lässt der Vorsitzende dem Angeklagten und soweit es nötig ist, den Zeugen und Sachverständigen diejenigen Gegenstände, welche zur Aufklärung des Sachverhaltes dienen können, vorlegen und fordert sie auf, sich zu erklären, ob sie dieselben anerkennen.
§ 200
1) Nachdem der Vorsitzende das Beweisverfahren geschlossen hat, erhält zuerst der Ankläger das Wort zur Stellung und Begründung seines Strafantrages.
2) Der Privatbeteiligte erhält zunächst nach dem Staatsanwalte das Wort.
3) Dem Angeklagten und seinem Verteidiger steht das Recht zu, darauf zu antworten. Findet der Staatsanwalt, der Privatankläger oder der Privatbeteiligte hierauf etwas zu erwidern, so gebührt dem Angeklagten und seinem Verteidiger jedenfalls die Schlussrede.
§ 201
Die Schlussverhandlung soll, wenn sie einmal begonnen hat, nur insoweit unterbrochen werden, als es der Vorsitzende zur nötigen Erholung erforderlich findet. Eine Vertagung hat statt:
a) im Falle der Erkrankung des Angeklagten, wenn er nicht selbst ein
willigt, dass die Verhandlung in seiner Abwesenheit fortgesetzt und
seine in der Untersuchung abgegebene Erklärung vorgelesen werde;
b) wenn das Gericht die Einleitung neuer Erhebungen oder die Vernehmung eines nicht erschienenen Zeugen oder Sachverständigen für notwendig erachtet oder die Herbeischaffung neuer Beweismittel anordnet.
§ 202
1) Über die Schlussverhandlung ist bei sonstiger Nichtigkeit ein Protokoll aufzunehmen. Dasselbe soll die Namen der anwesenden Mitglieder des Gerichtes, der Parteien und ihrer Vertreter enthalten, alle wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens beurkunden, insbesondere anführen, welche Zeugen und Sachverständigen vernommen und welche Aktenstücke vorgelesen wurden, ob die Zeugen und Sachverständigen beeidigt wurden oder aus welchen Gründen die Beeidigung unterblieb; endlich alle Anträge der Parteien und die von dem Vorsitzenden oder dem Gerichte darüber erfolgten Entscheidungen bemerken. Den Parteien steht es frei, die Feststellung einzelner Punkte im Protokolle zur Wahrung ihrer Rechte zu verlangen.
2) Der Vorsitzende hat, wo es auf die Feststellung der wörtlichen Fassung ankommt, auf Verlangen einer Partei sofort die Verlesung oder Wiedergabe einzelner Stellen anzuordnen.
3) Der Antworten des Angeklagten und der Aussagen der Zeugen oder Sachverständigen geschieht nur dann eine Erwähnung, wenn sie Abweichungen, Veränderungen oder Zusätze der in den Akten niedergelegten Angaben enthalten, oder wenn die Zeugen oder Sachverständigen in der Verhandlung das erste Mal vernommen werden.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
4) Die Protokollierung hat auf Ansage durch den Vorsitzenden während der Verhandlung zu erfolgen. Nach der Fertigstellung ist das Protokoll vom Vorsitzenden und vom Protokollführer zu unterschreiben.
§ 203
Über die Beratungen und Abstimmungen während und am Schluss der Verhandlung ist in den Fällen, wo sich das Gericht zur Beschlussfassung in das Beratungszimmer zurückgezogen hat, ein abgesondertes Protokoll zu führen.
§ 204
Nachdem der Vorsitzende die Verhandlungen für geschlossen erklärt hat, zieht sich der Gerichtshof zur Urteilsfällung in das Beratungszimmer zurück.
§ 2051
1) Das Gericht hat bei der Urteilsfällung nur auf dasjenige Rücksicht zu nehmen, was im Schlussverfahren vorgekommen ist. Aktenstücke können nur insoweit als Beweismittel dienen, als sie im Schlussverfahren vorgelesen worden sind.
2) Das Gericht hat die Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen. Über die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei, entscheiden die Richter nicht nach gesetzlichen Beweisregeln, sondern nur nach ihrer freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung.
3) Bei der Beurteilung der Aussage eines Zeugen, dem nach § 119a gestattet worden ist, bestimmte Fragen nicht zu beantworten, ist insbesondere zu prüfen, ob dem Gericht und den Parteien ausreichend Gelegenheit geboten war, sich mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Beweiskraft seiner Aussage auseinanderzusetzen.
§ 206
1) Der Referent hat als erster seine Schlussanträge zu stellen, und der Vorsitzende hat sodann die weitere Umfrage zu halten.
2) Jede Stimme muss mit den angeführten Gründen in dem Beratungsprotokolle genau angegeben werden.
3) Das Urteil wird nach Stimmenmehrheit gefasst.
4) Die Abstimmung erfolgt, indem das älteste Mitglied des Gerichtshofes seine Stimme zuerst, der Vorsitzende hingegen die seinige zuletzt abgibt.1
5) Wenn unter mehreren Meinungen eine die Hälfte der Stimmen für sich hat, so gibt der Vorsitzende durch seinen Beitritt für dieselbe den Ausschlag. Hat aber der Vorsitzende eine davon verschiedene Meinung, oder hat überhaupt keine Meinung die Hälfte der Stimmen für sich, so ist die Umfrage zu wiederholen und wenn auch dann eine Mehrheit der Stimmen nicht zu erzielen ist, so werden die dem Beschuldigten nachteiligsten Stimmen den zunächst minder nachteiligen solange zugezählt, bis sich eine absolute Stimmenmehrheit ergibt.
6) Bei der Beratschlagung über die Strafe steht es den Mitgliedern des Gerichtshofs, welche den Angeklagten wegen einer ihm zur Last gelegten strafbaren Handlung nicht schuldig gefunden haben, frei, aufgrund des über die Schuldfrage gefassten Beschlusses ihre Stimme über die Strafe abzugeben oder sich der Abstimmung zu enthalten. In letzterem Falle sind ihre Stimmen so zu zählen, als ob sie der für den Angeklagten günstigsten unter den von den übrigen Stimmführern ausgesprochenen Meinungen beigetreten wären.
§ 207
Der Angeklagte wird durch Urteil des Gerichtshofes von der Anklage freigesprochen:
- wenn es sich zeigt, dass das Strafverfahren ohne den Antrag eines gesetzlich berechtigten Anklägers eingeleitet oder gegen dessen Willen fortgesetzt worden ist;
- wenn der Ankläger nach Eröffnung der Schlussverhandlung und ehe sich der Gerichtshof zur Beratung und Beschlussfassung zurückzieht, von der Anklage zurücktritt; als Rücktritt wird es insbesondere angesehen, wenn der Privatankläger bei der Schlussverhandlung nicht er
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
schienen ist oder bei derselben unterlassen hat, die Schlussanträge zu stellen (§ 31 Abs. 3);
- wenn der Gerichtshof erkennt, dass die der Anklage zugrundeliegende Tat vom Gesetze nicht mit Strafe bedroht, oder der Tatbestand nicht hergestellt oder nicht erwiesen sei, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe, oder dass Umstände vorliegen, vermöge welcher die Strafbarkeit aufgehoben oder die Verfolgung aus anderen als den unter den Ziff. 1 und 2 angegebenen Gründen ausgeschlossen ist;
- wenn der Gerichtshof erkennt, dass die Voraussetzungen des § 42 StGB vorliegen.
§ 208
1) Wird der Angeklagte schuldig gefunden, so muss das Strafurteil aussprechen:
- welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände;
- welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist, begründet wird, unter gleichzeitigem Ausspruch, ob die strafbare Handlung ein Verbrechen oder ein Vergehen ist;
- zu welcher Strafe der Angeklagte verurteilt werde;
- welche strafgesetzlichen Bestimmungen auf ihn angewendet wurden;
- die Entscheidung über die geltend gemachten Entschädigungsansprüche und über die Prozesskosten.
2) Wird der Angeklagte wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Taten zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, so ist im Anschluss an den Strafausspruch festzustellen, ob auf eine oder mehrere vorsätzlich begangene strafbare Handlungen eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe entfällt.
3) Ist die nach Abs. 2 erforderliche Feststellung im Strafurteil unterblieben, so ist sie auch in den Fällen, in denen Berufung nicht erhoben wurde (§ 221 Ziff. 4), von Amts wegen oder auf Antrag eines zur Ergreifung der Berufung Berechtigten vom erkennenden Gericht mit Beschluss nachzuholen. Gegen diesen Beschluss, der dem Ankläger und dem Angeklagten zuzustellen ist, steht jedem zur Ergreifung der Berufung Berechtigten die binnen vierzehn Tagen einzubringende Beschwerde an das Obergericht zu.
§ 209
Erachtet der Gerichtshof, dass die der Anklage zugrunde liegenden Tatsachen an sich oder in Verbindung mit den erst in der Schlussverhandlung hervortretenden Umständen eine andere als die in der Anklage bezeichnete strafbare Handlung begründen, so schöpft er, nachdem er die Parteien darüber gehört oder über einen allfälligen Vertagungsantrag entschieden hat, das Urteil nach seiner rechtlichen Überzeugung, ohne an die in der Anklage enthaltene Bezeichnung der Tat gebunden zu sein.
§ 210
1) Wird der Angeklagte bei der Schlussverhandlung noch einer anderen Tat beschuldigt, als wegen welcher er angeklagt war, so kann der Gerichtshof, wenn dieselbe von Amts wegen zu verfolgen ist, auf Antrag des Staatsanwaltes oder des durch diese Tat Verletzten, in anderen Fällen aber nur auf Begehren des zur Privatanklage Berechtigten die Verhandlung auch auf diese Taten ausdehnen. Die Zustimmung des Angeklagten ist nur dann erforderlich, wenn derselbe bei seiner Verurteilung wegen dieser Tat unter ein Strafgesetz fiele, welches strenger ist, als dasjenige, welches auf die in der Anklage angeführte strafbare Handlung anzuwenden wäre.
2) Verweigert in einem solchen Falle der Angeklagte seine Zustimmung zur sofortigen Aburteilung oder kann dieselbe nicht erfolgen, weil eine sorgfältigere Vorbereitung nötig erscheint, so hat sich das Urteil auf den Gegenstand der Anklage zu beschränken und dem Ankläger - auf sein Verlangen - die selbständige Verfolgung wegen der hinzugekommenen Tat vorzubehalten, ausser welchem Falle wegen dieser letzteren eine Verfolgung nicht mehr stattfindet.
3) Nach Umständen kann der Gerichtshof auch, wenn er über die hinzugekommene Tat nicht sofort aburteilt, die Schlussverhandlung abbrechen und die Entscheidung über alle dem Angeklagten zur Last fallenden strafbaren Handlungen einer neuen Schlussverhandlung vorbehalten.
4) In beiden Fällen muss der Ankläger binnen vierzehn Tagen seine Anträge wegen Einleitung des gesetzlichen Verfahrens anbringen.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 211
Wird gegen den Angeklagten ein Strafurteil gefällt, so steht der Vollstreckung desselben der Umstand nicht entgegen, dass die Verfolgung wegen einer anderen strafbaren Handlung noch vorbehalten ist.
§ 212
1) Liegen die zeitlichen Voraussetzungen für die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe infolge Anrechnung einer Vorhaft oder einer im Ausland verbüssten Strafe schon im Zeitpunkt des Urteils vor, so hat das Gericht dem Angeklagten den Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit mit Beschluss bedingt nachzusehen, wenn auch die übrigen im § 46 StGB genannten Voraussetzungen vorliegen. In diesem Beschluss hat das Gericht gegebenenfalls auch Weisungen zu erteilen und die Bewährungshilfe anzuordnen (§ 50 StGB).1
2) Für den Beschluss nach Abs. 1 und für das Verfahren nach einer solchen bedingten Entlassung gelten die Bestimmungen des XXIII. Hauptstückes dem Sinne nach.
§ 213
An die Anträge des Anklägers ist der Gerichtshof nur insoweit gebunden, dass er den Angeklagten nicht einer Tat schuldig erklären kann, auf welche die Anklage nicht gerichtet wurde.
§ 214
1) Unmittelbar nach der Fällung des Urteiles ist dasselbe von dem Vorsitzenden in öffentlicher Sitzung vor dem versammelten Gerichte und in Gegenwart der Parteien mit kurzer Angabe der Beweggründe und unter Beziehung auf die angewendeten Gesetzesstellen zu verkünden und der Beschuldigte über das ihm zustehende Berufungsrecht zu belehren.
2) In der Belehrung ist darauf hinzuweisen, dass die Berufung mündlich zu Protokoll des Gerichtes oder aber mittels Schriftsatzes anzumelden ist (§ 222). Diese Belehrung ist im Verhandlungsprotokoll zu beurkunden.
3) Wurde eine unrichtige Anmeldungsfrist angegeben und ist diese länger als die gesetzliche, so bleibt die Anmeldungsfrist während dieser längeren Frist gewahrt; wurde eine kürzere Frist angegeben, so gilt die gesetzliche Anmeldungsfrist; wenn die Belehrung über die Berufungsanmeldung überhaupt fehlt, so konnte die Anmeldungsfrist nicht zu laufen beginnen.
4) Wurde in der Belehrung nicht das zuständige Gericht sondern ein anderes Gericht oder eine andere Amtsstelle zur Empfangnahme der Anmeldung bezeichnet, so gilt die Anmeldungsfrist auch dann als gewahrt, wenn die Anmeldung bei der unrichtigen Stelle überreicht worden ist. Die unrichtige Stelle hat aber die Anmeldung der Berufung von Amts wegen an das zuständige Gericht zu leiten.
5) Findet sich der Gerichtshof ausser Stande, mit der Fällung und Verkündung des Urteils nach beendigter Schlussverhandlung vorzugehen, so hat der Vorsitzende den Tag und die Stunde der Urteilsverkündung bekanntzugeben.
§ 215
1) Jedes Urteil muss nach der Verkündung ohne unnötigen Aufschub schriftlich ausgefertigt und von dem Vorsitzenden sowie von dem Protokollführer unterschrieben werden.
2) Die Urteilsausfertigung muss enthalten:
- die Bezeichnung des Gerichtes und die Namen der anwesenden Mitglieder des Gerichtshofes sowie des Anklägers und des Privatbeteiligten;
- den Vor- und Zunamen sowie denjenigen Namen, unter welchem der Angeklagte allenfalls sonst noch bekannt ist; sein Geburtsdatum, seine Staatsbürgerschaft, seinen Wohnort, seinen Zivilstand, seinen Beruf, Gewerbe und seine Beschäftigung; ferner den Namen seines Verteidigers;
- den Tag der Schlussverhandlung und der Urteilsverkündung;
- das Erkenntnis des Gerichtshofes über die Schuldfrage, und zwar im Falle eines Strafurteils mit allen im § 208 angeführten Punkten;
- die Entscheidungsgründe; in diesen muss in gedrängter Darstellung, aber mit voller Bestimmtheit angegeben sein, welche Tatsachen und aus welchen Gründen der Gerichtshof sie als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat, von welchen Erwägungen er bei der Entscheidung der Rechtsfragen und bei der Beseitigung der vorgebrachten Einwendungen geleitet wurde und im Falle einer Verurteilung, welche Erschwerungs- und Milderungsgründe er gefunden hat. Im Falle einer
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Verurteilung zu einer in Tagessätzen bemessenen Geldstrafe sind die für die Bemessung des Tagessatzes massgebenden Umstände (§ 19 Abs. 2 StGB) anzugeben. Bei einem freisprechenden Urteil haben die Entscheidungsgründe insbesondere deutlich anzugeben, aus welchem der in § 207 angegebenen Gründe sich der Gerichtshof zur Freisprechung bestimmt gefunden hat;
6. die Rechtsmittelbelehrung. Für diese gilt § 214 Abs. 1 bis 4 sinngemäss.
§ 216
Hat sich der Angeklagte zur Urteilsverkündung nicht eingefunden, so ist ihm eine Ausfertigung des Urteiles zuzustellen.
§ 217
1) Ergibt sich in der Schlussverhandlung mit Wahrscheinlichkeit, dass ein Zeuge wissentlich falsch ausgesagt habe, so kann der Vorsitzende über dessen Aussage ein Protokoll aufnehmen und nach geschehener Vorlesung und Genehmigung vom Zeugen unterfertigen lassen. Er kann den Zeugen auch verhaften und dem Untersuchungsrichter vorführen lassen.
2) Wird während der Schlussverhandlung im Sitzungssaal eine andere strafbare Handlung verübt, wobei der Täter auf frischer Tat betreten wird, kann darüber mit Unterbrechung der Schlussverhandlung oder an deren Schluss auf Antrag des dazu berechtigten Anklägers und nach Vernehmung des Beschuldigten und der vorhandenen Zeugen vom versammelten Gericht sogleich abgeurteilt werden. Rechtsmittel gegen ein solches Urteil haben keine aufschiebende Wirkung. Ist zur Aburteilung ein Gericht höherer Ordnung zuständig oder die sofortige Aburteilung nicht tunlich, lässt der Vorsitzende den Täter dem Untersuchungsrichter vorführen. Über einen solchen Vorgang ist ein gesondertes Protokoll aufzunehmen.
3) Hat der Angeklagte während der Schlussverhandlung eine strafbare Handlung begangen, ist § 210 anzuwenden.
§ 217a1
Die Entscheidungen ausserhalb der Schlussverhandlung trifft der Vorsitzende mit Ausnahme der Entscheidungen nach den §§ 208 Abs. 3 und 251 Abs. 1 dieses Gesetzes und nach den §§ 46, 47, 53, 54 und 55 StGB.
XV. Hauptstück
Von den Rechtsmitteln
I. Von der Berufung
§ 218
1) Gegen jedes vom Kriminalgerichte oder Schöffengerichte geschöpfte Urteil ist die Berufung, soweit nicht darauf verzichtet worden ist, mit aufschiebender Wirkung an das Obergericht zulässig.
2) Die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels ist ohne Nachteil, wenn nur das richtige Begehren deutlich erkennbar ist.
3) Zum Zwecke der Berufung ist sowohl dem Angeklagten und den für ihn eintretenden Personen als auch dem Privatankläger oder Privatbeteiligten eine Ausfertigung des Urteiles samt Entscheidungsgründen hinauszugeben, dem Staatsanwalt aber die Urschrift der Urteilsausfertigung oder eine Abschrift zur Einsicht mitzuteilen.
4) Zugunsten des Angeklagten kann die Berufung sowohl von ihm selbst als auch von seinem Ehegatten, seinen Verwandten in auf- und absteigender Linie und seinem gesetzlichen Vertreter und vom Staatsanwalte, gegen seinen Willen aber nur im Falle der Minderjährigkeit von den Eltern und vom gesetzlichen Vertreter ergriffen werden. Soweit es sich um die Beurteilung der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe handelt, ist die zugunsten des Angeklagten von anderen ergriffene Berufung wegen Nichtigkeit als von ihm selbst eingelegt anzusehen.2
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
5) Zum Nachteile des Angeklagten kann die Berufung nur vom Staatsanwalt oder vom Privatankläger ergriffen werden; von dem Privatbeteiligten oder dem Subsidiarankläger zudem mit der Einschränkung, dass sich die Berufung nur auf die Entscheidung wegen der privatrechtlichen Ansprüche und der damit im Zusammenhang stehenden Kosten beziehen darf.
6) Soweit im Urteil über privatrechtliche Ansprüche und der damit im Zusammenhang stehenden Kosten entschieden wurde, steht das in den Abs. 4 und 5 näher bezeichnete Berufungsrecht nach dem Tode des Berechtigten auch dessen Erben zu.
§ 219
1) Vor dem Berufungsgerichte wird die Strafsache innerhalb der Grenzen der Berufungserklärung, -gründe und -anträge, die auf Aufhebung oder Abänderung des Urteiles lauten können, von neuem verhandelt und entschieden und es können zu diesem Zwecke unbeschränkt neue Tatsachen angeführt und Beweismittel beantragt werden.
2) Die Berufung kann wegen vorliegender Nichtigkeit oder Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wegen des Ausspruches über die Schuld (Beweisfrage), über die Strafe, über die privatrechtlichen Ansprüche und über die Kosten des Strafverfahrens ergriffen werden. Wird ausschliesslich der Ausspruch über die Kosten bekämpft, ist nur die Beschwerde zulässig.
§ 220
Wegen Verletzung von Grundsätzen oder Vorschriften des Strafverfahrens kann das Urteil und das diesem vorausgegangene Verfahren angefochten werden (prozessuale Nichtigkeitsgründe):
- wenn das Gericht nicht gehörig besetzt (vor allem, wenn die vorschriftsmässige Zahl der Richter nicht anwesend oder wenn ein Protokollführer nicht beigezogen worden ist, oder wenn Mitglieder des Gerichts die erforderlichen Eigenschaften für das Richteramt nicht besessen haben), oder wenn nicht alle Richter der ganzen Verhandlung beigewohnt oder endlich, wenn sich ein ausgeschlossener oder mit Recht abgelehnter Richter an der Verhandlung beteiligt hat; jedoch können die Parteien auf die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes ausdrücklich verzichten;
- wenn im Falle einer notwendigen Verteidigung (§ 26 Abs. 3) die Schlussverhandlung ohne Beizug eines Verteidigers geführt wurde.
Dieser Nichtigkeitsgrund kann zum Nachteil des Angeklagten nicht geltend gemacht werden;
- wenn der im Urteil oder in den Entscheidungsgründen enthaltene Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen undeutlich, unvollständig oder mit sich selbst im Widerspruch ist, oder wenn für diesen Ausspruch im Ganzen oder einem Teile nach keine Gründe oder keine hinreichenden Gründe angegeben sind, oder wenn zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt von bei den Akten befindlichen Urkunden oder über gerichtliche Aussagen und den Akten oder Vernehmungs- und Sitzungsprotokollen selbst ein erheblicher Widerspruch besteht;
- wenn der Gerichtshof mit Unrecht seine Unzuständigkeit ausgesprochen hat;
- wenn das gefällte Urteil die Anklage nicht erledigt oder sie die Vorschriften der §§ 209, 210 und 213 überschritten hat; die Anklage gilt namentlich dann nicht als erledigt, wenn der Richter seiner Entscheidung eine Tat nicht zugrunde legt, wegen der die Anklage erhoben worden ist;
- wenn bei der Schlussverhandlung ein Dokument über einen nach dem Gesetz nichtigen Vorerhebungsakt oder Untersuchungsakt trotz Verwahrung des Beschwerdeführers verlesen worden ist;1
- wenn während der Schlussverhandlung eine Vorschrift verletzt worden ist, deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt;
- wenn während der Schlussverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder wenn durch ein gegen seinen Antrag oder gegen seinen Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist;
- wenn über denselben Angeklagten und dieselbe Tat, auf welche die Anklage lautet, bereits ein verurteilendes rechtskräftiges Erkenntnis vorliegt.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 221
Wegen unrichtiger Anwendung oder Verletzung des Strafgesetzbuches oder eines strafrechtlichen Nebengesetzes kann das Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren angefochten werden (materielle Nichtigkeitsgründe):
- wenn durch den Ausspruch über die Frage, ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat überhaupt eine strafbare Handlung begründe oder aber Umstände vorhanden seien, vermöge welcher die Strafbarkeit der Tat ausgeschlossen oder aufgehoben oder die Verfolgung wegen derselben ausgeschlossen oder aufgehoben oder die Verfolgung wegen derselben ausgeschlossen ist (Schuld- oder Strafausschliessungs- und Rechtfertigungsgründe), ob die Voraussetzungen des § 42 StGB gegeben sind oder endlich, ob die nach dem Gesetze erforderliche Anklage zur Verfolgung fehle, irgend ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet worden ist;
- wenn die der Entscheidung zugrunde liegende Tat durch unrichtige Gesetzesauslegung einem Strafgesetz unterzogen worden ist, das darauf nicht anzuwenden ist, und zwar auch dann, wenn das eine wie das andere Gesetz die gleiche Strafe androht;
- wenn das Gericht seine Strafbefugnis, die Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes, soweit dieser durch namentlich im Gesetz angeführte Erschwerungs- oder Milderungsumstände begründet wird, die Grenzen für die Bemessung eines Tagessatzes oder die Grenzen der ihm zustehenden Strafverschärfung oder ausserordentlichen Strafmilderung überschritten, bei der Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe gegen § 19 Abs. 3 StGB oder durch die Anrechnung oder Nichtanrechnung einer Vorhaft gegen § 38 StGB verstossen hat, oder wenn bei der infolge eines lediglich zugunsten des Angeklagten ergriffenen Rechtsmittels durchgeführten neuerlichen Verhandlung oder im Falle einer zugunsten des Angeklagten bewilligten Wiederaufnahme des Strafverfahrens eine strengere Strafe gegen den Angeklagten verhängt wurde, als jene, welche das angefochtene Urteil ausgesprochen hatte;
- wenn die nach § 208 Abs. 2 erforderliche Feststellung fehlt;
- wenn nach dem IIIa. Hauptstück vorzugehen gewesen wäre.1
§ 222
1) Jede Berufung muss, bei sonstigem Verlust des Berufungsrechtes, innerhalb vier Tagen nach Verkündigung des Urteils beim Landgerichte entweder mündlich zu Protokoll oder schriftlich angemeldet werden; einer Anmeldung bedarf es nicht, wenn dem abwesenden Angeklagten das Urteil zugestellt wurde.
2) Die Frist zur Ausführung der Berufung beträgt vierzehn Tage seit Zustellung der Urteilsausfertigung bzw. seit Mitteilung der Urschrift oder Abschrift des Urteiles.
3) Für den Ehegatten, die Verwandten, den Vormund, den Sachwalter und die Erben des Verurteilten beginnt der Lauf obiger Fristen zur Anmeldung der Berufung oder deren Ausführung an demselben Tage, an welchem sie für den Angeklagten begonnen hat.1
4) Eine verspätete Anmeldung oder Ausführung der Berufung ist vom Landgerichte zurückzuweisen.
5) Die Berufungsanmeldung und, wenn diese nicht notwendig ist, die Berufungsausführung muss eine ausdrückliche oder durch deutlichen Hinweis erkennbare Berufungserklärung, ob gegen den ganzen Inhalt oder gegen welchen Teil, die Berufungsausführung ausserdem einen Antrag und Beschwerdegründe enthalten.
6) In der Berufungsverhandlung dürfen die Anträge und Gründe der Berufung, mit Ausnahme der auf die Nichtigkeit sich beziehenden, nicht erweitert, noch dürfen neue geltend gemacht werden.
§ 223
1) Während der Berufungsfrist und wenn gegen das Urteil Berufung eingelegt worden ist, ist die Vollstreckung des Urteiles, insoweit es angefochten ist, aufgeschoben.
2) Die Entlassung eines freigesprochenen Angeklagten darf nur wegen einer Berufung des Staatsanwaltes und zwar bloss dann aufgeschoben werden, wenn diese sogleich bei der Verkündigung des Urteils angemeldet wird und nach den Umständen die Annahme begründet ist, dass sich der Angeklagte dem Verfahren durch Flucht entziehen werde.
3) Gegen die Entlassung aus der Haft ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
4) Wenn der zu einer Freiheitsstrafe Verurteilte sich nur durch das Strafmass beschwert erachtet, kann er die Strafe einstweilen antreten.
5) Eben dies gilt auch, wenn der Verurteilte keine Berufung ergriffen hat und der Ankläger seine Berufung nur gegen das Strafmass richtet.
§ 224
1) Die Berufungsausführung ist entweder mündlich zu Protokoll des Landgerichtes oder schriftlich in zwei Exemplaren einzureichen; sie kann die Berufungsanträge und Berufungsgründe (Beschwerdepunkte) wiederholen und kann tatsächliche und rechtliche Ausführungen enthalten (§ 222 Abs. 6).
2) Ein Exemplar der überreichten Berufungsausführung oder eine Abschrift des sie ersetzenden Protokolles ist dem Gegner zur Einreichung einer allfälligen Gegenäusserung binnen vierzehn Tagen seit Zustellung des ersteren zuzustellen.
3) Wenn eine Partei einen Rechtsbeistand oder einen Verteidiger bestellt hat, so ist diesem zur Ausführung der Berufung oder einer allfälligen Gegenausführung die Einsicht in die Strafakten mit Ausschluss des Beratungsprotokolles zu gestatten.
§ 225
1) Neue Tatsachen und Beweise sind unter Angabe aller zur Beurteilung ihrer Erheblichkeit dienenden Umstände in der Anmeldung oder Berufungsausführung oder Gegenausführung bei sonstigem Ausschlusse ihrer Geltendmachung in der Berufungsverhandlung mitzuteilen, damit allenfalls der Vorsitzende des Obergerichtes sie selbst oder unter Umständen durch einen dazu abgeordneten Richter, alles unter Vorbehalt eines nachträglich genehmigenden Beschlusses des Gerichtes, erheben lassen kann.
2) Die nochmalige Abhörung solcher Zeugen und Sachverständiger, die bereits vor erster Instanz vernommen worden sind, hat vor allem dann stattzufinden, wenn das Obergericht diese wegen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Urteile erster Instanz enthaltenen Feststellungen von Tatsachen erforderlich findet.
§ 226
1) Das Obergericht kann nach Ermessen des Vorsitzenden über jede Berufung zuerst in nichtöffentlicher Sitzung ohne Anhörung der Parteien beraten und die Berufung sofort verwerfen:
- wenn sie von einer Person ergriffen worden ist, welcher das Berufungsrecht überhaupt nicht oder nicht in der Richtung, in welcher es in Anspruch genommen wird, zusteht oder welche darauf gültig verzichtet hat;
- wenn sie zu spät angemeldet worden ist oder wenn die Berufungsanmeldung nicht ausdrücklich oder doch in deutlich erkennbarer Weise nicht erklärt, wie weit das Urteil angefochten wird und wenn die Berufungsanmeldung oder Berufungsausführung keine Berufungsanträge und keine Beschwerdepunkte enthält, alles unter Vorbehalt der Wiederaufnahme des Verfahrens.
2) Ist die Berufung lediglich gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche gerichtet, so entscheidet das Obergericht in der Regel in einer nichtöffentlichen Sitzung in der Sache selbst.
§ 227
Das Obergericht kann schon in nichtöffentlicher Sitzung der Berufung stattgeben, das Urteil, soweit es angefochten wird, aufheben und die Sache an das zuständige Gericht zurückverweisen, wenn sich schon vor der öffentlichen Verhandlung über die Berufung herausstellt, dass das Urteil aufzuheben und die Verhandlung in erster Instanz zu wiederholen ist.
§ 228
1) Wird eine öffentliche Verhandlung über die Berufung angeordnet, so ist die Vorladung dem Berufungswerber und dem Berufungsgegner wegen der Geltendmachung des Ablehnungsrechtes mindestens zehn Tage vor der Abhaltung des Gerichtstages, den Zeugen und Sachverständigen aber rechtzeitig zuzustellen.
2) Sowohl dem Angeklagten als auch dem Ankläger ist in der Vorladung zu bemerken, dass im Falle ihres Ausbleibens mit Berücksichtigung des in der Berufungsausführung oder Gegenausführung Vorgebrachten dem Gesetze gemäss erkannt werde.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
3) Falls das Obergericht das persönliche Erscheinen des Angeklagten zur Berufungsverhandlung für notwendig hält, kann ihm in der Vorladung für den Fall des Ausbleibens die zwangsweise Vorführung angedroht werden.
4) Der Privatbeteiligte ist von dem angesetzten Gerichtstage in Kenntnis zu setzen mit der Bemerkung, dass es ihm freistehe, bei demselben zu erscheinen.
5) Ist ein Verteidiger oder Vertreter namhaft gemacht, so ist an diesen ebenfalls eine Vorladung zu richten.
§ 229
1) Die Verhandlung vor dem Obergericht ist in der Regel öffentlich nach den Vorschriften über das Verfahren vor erster Instanz.
2) Sie beginnt mit einem Vortrage eines Mitgliedes des Obergerichtes, welches weder Gutachten noch Anträge enthält, sondern nur das Tatsächliche des Falles und den bisherigen Verlauf der Sache, soweit es zur Beurteilung der angebrachten Beschwerde erforderlich ist, das Wesentliche einer allfällig überreichten Berufungsausführung oder Gegenausführung und die daraus sich ergebenden Streitpunkte umfassen soll.
3) Der auf die Berufungspunkte sich beziehende Teil des Erkenntnisses erster Instanz samt den Entscheidungsgründen ist jederzeit und, wenn es der Vorsitzende als zweckdienlich erachtet, auch das über die Hauptverhandlung erster Instanz aufgenommene Protokoll zu verlesen.
§ 230
1) Hierauf sind die etwa vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen und der Angeklagte, wenn er persönlich anwesend ist, zu vernehmen, wobei die für die Schlussverhandlung vor dem Gerichtshofe erster Instanz gegebenen Vorschriften zu beobachten sind.
2) Sodann wird derjenige, welcher die Berufung eingelegt hat zur Begründung derselben und anschliessend der Gegner zur Erwiderung aufgefordert.
3) Dem Angeklagten und seinem Verteidiger gebührt jedenfalls das Recht der letzten Äusserung.
4) Hierauf zieht sich der Gerichtshof zur Beratung und Beschlussfassung zurück.
§ 231
1) Das Obergericht verwirft die Berufung, wenn erst in der öffentlichen Verhandlung sich einer der im § 226 genannten Gründe herausstellt. Kommt das Obergericht auf Grund der neuen Verhandlung zur Überzeugung, dass das Verfahren und Urteil erster Instanz dem Gesetze entspricht, so gibt es der Berufung keine Folge.
2) Das Obergericht kann aber auch das Verfahren und Urteil aufheben und je nach den Umständen die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückweisen oder aber in der Sache nach durchgeführter Verhandlung selbst entscheiden.
3) Hat das Gericht erster Instanz das Vorliegen der Voraussetzungen nach dem IIIa. Hauptstück nicht angenommen, so hat das Obergericht das Verfahren und das Urteil aufzuheben und die Strafsache an das Gericht erster Instanz mit dem Auftrag, nach diesem Hauptstück vorzugehen, zurückzuverweisen.1
§ 232
1) Die zugunsten des Angeklagten ergriffene Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld enthält auch die Berufung gegen die Strafe.
2) Das Obergericht hat sich auf die in Beschwerde gezogenen Punkte zu beschränken und nur jenen Teil des erstrichterlichen Urteils allenfalls abzuändern, gegen welchen die Berufung gerichtet ist.
3) Überzeugt sich das Obergericht aus Anlass einer von wem immer ergriffenen Berufung, dass zum Nachteile des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet wurde (§ 221), oder dass dieselben Gründe, auf welchen sein Entscheid zugunsten des Angeklagten beruht, auch einem Mitangeklagten zustatten kommen, welcher die Berufung nicht oder nicht in der in Frage kommenden Richtung ergriffen hat, so hat es so vorzugehen, als wäre eine solche Berufung eingelegt.
4) Niemals darf aber aus Anlass einer zugunsten des Angeklagten ergriffenen Berufung das Urteil, soweit es sich um die verhängte Strafe handelt, zum Nachteile des Angeklagten abgeändert werden.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 233
Auf das Verfahren vor dem Obergerichte finden, soweit vorstehende Bestimmungen eine Abweichung nicht festsetzen oder gestatten, die für das erstinstanzliche Verfahren in Kollegialbesetzung geltenden Vorschriften ergänzende Anwendung.
II. Von der Revision
§ 234
Die Aufhebung und Abänderung eines vom Obergerichte gefällten Urteils kann, sofern dessen Anfechtung nicht ausgeschlossen ist, beim Obersten Gerichtshof beantragt werden:
- gemäss § 219 Abs. 2;
- wenn das Gericht die Vorschrift des Verbotes der Abänderung des Urteils zum Nachteile des Angeklagten (§ 232) verletzt hat;
- wenn der Entscheidung des Obergerichtes in einem wesentlichen Punkte eine tatsächliche Voraussetzung zugrunde gelegt erscheint, die mit den Prozessakten erster und zweiter Instanz in Widerspruch steht.
§ 235
1) Die Entscheidung des Obergerichtes, wodurch das erstrichterliche Urteil bestätigt wird, ist endgültig, soweit nicht eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr ausgesprochen worden ist.
2) Der Ankläger hat kein Weiterzugsrecht mehr gegen eine Entscheidung des Obergerichtes, die das erstrichterliche Urteil zum Nachteil des Angeklagten, der Verurteilte sowie die im § 218 Abs. 4 genannten Personen kein solches Anfechtungsrecht mehr gegen Entscheidungen des Obergerichtes, die das erstrichterliche Urteil zugunsten des Verurteilten abändern.
3) Wird das angefochtene Urteil vom Obergericht aufgehoben und dem Landgericht eine neuerliche Schlussverhandlung aufgetragen, so kann das Urteil des Obergerichtes nur dann angefochten werden, wenn in demselben bestimmt ist, dass erst nach Eintritt seiner Rechtskraft mit dem Vollzuge des dem Landgerichte erteilten Auftrages vorzugehen sei.
4) Privatbeteiligte und Subsidiarankläger haben kein Revisionsrecht.
§ 236
1) Einer Anmeldung der Revision bedarf es nicht, sondern der Revisionswerber hat innert vierzehn Tagen nach Zustellung des obergerichtlichen Urteils bzw. nach Mitteilung der Urschrift der Urteilsausfertigung eine Revisionsschrift in zweifacher Ausfertigung beim Landgerichte einzureichen oder die Revision zu Protokoll beim Landgerichte zu erklären.
2) Dem Revisionsgegner ist ein Exemplar der Revisionsschrift bzw. eine Abschrift des Protokolls zuzustellen und es kann dieser innerhalb der auf die Zustellung folgenden vierzehn Tage eine Revisionsbeantwortung in der in Abs. 1 bestimmten Form einreichen.
3) In der Revisionsschrift sind die einzelnen Beschwerdepunkte entweder ausdrücklich oder doch durch deutliche Hinweisung anzuführen und bestimmte Anträge zu stellen, ausserdem kann die Revisionsschrift tatsächliche und rechtliche Ausführungen enthalten.
4) Diese Vorschrift findet sinngemässe Anwendung auf die Revisionsbeantwortung.
5) Nach Überreichung der letzteren Schrift oder nach fruchtlosem Ablauf der hiezu bestimmten Frist sind alle Akten des betreffenden Straffalles an den Obersten Gerichtshof zu überweisen.
§ 237
1) Der Oberste Gerichtshof entscheidet in der Regel in nichtöffentlicher Sitzung und ohne mündliche Verhandlung über die Revision. Er kann jedoch von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung anordnen. Die Abänderung eines Urteiles zum Nachteil des Angeklagten ist nur aufgrund einer mündlichen Verhandlung möglich.
2) Er kann in der Sache selbst entscheiden oder, wenn ihm dies nach den Umständen erforderlich erscheint, das Urteil aufheben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster oder zweiter Instanz zurückverweisen.
3) Der Oberste Gerichtshof hat sich bei seiner Entscheidung in der Regel auf die in der Revision geltend gemachten Revisionsgründe zu beschränken.
4) Im übrigen finden auf das Revisionsverfahren die Bestimmungen über die Berufung ergänzende Anwendung.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
III. Von der Beschwerde
§ 238
1) Alle richterlichen Entscheide, Beschlüsse und Verfügungen, die nicht Urteile sind, können soweit nicht gesetzliche Ausnahmen bestehen, mittels Beschwerde beim Obergerichte wegen Ungesetzlichkeit oder Unangemessenheit angefochten werden.
2) Die in der Schlussverhandlung der Urteilsfällung vorangehenden Entscheidungen und Beschlüsse des erkennenden Gerichtes können vom Angeklagten nur gleichzeitig mit dem Urteile angefochten werden.
3) Gegen Entscheidungen des Obergerichtes, die einer bei diesem Gerichte eingereichten Beschwerde keine Folge geben, findet, soweit das Gesetz eine Ausnahme nicht begründet, keine Weiterziehung mehr statt.
4) Zur Anfechtung des Ausspruches über die Kosten kann die Beschwerde nur ergriffen werden, wenn das Urteil nicht gleichzeitig aus anderen Gründen angefochten wird.
§ 2391
1) Im Untersuchungsverfahren haben alle, welche sich durch Verzögerungen des Untersuchungsrichters oder durch eine bezüglich der Untersuchung oder im Laufe derselben erfolgende Verfügung beschwert erachten, das Recht, darüber eine Entscheidung des Obergerichtes einzuholen.
2) Das Obergericht hat über Beschwerden gegen die Anordnung der Festnahme, gegen Beschlüsse auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft, gegen ungebührliche Behandlung des Festgenommenen oder gegen die Aufhebung der Untersuchungshaft oder gelinderer Mittel (Haftbeschwerden) ohne Verzug zu entscheiden. Dabei hat es gegebenenfalls auch auf Umstände Rücksicht zu nehmen, die nach dem angefochtenen Beschluss eingetreten oder bekannt geworden sind; es kann auch vom Untersuchungsrichter Aufklärungen verlangen oder rasch durchführbare ergänzende Erhebungen anordnen. Vor seiner Entscheidung hat das Obergericht dem Gegner der Beschwerde Gelegenheit zur Stellungnahme binnen angemessen festzusetzender Frist einzuräumen. Dies gilt nicht, soweit der Gegenstand der Beschwerde auf Anordnungen gerichtet ist, deren Erfolg voraussetzt, dass sie dem Gegner der Beschwerde vor ihrer Durchführung nicht bekannt werden.
3) Ist die Beschwerde zwar berechtigt, aber inzwischen gegenstandslos geworden, so erkennt das Obergericht, dass durch die angefochtene Verfügung oder den angefochtenen Beschluss das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde.
4) Entscheidet das Obergericht, dass die Untersuchungshaft aufzuheben sei, und treffen die dafür massgebenden Umstände auch bei einem Mitbeschuldigten zu, der keine Beschwerde erhoben hat, so hat das Obergericht so vorzugehen, als ob eine solche Beschwerde vorläge.
5) Wird der Akt wegen der Erhebung eines Rechtsmittels vorgelegt, so darf dadurch der Gang des Verfahrens nicht aufgehalten werden; der Untersuchungsrichter hat Abschriften (Ablichtungen) jener Aktenteile, die zur Fortführung des Verfahrens erforderlich sind, zurück zu behalten, oder aber ein Aktendoppel vorzulegen.
§ 240
1) Gegen die Entscheidungen des Obergerichtes kann der Entscheid des Obersten Gerichtshofes angerufen werden in folgenden Fällen:
- von dem Ankläger und dem Beschuldigten über die Ausscheidung einzelner Strafsachen aus dem gemeinsam zu führenden Strafverfahren, über die Bestimmung der Kautionssumme oder ihren Verfall;
- 1a. von dem Beschuldigten gegen Beschlüsse, mit welchen die Beschwerde gegen die Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft abgelehnt wird;1
- von dem Ankläger gegen Beschlüsse, mit welchen ein Antrag auf Einleitung der Untersuchung, die Anordnung der Festnahme, die Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft abgelehnt oder die Einstellung ausgesprochen wird;2
- von allen Personen, welche durch eine Ordnungs- oder Beugestrafe nach §§ 52 und 96 Abs. 2 betroffen werden;3
- in allen übrigen Fällen, in denen nicht die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof ausgeschlossen ist und keine gleichlautenden Entscheidungen gemäss § 238 Abs. 3 vorliegen.4
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
2) Sofern der Oberste Gerichtshof über eine Beschwerde gegen einen Beschluss des Obergerichts auf Fortsetzung der Untersuchungshaft entscheidet (Abs. 1 Ziff. 1a), erkennt er lediglich über die Gesetzmässigkeit des angefochtenen Beschlusses, nicht jedoch über die Fortsetzung der Untersuchungshaft; ein solcher Beschluss löst keine Haftfrist aus.1
§ 241
1) Beschwerde kann von allen Personen erhoben werden, die berechtigt sind Berufung einzulegen, oder welchen durch einen Beschluss oder eine Verfügung Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen.2
2) Soweit im Gesetz nicht etwas anderes bestimmt ist (§ 130 Abs. 5, § 132a Abs. 4), beträgt die Frist zur Einreichung einer Beschwerde in allen Fällen, in denen der Beschluss gegenüber den Parteien entweder durch Zustellung einer Ausfertigung oder durch Verkündigung des Beschlusses wirksam wird, 14 Tage ab Zustellung bzw. mündlicher Verkündigung.3
3) Aufgehoben4
4) Beschlüsse und Verfügungen, welche nicht zugestellt oder verkündet worden sind, können mittels Beschwerde jederzeit angefochten werden, solange sie nicht gegenstandslos ist und die Folgen des Beschlusses oder der Verfügung noch rückgängig gemacht werden können.
5) Dies gilt besonders für das Untersuchungsverfahren.
§ 242
1) Soweit im Gesetz nicht etwas anderes bestimmt ist, kommt einer Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu. Der Vorsitzende des Beschwerdegerichtes kann aber von Amts wegen oder auf einen dahin zielenden Antrag bei Vorliegen von Umständen, die eine Aufschiebung der Wirkung gerechtfertigt erscheinen lassen, dieselbe aufschieben. Gegen diese Entscheidung findet kein weiteres Rechtsmittel statt.5
2) Im Untersuchungsverfahren kann, wenn der Untersuchungsrichter eine Beschwerde als begründet erachtet, dem Beschwerdeantrag von diesem stattgegeben werden, in welchem Falle die Beschwerde dahinfällt.
§ 243
1) Das Beschwerdegericht entscheidet ohne vorgängige mündliche Verhandlung durch Beschluss, welcher dem Beschwerdeführer zuzustellen ist.
2) Das Beschwerdegericht hat verspätet eingelangte Beschwerden oder solche, die von einer nicht zur Erhebung einer Beschwerde berechtigten Person eingebracht wurden, zurückzuweisen. Im Übrigen hat es jedoch den angefochtenen Beschluss oder die angefochtene Verfügung und das vorangegangene Verfahren innerhalb der Grenzen, die durch die Erklärung des Beschwerdeführers, durch den Beschwerdeantrag und durch die Beschwerdegründe gezogen sind, zu überprüfen.1
3) Wenn sich die Nichtigkeit oder sonst geltend gemachte Beschwerdegründe nicht schon aus den Akten ergeben, so kann das Beschwerdegericht oder der Senatsvorsitzende die notwendig erscheinenden Erhebungen entweder selbst durchführen oder veranlassen. Diese Erhebungen können insbesondere darin bestehen, dass einer oder beiden Parteien schriftliche Äusserungen abgefordert werden oder der Beschwerdeführer oder dessen Gegner einvernommen wird. Vor seiner Entscheidung ist den Parteien nach Massgabe des § 239 Abs. 2 Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.2
4) Das Beschwerdegericht kann den Beschluss oder die Verfügung entweder aufheben und in der Sache selbst entscheiden oder die Sache an die Vorinstanz zurückverweisen.3
5) Bei der Entscheidung über eine zum Vorteil des Beschuldigten erhobene Beschwerde können die Verfügungen oder Beschlüsse, gegen welche die Beschwerde geführt wird, niemals zum Nachteile des Beschuldigten abgeändert werden. Im übrigen ist aber das Beschwerdegericht berechtigt, die Beseitigung vorgekommener Gebrechen des Verfahrens zum Vorteil des Beschuldigten auch dann anzuordnen, wenn die Beschwerde gegen dieselben nicht ergriffen werden konnte oder nicht ergriffen wurde.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 244
Auf die Beschwerde finden, soweit im Vorstehenden keine Abweichung enthalten ist, die Bestimmungen über die Berufung und die Revision entsprechende Anwendung.
XVI. Hauptstück
Von der Vollstreckung der Urteile
§ 245
Jeder durch das Urteil freigesprochene Angeklagte ist, wenn er verhaftet war, sogleich nach der Verkündung des Urteils in Freiheit zu setzen, es wäre denn, dass die sofort ergriffene Berufung des Staatsanwaltes oder andere gesetzliche Gründe seine fernere Verwahrung nötig machten.
§ 246
Jede Rechtswirkung eines Strafurteiles beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit seiner Rechtskraft.
§ 247
1) Jedes wider ein Mitglied des geistlichen Standes wegen eines Verbrechens ergangene rechtskräftige Strafurteil ist nebst den Beweggründen vorläufig von dem Gerichte dem Bischof oder geistlichen Oberhaupte, dessen Sprengel der Verurteilte angehört, bekanntzugeben, damit noch vor der Vollziehung des Strafurteiles über die Entsetzung von der geistlichen Würde verfügt werden könne.
2) Erfolgt diese Verfügung nicht binnen dreissig Tagen, so ist das Urteil ohne weiteres in Vollzug zu setzen.
§ 248
1) Strafurteile gegen Personen, welche ein öffentliches Amt bekleiden, sind nach erlangter Rechtskraft ohne weiteres in Vollzug zu setzen, jedoch ist eine Abschrift hievon nebst den Entscheidungsgründen der Regierung mitzuteilen.
2) Dasselbe gilt in den Fällen, in denen eine Verurteilung aufgrund besonderer gesetzlicher Bestimmungen den Verlust des Adels, von öffentlichen Titeln oder Ämtern, Auszeichnungen, akademischen Graden oder anderen Rechten nach sich ziehen.
§ 249
1) Wenn der Verurteilte eine über ihn verhängte Geldstrafe nicht unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft erlegt, ist er schriftlich aufzufordern, die Strafe binnen vierzehn Tagen zu zahlen, widrigens sie zwangsweise eingetrieben werde. Gleiches gilt für die Abschöpfung der Bereicherung nach § 20 StGB.1
2) Geldstrafen sind nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung einzutreiben.
3) Ersatzfreiheitsstrafen sind wie andere Freiheitsstrafen zu vollziehen. Der Vollzug hat jedoch zu unterbleiben, soweit der Verurteilte die ausständige Geldstrafe erlegt oder durch eine unbedenkliche Urkunde nachweist, dass sie bezahlt ist. Darauf ist in der Strafvollzugsanordnung und in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.2
4) Für Bussen gelten die Abs. 1 bis 3 sinngemäss.3
§ 2504
1) Wenn die unverzügliche Zahlung einer Geldstrafe oder eines Geldbetrages nach § 20 StGB den Zahlungspflichtigen unbillig hart träfe, hat der Vorsitzende auf Antrag durch Beschluss einen angemessenen Aufschub zu gewähren.
2) Der Aufschub darf jedoch
- bei Zahlung der ganzen Strafe oder des gesamten Geldbetrages nach § 20 StGB auf einmal oder bei Entrichtung einer 180 Tagessätzen nicht übersteigenden Strafe in Teilbeträgen nicht länger sein als ein Jahr,
- bei Entrichtung einer 180 Tagessätzen übersteigenden Strafe in Teilbeträgen nicht länger als zwei Jahre und
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
3. bei Entrichtung einer nicht in Tagessätzen bemessenen Geldstrafe oder eines Geldbetrages nach § 20 StGB in Teilbeträgen nicht länger als fünf Jahre.
3) In die gewährte Aufschubsfrist werden Zeiten, in denen der Zahlungspflichtige auf behördliche Anordnung angehalten worden ist, nicht eingerechnet. Leistet der Zahlungspflichtige zur Schadloshaltung oder Genugtuung eines durch die strafbare Handlung Geschädigten Zahlungen, so ist dies bei der Entscheidung über einen Antrag auf Aufschub angemessen zu berücksichtigen. Mit Rücksicht auf Entschädigungszahlungen, die innerhalb der zur Zahlung der Geldstrafe oder des Geldbetrages nach § 20 StGB gewährten Frist geleistet werden, kann der Aufschub angemessen, längstens aber um ein weiteres Jahr verlängert werden.
4) Die Entrichtung einer Geldstrafe oder eines Geldbetrages nach § 20 StGB in Teilbeträgen darf nur mit der Massgabe gestattet werden, dass alle noch aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn der Zahlungspflichtige mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist.
5) Gegen den Beschluss des Vorsitzenden steht dem Zahlungspflichtigen und dem Ankläger die Beschwerde an das Obergericht zu, wider dessen Entscheidung ein weiterer Rechtszug ausgeschlossen ist.
6) Für die Bezahlung von Bussen gelten die Abs. 1 bis 5 sinngemäss mit der Massgabe, dass ihre Entrichtung in Teilbeträgen ein Jahr nicht übersteigen darf.
§ 251
1) Über die nachträgliche Strafmilderung, die Neubemessung des Tagessatzes sowie die Änderung der Entscheidung über die Abschöpfung der Bereicherung, den Verfall (§ 31a StGB) oder über das Tätigkeitsverbot (§ 220 Abs. 3 und 4 StGB) entscheidet das Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, auf Antrag oder von Amtes wegen nach Erhebung der für die Entscheidung massgebenden Umstände mit Beschluss.1
2) Gegen den Beschluss nach Abs. 1 steht dem Verurteilten und dem Ankläger die Beschwerde an das Obergericht zu. Ein weiterer Rechtszug findet nicht statt.2
3) Wenn der Zweck der Entscheidung nach Abs. 1 sonst ganz oder teilweise vereitelt werden könnte, hat das Gericht den Vollzug der Strafe, der Abschöpfung der Bereicherung oder des Verfalls bis zur Rechtskraft seiner Entscheidung vorläufig zu hemmen oder zu unterbrechen, es sei denn, dass ihm ein offenbar aussichtsloser Antrag vorliegt.1
§ 2522
Von der Verurteilung einer Person, die nicht die liechtensteinische Staatsbürgerschaft besitzt, ist das Ausländer- und Passamt unverzüglich zu verständigen.
§ 253
1) Ist der Verfall oder die Einziehung von Vermögenswerten oder Gegenständen ausgesprochen und befinden sich diese nicht bereits in gerichtlicher Verwahrung, so ist der Verurteilte oder sonst Betroffene (§ 354) vom Strafgericht schriftlich aufzufordern, sie binnen vierzehn Tagen zu erlegen oder dem Gericht die Verfügungsmacht zu übertragen, widrigenfalls zwangsweise vorgegangen werden würde. Kommt der Verfügungsberechtigte dieser Aufforderung nicht nach, sind ihm die Gegenstände und Vermögenswerte im Exekutionswege abzunehmen.3
2) Aufgehoben4
3) Das Gericht hat verfallene oder eingezogene Gegenstände, die in wissenschaftlicher oder geschichtlicher Beziehung oder für eine Lehr-, Versuchs-, Forschungs- oder sonstige Fachtätigkeit von Interesse sind, nach Verständigung der Regierung den hiefür in Liechtenstein bestehenden staatlichen Einrichtungen und Sammlungen zu übergeben. Gegenstände, die zur Deckung des Sachaufwandes der Justiz unmittelbar herangezogen werden können, sind hiezu zu verwenden, andere Sachen aber nach den im Exekutionsverfahren vorgesehenen Bestimmungen zu veräussern. Gegenstände, die weder veräussert noch verwertet werden können, sind zu vernichten.
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§ 253a1
1) Bei Auslandstaten kann die Regierung mit dem Tatortstaat eine Vereinbarung über die Teilung von abgeschöpften, verfallenen oder eingezogenen Vermögenswerten treffen und in diese Vereinbarung insbesondere auch Auflagen über die Verwendung der Vermögenswerte aufnehmen.
2) Für den Vollzug ist die Regierung zuständig.
§ 254
Über die Anrechnung einer vom Verurteilten nach der Fällung des Urteiles erster Instanz in Vorhaft zugebrachten Zeit (§ 38 StGB) hat der Vorsitzende des Gerichtes, das in erster Instanz erkannt hat, mit Beschluss zu entscheiden. Gegen diesen Beschluss steht dem Verurteilten und dem Ankläger die binnen vierzehn Tagen einzubringende Beschwerde an das Obergericht zu, wider dessen Entscheidung ein weiterer Rechtszug ausgeschlossen ist.
§ 2552
Mit dem Tod des Verurteilten erlischt die Verbindlichkeit zur Zahlung von Geldstrafen, soweit sie noch nicht vollzogen worden sind. Dies gilt dem Sinne nach für Bussen und den Verfallsersatz.
§ 256
1) Eine im Gesetze nicht vorbedachte Milderung oder Nachsicht der verwirkten Strafe steht nur dem Landesfürsten zu. Die einschlägigen Gesuche sind vom Landgerichte unter Anschluss der Akten und mittels Gutachtens an das Obergericht zu leiten, welches das Gesuch, wenn es unbegründet gefunden wird, sogleich zurückweisen kann, anderenfalls aber mit seinem eigenen Gutachten dem Landesfürsten vorzulegen hat.
2) Gnadengesuche hemmen den Vollzug des Strafurteiles in der Regel nicht. Nur wenn ein Gnadengesuch noch vor Strafantritt eingebracht und mit solchen rücksichtswürdigen Umständen begründet wird, welche erst nach ergangenem Urteil eingetreten sind, kann mit der Vollstreckung des Urteils innegehalten werden, insoferne sonst die Gnadenwerbung ganz
oder zum Teil vereitelt würde. Bei der Stellung von Gnadenanträgen hat das Gericht immer auch die Hemmung des Strafvollzuges in Erwägung zu ziehen.
3) Das Gericht hat unmittelbar nach der Fällung eines Urteiles, wodurch ein Jugendlicher, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, zu einer Strafe verurteilt wird, von Amts wegen zu prüfen, ob der Verurteilte zur Begnadigung vorzuschlagen sei.
4) Diese Prüfung der Begnadigungsfrage ist im Akte zu beurkunden.
5) Liegen besondere Gründe vor, die den Verurteilten der Begnadigung würdig erscheinen lassen, so hat das Gericht auch einen bestimmten Antrag über das Mass der zu gewährenden Strafnachsicht oder die Strafumwandlung zu stellen. Die Vorlage der Akten an das Obergericht hat nach Rechtskraft des Urteils zu erfolgen.
6) Das Landgericht kann auch von Amts wegen beantragen, dass Jugendlichen, die zur Zeit der Verurteilung das zwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, der Rest einer zum grösseren Teile verbüssten Freiheitsstrafe aus Gnade nachgesehen werde, wenn sie während der Strafhaft überzeugende Proben der Besserung gegeben haben.
XVII. Hauptstück
Von den Erkenntnissen und Verfügungen des
Strafgerichtes hinsichtlich der privatrechtlichen
Ansprüche
§ 257
1) Der aus der strafbaren Handlung entstandene Schaden und die sonstigen hinsichtlich der privatrechtlichen Folgen wichtigen Nebenumstände sind von Amts wegen zu berücksichtigen. Dem Beschädigten ist, wenn es zweifelhaft ist, ob er von dem stattfindenden strafrechtlichen Verfahren Kenntnis habe, hievon Mitteilung zu machen, damit er von seinem Rechte, sich dem Strafverfahren anzuschliessen, Gebrauch machen könne.
2) Im Falle des Anschlusses bleibt es dem Privatbeteiligten oder falls dieser sich selbst zu vertreten nicht berechtigt wäre, dessen gesetzlichem Vertreter überlassen, seine Ansprüche auszuführen und genügend darzu
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
tun. Der Beschuldigte ist darüber zu vernehmen und es sind die zur Erforschung des Schadens nötigen Erhebungen zu pflegen. Der Privatbeteiligte kann die Verfolgung seiner Ansprüche zu jeder Zeit, selbst während der Schlussverhandlung, wieder aufgeben.
§ 258
1) Wird der Beschuldigte nicht verurteilt, so ist der Privatbeteiligte mit seinen Entschädigungsansprüchen jederzeit auf den Zivilrechtsweg zu weisen.
2) Erfolgt die Verurteilung des Beschuldigten, so hat in der Regel der Gerichtshof zugleich über die privatrechtlichen Ansprüche des Beschädigten zu entscheiden. Erachtet das Strafgericht, dass die Ergebnisse des Strafverfahrens nicht ausreichen, um aufgrund derselben über die Ersatzansprüche verlässlich urteilen zu können, so verweist es den Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg. Gegen diese Verweisung steht kein Rechtsmittel offen.
§ 259
1) Ist eine Sache, bezüglich welcher das Gericht sich überzeugt, dass sie dem Privatbeteiligten gehöre, unter den Habseligkeiten des Angeklagten, eines Mitschuldigen oder eines Teilnehmers an der strafbaren Hand-lung oder an einem solchen Orte gefunden worden, wohin sie von diesen Personen nur zur Aufbewahrung gelegt oder gegeben wurde, so verordnet der Gerichtshof, dass die Zurückstellung nach eingetretener Rechtskraft des Urteiles erfolge. Mit ausdrücklicher Zustimmung des Beschuldigten kann jedoch die Ausfolgung auch sogleich geschehen.
2) Diese Zurückstellung der dem Beschädigten entzogenen Gegenstände kann auch vor der Schlussverhandlung durch den Untersuchungsrichter erfolgen, wenn deren Aufbewahrung nicht zur Überweisung des Beschuldigten, eines Mitschuldigen oder eines Teilnehmers nötig ist und wenn der Beschuldigte und der Staatsanwalt damit einverstanden sind.
§ 260
Ist das entzogene Gut bereits in die Hände eines Dritten, der sich an der strafbaren Handlung nicht beteiligt hat, auf eine zur Übertragung des Eigentums gültige Art oder als Pfand geraten, oder ist das Eigentum des entzogenen Gegenstandes unter mehreren Geschädigten streitig, oder kann der Geschädigte sein Recht nicht sogleich genügend nachweisen, so ist das auf Zurückstellung des Gutes gerichtete Begehren auf den ordentlichen Zivilrechtsweg zu verweisen.
§ 261
1) Wenn das dem Geschädigten entzogene Gut nicht mehr zurückgestellt werden kann, sowie in allen Fällen, wo es sich nicht um die Rückstellung eines entzogenen Gegenstandes, sondern um den Ersatz eines erlittenen Schadens oder entgangenen Gewinnes oder um Tilgung einer verursachten Beleidigung handelt, ist in dem Strafurteile die Schadloshaltung oder Genugtuung zuzuerkennen, insoferne sowohl der Betrag derselben, als auch die Person, welcher dieselbe gebührt, mit Zuverlässigkeit bestimmt werden kann.
2) Ergeben sich aus den gepflogenen Erhebungen Gründe, zu vermuten, dass der Geschädigte seinen Schaden zu hoch angebe, so kann ihn das Gericht nach Erwägung aller Umstände allenfalls nach vorgenommener Schätzung durch Sachverständige mässigen.
§ 262
1) Ergibt sich aus der Schuld des Angeklagten die gänzliche oder teilweise Ungültigkeit eines mit demselben eingegangenen Rechtsgeschäftes oder eines Rechtsverhältnisses, so ist in dem Strafurteile auch hierüber und über die daraus entspringenden Rechtsfolgen zu erkennen.
2) Der rechtswirksame Ausspruch, dass eine Ehe ungültig sei, bleibt jedoch stets den Zivilgerichten vorbehalten. Das Strafgericht kann die Ungültigkeit einer Ehe nur als Vorfrage beurteilen (§ 5).
§ 263
Dem Privatbeteiligten steht es frei, den Zivilrechtsweg zu betreten, wenn er sich mit der vom Strafgerichte ihm zuerkannten Entschädigung nicht begnügen will.
§ 264
Aufgrund des über die privatrechtlichen Ansprüche ergangenen rechtskräftigen strafgerichtlichen Erkenntnisses kann Exekution geführt werden.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 265
Die Abänderung des rechtskräftigen strafgerichtlichen Ausspruches über privatrechtliche Ansprüche wegen neu aufgefundener Beweismittel, sowie die Aufhebung der Vollstreckung desselben wegen eines nachgefolgten Tatumstandes kann ausser dem Falle einer aus anderen Gründen stattfindenden Wiederaufnahme des Strafverfahrens von dem Verurteilten und dessen Rechtsnachfolgern nur vor dem Zivilrichter angesucht werden.
§ 266
Wenn bei dem Beschuldigten ein nach allem Anscheine fremdes Gut gefunden wird, dessen Eigentümer er nicht angeben kann oder will, und wenn sich binnen einer angemessenen Frist niemand mit einem Eigentumsanspruche gemeldet hat, ist von dem Untersuchungsrichter die Beschreibung eines solchen Gutes so abzufassen, dass dasselbe zwar von dem Eigentümer erkannt werden könne, dass jedoch einige wesentliche Unterscheidungszeichen verschwiegen werden, um die Bezeichnung desselben dem Eigentümer als Beweis seines Rechtes vorzubehalten.
§ 267
Eine solche Beschreibung ist an denjenigen Orten, wo sich der Beschuldigte aufgehalten hat oder wo die ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen begangen wurden, durch Edikt öffentlich bekannt zu machen. In diesem Edikte ist der Eigentümer aufzufordern, dass er sich binnen Jahresfrist vom Tage des Ediktes melde und sein Eigentumsrecht nachweise.
§ 268
Ist das fremde Gut von solcher Beschaffenheit, dass es sich ohne Gefahr des Verderbnisses nicht durch ein Jahr aufbewahren lässt oder wäre die Aufbewahrung mit Kosten verbunden, so ist dasselbe durch öffentliche Versteigerung zu veräussern. Der Kaufpreis ist bei Gericht zu erlegen. Zugleich ist eine umständliche Beschreibung jedes verkauften Stückes unter Bemerkung des Käufers und des Kaufpreises den Akten beizulegen.
§ 269
1) Wenn binnen der Ediktalfrist niemand sein Recht auf die beschriebenen Gegenstände dartut, so sind dieselben, oder es ist deren Erlös, wenn sie der Dringlichkeit wegen verkauft wurden, dem Beschuldigten auf sein Verlangen auszufolgen, soferne nicht durch einen Beschluss des Obergerichtes ausgesprochen ist, dass die Rechtmässigkeit des Besitzes des Beschuldigten nicht glaubwürdig sei.
2) Gegen diese Beschlüsse findet kein Rechtsmittel statt.
§ 270
Gegenstände, welche dem Beschuldigten nicht ausgefolgt werden, sind auf die im § 268 angeordnete Weise zu veräussern und es ist der Kaufpreis an die Landeskasse abzugeben. Dem Berechtigten steht jedoch frei, seine Ansprüche auf den Kaufpreis gegen den Staatsschatz binnen dreissig Jahren vom Tage des Ediktes im Zivilrechtswege geltend zu machen.
XVIII. Hauptstück
Von der Wiederaufnahme des Strafverfahrens und der
Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen
I. Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 271
1) Ist das Strafverfahren wider eine bestimmte Person durch Einstellung, Zurückweisung der Anklage oder Rücktritt von der Anklage vor der Schlussverhandlung beendigt worden, so kann dem Antrage des Staatsanwaltes oder Privatanklägers auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens nur dann stattgegeben werden, wenn die Strafbarkeit der Tat noch nicht durch Verjährung erloschen ist und wenn neue Beweismittel beigebracht werden, die geeignet erscheinen, die Bestrafung des Beschuldigten zu begründen.
2) Dem Privatankläger, der seine Klage zurückgenommen hat, kann die Wiederaufnahme des Strafverfahrens nie bewilligt werden.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 272
Der rechtskräftig Verurteilte kann die Wiederaufnahme des Verfahrens selbst nach vollzogener Strafe verlangen:
- wenn dargetan ist, dass seine Verurteilung durch Fälschung einer Urkunde oder durch falsches Zeugnis oder Bestechung oder eine sonstige strafbare Handlung einer dritten Person veranlasst worden ist;
- wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, welche allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, die Freisprechung des Beschuldigten oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen, oder wenn
- wegen derselben Tat zwei oder mehrere Personen durch verschiedene Erkenntnisse verurteilt worden sind und bei der Vergleichung dieser Erkenntnisse sowie der ihnen zugrunde liegenden Tatsachen die Nichtschuld einer oder mehrerer dieser Personen notwendig anzunehmen ist.
§ 273
Der Staatsanwalt kann die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, um zu bewirken, dass eine Handlung, wegen der der Angeklagte verurteilt worden ist, nach einem strengeren Strafgesetze beurteilt werde, nur unter den im § 274 erwähnten Voraussetzungen und überdies nur dann beantragen, wenn die wirklich verübte Tat
- mit mindestens zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, während der Angeklagte nur wegen einer mit nicht mehr als zehnjährigen Freiheitsstrafe bedrohten Handlung verurteilt wurde, oder
- mit mehr als fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, während der Angeklagte nur wegen eines Vergehens verurteilt wurde, oder
- sich als ein Verbrechen darstellt, während der Angeklagte nur wegen eines mit nicht mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Verge-hens oder einer Übertretung verurteilt wurde.
§ 274
Wegen einer Handlung, hinsichtlich deren der Angeklagte durch rechtskräftiges Urteil freigesprochen worden ist, kann der Staatsanwalt die Wiederaufnahme des Verfahrens nur insoferne beantragen, als die Strafbarkeit der Tat noch nicht durch Verjährung erloschen ist und als entweder
- das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde oder durch falsches Zeugnis, Bestechung oder eine sonstige strafbare Handlung des Angeklagten oder einer dritten Person herbeigeführt worden ist oder
- der Angeklagte später gerichtlich oder aussergerichtlich ein Geständnis der ihm beigemessenen Tat ablegt oder andere neue Tatsachen oder Beweismittel sich ergeben, welche allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, die Überführung des Angeklagten zu begründen.
§ 275
Die Wiederaufnahme ist bei dem Landgericht zu beantragen. Über die Tatsachen, durch die der Antrag begründet wird, hat der Untersuchungsrichter die erforderlichen Erhebungen zu pflegen und dieselben dem Obergerichte zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme vorzulegen, welches hierüber ohne einen weiteren Rechtszug entscheidet.
§ 276
Zu Gunsten des Angeklagten kann die Wiederaufnahme von ihm selbst, ferner und zwar auch nach seinem Tode von allen jenen Personen beantragt werden, welche berechtigt wären, zu seinen Gunsten die Berufung zu ergreifen.
§ 277
1) Durch den Beschluss, welcher die Wiederaufnahme des Strafverfahrens anordnet, wird das frühere Urteil insoweit für aufgehoben erklärt, als es diejenige strafbare Handlung, hinsichtlich welcher die Wiederaufnahme angeordnet wurde, betrifft. Die gesetzlichen Folgen der in dem ersten Erkenntnisse ausgesprochenen Verurteilung dauern einstweilen fort und sind nur dann und insoweit als aufgehoben anzusehen, als sie nicht auch vermöge des neuen Erkenntnisses einzutreten haben.
2) Die Vollstreckung der im früheren Urteil enthaltenen Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche ist während der Dauer des wiederaufgenommenen Verfahrens nur bis zur Sicherstellung zulässig.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 278
1) Die Sache tritt durch die Wiederaufnahme in der Regel (§ 279) in den Stand der Untersuchung. Diese ist nach Massgabe der die Wiederaufnahme anordnenden Entscheidung und der neuen Beweise zu führen und zu ergänzen. Die hinsichtlich der Einstellung der Untersuchung und der Erhebung der Anklage geltenden Vorschriften finden auch hier Anwendung. Wird infolge dessen das Verfahren ohne Vornahme einer Schlussverhandlung beendigt, so hat der Beschuldigte das Recht, die öffentliche Bekanntmachung der Einstellung oder des Erkenntnisses, wodurch die Anklage endgültig zurückgewiesen wurde (§ 173) zu verlangen. Diese Entscheidungen haben gleiche Wirkung mit dem Erkenntnisse, wodurch der Angeschuldigte freigesprochen wird.
2) Kommt es zu einer neuerlichen Schlussverhandlung, ist von derselben auch der Privatbeteiligte in Kenntnis zu setzen; es ist nach Durchführung der Beweise ein neues Urteil zu schöpfen.
3) Wird durch dieses Erkenntnis der Angeklagte verurteilt, so ist bei Bemessung der Strafe auf die bereits erlittene Strafe Rücksicht zu nehmen.
4) Ist die Wiederaufnahme nur zu Gunsten des Angeklagten erfolgt, so kann das neue Urteil keine schwerere Strafe gegen ihn verhängen, als welche ihm das erste Erkenntnis auferlegte.
5) Gegen das neue Erkenntnis steht die Berufung offen wie gegen jedes andere Urteil.
§ 279
Das Obergericht kann, wenn es die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu Gunsten des Beschuldigten für zulässig erklärt, sofort ein Urteil fällen, wodurch der Beschuldigte freigesprochen oder seinem Antrage auf Anwendung eines milderen Strafsatzes stattgegeben wird.
§ 280
1) Das Gesuch eines Verurteilten um Wiederaufnahme des Strafverfahrens hemmt den Vollzug der Strafe nicht; es wäre denn, dass das Obergericht die Hemmung des Strafvollzuges nach den Umständen des Falles für angemessen erachtet.
2) Wird die Statthaftigkeit der Wiederaufnahme ausgesprochen, so ist der Vollzug der Strafe unverzüglich einzustellen (§ 277) und über die Haft des Beschuldigten nach den im XI. Hauptstücke enthaltenen Bestimmungen zu entscheiden.
§ 281
Das Strafverfahren kann unabhängig von den Bedingungen und Förmlichkeiten der Wiederaufnahme nach den allgemeinen Vorschriften durch das Landgericht eingeleitet oder fortgesetzt werden:
- wenn die Untersuchung (§ 41) oder die Erhebung (§ 283) eingestellt worden ist, ehe eine bestimmte Person als Beschuldigter oder gerichtlich als Verdächtigter behandelt wurde;
- wenn der zur Klage noch berechtigte Privatankläger dieselbe anbringt, während in dem früheren Verfahren die Einstellung oder ein freisprechendes Urteil lediglich wegen Mangels des nach dem Gesetze erforderlichen Antrages eines Beteiligten erfolgt ist;
- wenn sich der Staatsanwalt beim Rücktritte von der Verfolgung nach § 21 Abs. 2 oder bei der Erklärung nach § 67 Abs. 4 die Verfolgung vorbehalten hat und seit der rechtskräftigen Beendigung des inländischen Strafverfahrens nicht mehr als drei Monate oder seit der rechtskräftigen Beendigung des ausländischen Strafverfahrens nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist; wenn dem Ankläger bei der Beendigung des Strafverfahrens wegen eines Verbrechens oder Vergehens die Verfolgung wegen anderer strafbarer Handlungen vorbehalten worden ist (§ 210 Abs. 2) oder wenn sich erst nachher Verdachtsgründe für eine andere früher begangene strafbare Handlung ergeben haben;
- wenn die Tat, welche ein Verbrechen begründet, durch unrichtige Anwendung des Gesetzes durch den Einzelrichter als ein mit nicht mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohtes Vergehen oder als Übertretung behandelt worden ist (§ 317), vorausgesetzt, dass seit der Entscheidung des Einzelrichters nicht mehr als zwölf Monate verflossen sind.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
II. Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen
§ 282
1) Wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung oder Ausführung eines Rechtsmittels kann dem Beschuldigten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt werden, soferne er:
- nachzuweisen vermag, dass es ihm durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde, die Frist einzuhalten;
- um die Wiedereinsetzung innerhalb vierzehn Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses nachgesucht hat und
- die Anmeldung oder Ausführung des Rechtsmittels zugleich anbringt.
2) Das Gesuch ist beim Landgerichte anzubringen, welches die Akten, erforderlichenfalls nach Durchführung der zur Klarstellung des Wiedereinsetzungsgrundes erforderlichen Erhebungen, dem Obergericht zur Entscheidung vorzulegen hat. Betrifft jedoch das Wiedereinsetzungsgesuch eine Fristversäumung, die bereits zu einem Zurückweisungsbeschluss des Obersten Gerichtshofes geführt hat, so ist dieser anstelle des Obergerichtes zur Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch zuständig.
3) Das Gesuch hemmt, solange die Wiedereinsetzung nicht bewilligt ist, die Vollstreckung nicht; es sei denn, dass das Gericht, bei dem es angebracht wird, nach den Umständen des Falles für angemessen erachtet, die Aussetzung der Vollstreckung zu verfügen.
4) Gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist kein Rechtsmittel zulässig.
5) Wird die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung eines Rechtsmittels bewilligt, so läuft die Frist zur Erstattung der Ausführung dieses Rechtsmittels vom Tage der Zustellung des die Wiedereinsetzung bewilligenden Erkenntnisses.
XIX. Hauptstück
Von dem Verfahren wider Unbekannte, Abwesende und Flüchtige
§ 283
Wenn der Täter eines Verbrechens oder Vergehens nicht bekannt ist oder nicht vor Gericht gestellt werden kann, so muss doch die Erhebung der Beschaffenheit der Tat mit der vorschriftsmässigen Sorgfalt und Genauigkeit gepflogen werden. Das Verfahren ist in solchen Fällen erst wenn keine Anhaltspunkte zu weiteren Nachforschungen mehr vorhanden sind, bis zur künftigen Entdeckung oder Auffindung des Täters einzustellen.
§ 284
Wenn ein Abwesender, von dem es jedoch nicht wahrscheinlich ist, dass er flüchtig geworden sei, eines Verbrechens oder Vergehens beschuldigt erscheint und die Bedingungen zu einem Haftbefehle nach § 127 nicht vorhanden sind, so ist nur die Erforschung seines Aufenthaltes einzuleiten und erst, wenn er nach dessen Ermittlung auf die an ihn ergangene Vorladung nicht erscheint, ist ein Vorführbefehl gegen ihn zu erlassen oder sind nach Beschaffenheit der Umstände die in den nachfolgenden Paragraphen bezeichneten Massregeln wider ihn anzuwenden.
§ 285
Ist von dem Beschuldigten den Umständen nach anzunehmen, dass er die Flucht ergriffen habe oder wird ein Abwesender eines Verbrechens oder Vergehens unter Umständen beschuldigt, welche nach § 127 dessen Verhaftung rechtfertigen würden, so haben sich die mit der Erforschung und Verfolgung der Verbrechen und Vergehen beauftragten Behörden zur Habhaftwerdung des Beschuldigten nach Umständen der Hausdurchsuchung, der Ersuchschreiben an andere Behörden, in deren Bereich er anzutreffen sein dürfte, der gerichtlichen Verfolgung oder Steckbriefe zu bedienen.
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§ 2861
Unter den im § 103 Abs. 1 unter den Ziff. 1 bis 3 angeführten Voraussetzungen kann das Gericht im Verfahren wegen einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung auch die Überwachung einer elektronischen Kommunikation anordnen, wenn zu erwarten ist, dass durch die Überwachung der Aufenthaltsort des flüchtigen oder abwesenden Beschuldigten ausgeforscht werden kann. § 103 Abs. 2 und 3 und § 104 sind sinngemäss anzuwenden.
§ 287
Lässt sich hoffen, einen flüchtig gewordenen Beschuldigten durch Verfolgung zu erreichen, so sind der Untersuchungsrichter und in dringenden Fällen die Sicherheitsbehörden verpflichtet, denselben durch hiezu bestellte Personen verfolgen zu lassen. Alle Sicherheitsbehörden sind den Verfolgenden beizustehen verpflichtet.
§ 288
1) Steckbriefe dürfen gegen Flüchtige und gegen solche Beschuldigte, deren Aufenthaltsort unbekannt ist, nur dann erlassen werden, wenn diese eines Verbrechens oder eines vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens dringend verdächtig erscheinen. Steckbriefe können nur vom Gericht erlassen werden.
2) Ein Steckbrief ist auch auszufertigen, wenn ein wegen einer der im Abs. 1 genannten strafbaren Handlungen Verhafteter aus dem Untersuchungs- oder Strafgefängnis entweicht.
3) Gegen die nur einer anderen als der im Abs. 1 genannten strafbaren Handlungen Beschuldigten kann kein Steckbrief erlassen werden; wenn jedoch an deren Habhaftwerdung sehr gelegen ist, kann den Behörden eine Beschreibung ihrer Personen mit der Aufforderung mitgeteilt werden, in Fällen der Auffindung dem Strafgericht Mitteilung zu machen.
§ 289
1) In jedem Steckbriefe ist die strafbare Handlung, deren der Beschuldigte verdächtig geworden ist, zu benennen, seine Person so genau als möglich zu beschreiben und das Ersuchen um vorläufige Festnehmung und Einlieferung desselben beizufügen. Die Steckbriefe sind zu verbreiten und insbesondere auf das schleunigste den Sicherheitsbehörden und Aufsichtsorganen der Umgebung mitzuteilen. Nach Erfordernis ist auch die Kundmachung der Steckbriefe auch eventuell unter Beifügung einer Abbildung des Beschuldigten, durch die öffentlichen Blätter zu veranlassen.
2) Wie mit den Steckbriefen ist auch mit der Beschreibung und Kundmachung von gestohlenen oder geraubten Sachen, von Gegenständen eines verübten Betruges oder einer unternommenen strafbaren Handlung gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren und Wertzeichen vorzugehen. Die Beschreibung ist insbesondere dann kundzumachen, wenn es sich um Gegenstände handelt, die einen grossen Wert haben oder so beschaffen sind, dass Hoffnung vorhanden ist, durch ihre Bekanntmachung den Täter selbst zu entdecken oder noch ferneres Übel zu verhindern oder dem Geschädigten Entschädigung zu verschaffen. Jedermann ist verpflichtet, sogleich den Sicherheits- oder Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen, was er von den beschriebenen Gegenständen erfährt.
§ 290
Sobald die Gründe, welche den Steckbrief oder die Beschreibung veranlasst haben, entfallen, ist der Widerruf unverzüglich zu veranlassen.
§ 2911
Einem abwesenden oder flüchtigen Beschuldigten, welcher sich gegen sicheres Geleit vor dem Gericht stellen zu wollen bereit erklärt, kann dieses Geleit von dem Gericht nach eingeholter Stellungnahme des Staatsanwaltes allenfalls gegen Sicherheitsleistung mit der Wirkung erteilt werden, dass der Beschuldigte bis zu der Urteilsfällung in erster Instanz von der Haft befreit werden soll.
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§ 292
Das sichere Geleit äussert seine Wirkung nur in Beziehung auf die strafbare Handlung, in Ansehung deren es erteilt ist. Es verliert seine Wirkung, wenn der Beschuldigte auf eine an ihn ergangene Vorladung ohne genügende Rechtfertigung ausbleibt, wenn er Anstalten zur Flucht macht, wenn er sich der Fortsetzung der Untersuchung durch die Flucht oder durch Verbergen seines Aufenthaltes entzieht oder wenn er eine der Bedingungen nicht erfüllt, unter welchen ihm das sichere Geleit erteilt worden ist.
§ 293
1) Erhebt am Schlusse der Untersuchung der Ankläger die Anklage wegen eines Verbrechens oder Vergehens gegen einen Beschuldigten, dessen Aufenthaltsort unbekannt ist oder nicht im Fürstentum Liechtenstein liegt, so ist die Anklageschrift dem hiefür zu bestellenden Verteidiger zuzustellen. Im übrigen sind die Bestimmungen des XIII. Hauptstückes anzuwenden.
2) Die rechtskräftig gewordene Versetzung in den Anklagestand ist zu veröffentlichen, und zwar in Form eines Steckbriefes, wenn es sich um ein Verbrechen handelt und sich der Angeklagte entweder unbekannten Ortes oder aber an einem Ort in einem Staat aufhält, mit dem kein Auslieferungsübereinkommen besteht.
§ 294
Das Strafverfahren gegen solche, welchen die Vorladung zur Schlussverhandlung nicht zugestellt werden kann, hat bis zu ihrer Betretung auf sich zu beruhen.
§ 295
1) Ist der Angeklagte bei der Schlussverhandlung nicht erschienen, so kann, soferne in diesem Gesetz nicht etwas anderes bestimmt wird (§ 327), in seiner Abwesenheit die Verhandlung bei sonstiger Nichtigkeit nur dann vorgenommen und das Urteil gefällt werden, wenn die Straftat, deren er angeklagt ist, in die Zuständigkeit des Schöffengerichtes (§ 15 Abs. 3) oder des Einzelrichters (§ 15 Abs. 4) fällt, ferner, wenn der Angeklagte bereits in der Untersuchung vernommen und ihm die Vorladung zur Schlussverhandlung noch persönlich zugestellt wurde.
2) In diesem Falle wird in der Schlussverhandlung die von dem Angeklagten in der Untersuchung abgegebene Verantwortung verlesen und ihm eine Ausfertigung des Urteils zugestellt. Ist dies wegen seiner Abwesenheit nicht möglich, so ist das Urteil nach Art. 8 Abs. 2 ZustG zuzustellen.1
§ 296
1) Kann jedoch die Schlussverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nicht vorgenommen oder fortgesetzt werden, weil den vorstehend bezeichneten Bedingungen nicht entsprochen ist oder weil der Gerichtshof erachtet, dass in Abwesenheit des Angeklagten eine vollkommen beruhigende Aufklärung des Sachverhaltes nicht zu erwarten sei, so ist die Vorführung zu veranlassen.
2) Kann die Vorführung nicht bewerkstelligt werden, so hat das Strafverfahren bis zur Betretung des Angeklagten auf sich zu beruhen.
§ 297
1) Gegen das in Abwesenheit des Angeklagten gefällte Urteil kann dieser bei dem Landgerichte binnen vierzehn Tagen nach Zustellung des Abwesenheitsurteils nicht nur Berufung, sondern auch Einspruch erheben. Innerhalb dieser Frist ist auch die Ausführung der Berufung möglich (§ 222 Abs. 1).
2) Dem Einspruch ist stattzugeben, wenn nachgewiesen wird, dass der Angeklagte durch ein unabweisbares Hindernis abgehalten wurde, in der Schlussverhandlung zu erscheinen. In diesem Falle ist eine neue Schlussverhandlung anzuordnen. Bleibt der Angeklagte auch bei dieser aus, so ist das durch den Einspruch angefochtene Urteil ihm gegenüber als rechtskräftig anzusehen.
§ 298
1) Über den Einspruch entscheidet das Obergericht in nichtöffentlicher Sitzung. Weist es den Einspruch zurück, so steht dem Angeklagten dagegen ein Rechtsmittel nicht mehr offen.
2) Hat der Verurteilte gegen das Urteil auch Berufung ergriffen (§ 218) oder liegt eine von anderer Seite ergriffene Berufung vor, so ist
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
von dem Obergericht vorerst über den Einspruch zu entscheiden und nur wenn derselbe zurückgewiesen wird, ist in die Prüfung der Berufung einzugehen. Für Rechtsmittel gegen die Berufungsentscheidung gelten die allgemeinen Bestimmungen (§§ 234 ff).
§ 299
Durch das Nichterscheinen eines Angeklagten darf das Verfahren gegen die anwesenden Mitangeklagten nicht verzögert werden. Werden in solchen Fällen Gegenstände, die zur Überweisung des Angeklagten dienen können, an die Eigentümer zurückgestellt, so kann diesen die Verpflichtung auferlegt werden, die Beweisstücke auf Begehren wieder beizubringen. Zugleich ist eine genaue Beschreibung der zurückgestellten Gegenstände zu den Akten zu bringen.
XX. Hauptstück
Von den Kosten des Strafverfahrens
§ 300
1) Die für Eingaben, Einvernahmen, Augenscheine, Verhandlungen, Urteile, Beschlüsse usw. ausser den Gerichtskosten zu bezahlenden Gebühren werden im Gesetzeswege bestimmt.
2) Wo in den nachfolgenden Bestimmungen über den Ersatz der Kosten die Rede ist, gelten diese auch sinngemäss für die Bezahlung der Gebühren.
§ 301
1) Zu denjenigen Kosten, rücksichtlich welcher eine Vergütung von Seite des Beschuldigten stattfinden kann, gehören:
- die Auslagen für Zustellungen, Vorladungen und Botengänge;
- die Kosten für die Vorführung und Transportierung des Beschuldigten und anderer Personen;
- die Gebühren der Zeugen und der Sachverständigen;
- die Gebühren der Verteidiger und anderer Parteienvertreter;
- die Kosten der Verpflegung des Beschuldigten während der Untersuchungshaft;
- die Reisekosten und die Diäten der Gerichtspersonen und des Staatsanwaltes;
- die Kosten für die Vollstreckung eines Strafurteiles.
2) Die unter den Ziff. 1 bis 3 und 5 bis 7 bezeichneten Gebühren sowie die Gebühren des dem Beschuldigten beigegebenen Armenvertreters werden von der Landeskasse vorgeschossen.
§ 302
1) Die Gebühren der Sachverständigen, Gerichtspersonen usw. sind, soferne die Ansätze nicht durch besondere Vorschriften geregelt sind, von dem Gerichte zu bestimmen.
2) Wurde dem Beschuldigten ein rechtskundiger Armenvertreter beigegeben, so hat dieser Reisekosten und Diäten und für seine Mühewaltung eine Entlohnung aus der Landeskasse zu beanspruchen.
3) Reisekosten, Diäten und Entlohnung für den Armenvertreter sind vom Landgerichte nach freiem Ermessen zu bestimmen (§ 310).
§ 303
1) Solchen Zeugen, die vom Tag- oder Wochenlohne leben und welchen daher eine Entziehung auch nur von wenigen Stunden einen Verdienstentgang bringen würde, hat das sie vernehmende Gericht auf ihr Verlangen nicht bloss eine Schadloshaltung für die notwendigen Kosten des Hin- und Rückweges, sondern auch den Ersatz des entgangenen Erwerbes und der allenfalls nötigen höheren Kosten des Aufenthaltes am Orte der Vernehmung mit billiger Erwägung aller Verhältnisse zu bestimmen. Anderen Zeugen darf auf ihr Verlangen nur in dem Falle, wenn der Ort ihrer Vernehmung von ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsorte verschieden ist, eine angemessene Vergütung der notwendigen Auslagen für die Reise und für den Aufenthalt am Orte der Vernehmung bewilligt werden.
2) Der Privatankläger hat auf Zeugengebühren keinen Anspruch; andere Geschädigte haben ihn nur dann, wenn sie vorgeladen werden, um als Zeugen vernommen zu werden.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 304
Die Kosten für die Verpflegung des Beschuldigten während der Untersuchungshaft sowie des Verurteilten in der Strafhaft schliessen die Auslagen für Kost, Lagerstätte, Beheizung, Licht, die etwa nötige Beischaffung sowie die Reinigung der Wäsche und Kleidung und allfällige Krankheits- und Entbindungskosten in sich.
§ 305
1) Wird der Angeklagte durch ein Strafurteil einer strafbaren Hand-lung schuldig erkannt, so ist in dem Urteile zugleich auszudrücken, dass er auch die Kosten des Strafverfahrens zu ersetzen habe.
2) Doch hat das Gericht in dem Falle, wenn sich das Verfahren auf mehrere strafbare Handlungen bezog, die Kosten hinsichtlich derjenigen Handlungen, deren der Angeklagte nicht für schuldig erkannt wird, soweit es tunlich ist, von dem Ersatze auszuscheiden.
3) Die Verpflichtung zum Ersatze der Kosten trifft jedoch den rechtskräftig Verurteilten nur für seine Person; sie geht nicht auf die Erben über. Von mehreren Mitbeteiligten ist jeder einzelne zur Tragung derjenigen Kosten zu verurteilen, welche durch seine Verpflegung in der Untersuchungshaft, seine Verteidigung, den Strafvollzug oder durch besondere, nur bei ihm eingetretene Ereignisse oder durch sein besonderes Verschulden entstanden sind. Zur Bezahlung aller anderen Kosten des Strafverfahrens sind sämtliche Mitschuldige und Teilnehmer zur ungeteilten Hand zu verurteilen, sofern das Gericht nicht besondere Gründe findet, eine Beschränkung dieser Haftung eintreten zu lassen.1
§ 305a2
Im Fall eines aussergerichtlichen Tatausgleichs kann der Staatsanwalt von der Verfolgung erst zurücktreten oder das Gericht das Strafverfahren erst einstellen, nachdem der Verdächtige einen Pauschalkostenbeitrag bis zu 3 000 Franken bezahlt hat. Die Zahlung eines Pauschalkostenbeitrages ist insoweit nachzusehen, als dadurch der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Verdächtigen und seiner Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, oder die Erfüllung des Tatausgleichs gefährdet würde.
§ 306
1) Wird das Strafverfahren auf andere Weise als durch ein verurteilendes Erkenntnis beendigt, so sind die Kosten des Verfahrens und der Verteidigung vom Land zu tragen. Hat der Beschuldigte (Angeklagte) durch sein Verhalten zur Einleitung oder Verlängerung des Verfahrens beigetragen oder auf andere Weise die Kosten des Verfahrens erhöht, so liegt es im Ermessen des erkennenden Gerichtes, ob die zur Verteidigung notwendigen Kosten dem Land auferlegt werden. Soweit aber das Strafverfahren auf Begehren eines Privatanklägers oder gemäss § 32 lediglich auf Antrag des Privatbeteiligten stattgefunden hat, ist diesen der Ersatz der aller infolge ihres Einschreitens aufgelaufenen Kosten in der das Verfahren für die Instanz erledigenden Entscheidung aufzutragen. Den Privatbeteiligten trifft jedoch kein Kostenersatz, wenn das Strafverfahren nach dem IIIa. Hauptstück beendet wird.1
2) Haben mehrere Privatankläger oder Privatbeteiligte wegen derselben Handlung erfolglos Bestrafung derselben Personen begehrt, so haften sie für die Kosten des Strafverfahrens zur ungeteilten Hand. Haben sie erfolglos die Bestrafung verschiedener Personen oder die Bestrafung derselben Personen wegen verschiedener Handlungen begehrt, so haftet jeder für die besonderen Kosten, die nur durch seinen Antrag entstanden sind, und für den Pauschalkostenbeitrag, der zu entrichten gewesen wäre, wenn seine Anklage den einzigen Gegenstand des Verfahrens gebildet hätte; die Anteile der einzelnen Ankläger an den gemeinsamen Kosten hat das Gericht nach dem Mass ihrer Beteiligung am Verfahren zu bestimmen.
3) Der Staatsanwalt kann nie zum Ersatze der Kosten verurteilt werden. Die Amtshaftung bleibt jedoch unberührt.
4) Wurde endlich das Strafverfahren durch eine wissentlich falsche Anzeige veranlasst, so hat die Kosten der Anzeiger zu ersetzen. Dasselbe gilt auch im Falle des Freispruches für den Angeklagten, soweit er die Einleitung des Verfahrens grundlos verursacht hat.
§ 307
Für diejenigen besonderen Kosten, welche durch Ergreifung eines Rechtsmittels oder durch das Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens herbeigeführt werden, haftet derjenige, welcher das Rechtsmittel ergriffen und das erwähnte Begehren gestellt hat, insoferne das erstere ganz erfolglos geblieben oder das letztere abgewiesen worden ist.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 308
1) Die Kosten des Strafverfahrens sind jedoch vom Ersatzpflichtigen nur insoweit einzutreiben, als dadurch weder der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Ersatzpflichtigen und seiner Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, noch die Erfüllung der aus der strafbaren Handlung entspringenden Pflicht zur Schadensgutmachung gefährdet wird.
2) Personen, für welche während ihrer Verhaftung Alimentationsbeträge angewiesen werden, haben aus denselben die für sie aufgewendeten Verpflegungskosten zu vergüten.
3) Die Entscheidung über die Einbringlichkeit der Kosten soll, soweit tunlich, gleich bei Schöpfung des Erkenntnisses erfolgen.
§ 309
1) Beschwerden gegen die Entscheidungen über den Kostenpunkt sind mit der gegen das Urteil erhobenen Berufung oder Revision zu verbinden.
2) Abgesonderte Beschwerden gegen Entscheidungen des Landgerichtes im Kostenpunkte werden von dem Obergerichte endgültig entschieden.
§ 310
Wer sich im Strafverfahren eines Vertreters bedient, hat in der Regel auch die für diese Vertretung anlaufenden Kosten und zwar selbst in dem Falle zu zahlen, wenn ihm ein solcher vom Gericht von Amts wegen bestellt wird. Die Bestimmung des Betrages für die Vertretung bleibt dem freien Übereinkommen zwischen dem Vertreter und dem Zahlungspflichtigen überlassen; kommt ein solches nicht zustande, so steht jedem Teile frei, beim Landgerichte um die Bestimmung dieser Gebühren anzusuchen, welches nach Vernehmung der Gegenpartei unter Freilassung der binnen vierzehn Tagen zu ergreifenden Beschwerde an das Obergericht, die Bestimmung vornimmt. Die Entscheidung des Obergerichtes kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden. Bei der Bemessung des Honorars ist das Gericht an keinen bestimmten Betrag gebunden, sondern hat hiebei die auf die Vertretung selbst verwendete Mühe, ferner die Vermögensumstände des Vertretenen mit Billigkeit zu berücksichtigen.
§ 311
1) In jenen Fällen, in welchen dem Beschuldigten, dem Privatankläger oder den im § 306 Abs. 4 genannten Personen der Ersatz der Prozesskosten zur Last fällt, haben diese Personen auch alle Kosten der Verteidigung und der Vertretung zu ersetzen.
2) Bei der Bestimmung der Höhe dieser Kosten ist, wenn ein Übereinkommen nicht erzielt wird, in der im § 310 bestimmten Weise vorzugehen.
XXI. Hauptstück
Von dem Verfahren vor dem Einzelrichter
§ 312
1) Das Verfahren vor dem Einzelrichter findet bei sonstiger Nichtigkeit (§ 220 Ziff. 1) nur Anwendung, soferne weder die Zuständigkeit des Kriminalgerichtes, noch die des Schöffengerichtes gegeben ist (§ 15).
2) Zunächst hat der Einzelrichter die in diesem Hauptstücke enthaltenen Vorschriften anzuwenden. In allen jenen Punkten aber, worüber hier keine besondere Vorschrift erteilt ist, sind jene Bestimmungen in Anwendung zu bringen, welche für das Verfahren bei Verbrechen im allgemeinen gelten.
§ 313
1) Das Verfahren vor dem Einzelrichter wird durch einen schriftlichen Antrag des Anklägers auf Bestrafung des Beschuldigten eingeleitet. Dieser hat die im § 163 Abs. 2 Ziff. 1 bis 3 angeführten Angaben zu enthalten. Im Antrage sind ferner die Beweismittel anzugeben, deren sich der Ankläger in der Schlussverhandlung bedienen will. Vom Staatsanwalt kann zugleich auch die Verhaftung des Beschuldigten beantragt werden.
2) Der Strafantrag ist an den Einzelrichter zu richten und, wenn keine Untersuchung stattgefunden hat, unmittelbar bei ihm, andernfalls aber beim Untersuchungsrichter einzubringen. Der Untersuchungsrichter übersendet die Akten, nachdem er die zur Beendigung der Untersuchung etwa noch erforderlichen Ergänzungen getroffen hat, dem Einzelrichter.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
3) Gegen den Strafantrag findet ein Rechtsmittel nicht statt. Jedoch hat der Einzelrichter die Entscheidung des Präsidenten des Obergerichtes einzuholen, wenn er der Ansicht ist, dass Bedenken gegen die Verhaftung des Beschuldigten bestehen.
§ 314
Für die Vorbereitung zur Schlussverhandlung, die Schlussverhandlung und das Urteil gelten im übrigen dem Sinne nach die Bestimmungen des
XIII. und XIV. Hauptstückes mit folgenden Abweichungen und Ergänzungen:
- Der Vorladung des Beschuldigten zur Schlussverhandlung ist eine Ausfertigung des Strafantrages anzuschliessen. Ausser dem in § 179 vorgeschriebenen Inhalt hat die Vorladung des Beschuldigten auch die Aufforderung zu enthalten, die zu seiner Verteidigung dienenden Beweismittel mitzubringen oder dem Gericht so frühzeitig anzuzeigen, dass sie zur Schlussverhandlung noch herbeigeschafft werden können. Auch ist der Beschuldigte über sein Recht, sich eines Verteidigers zu bedienen (§ 26 Abs. 1) und über die Voraussetzungen der Beigebung eines Verteidigers nach § 26 Abs. 2 zu belehren.
- Soweit die Bestimmungen der §§ 168 und 201 Bst. b die Vornahme weiterer Erhebungen oder Untersuchungshandlungen durch den Untersuchungsrichter ermöglichen, sind sie nur anwendbar, wenn diese Beweise nicht in der Schlussverhandlung aufgenommen werden können.
- Wenn eine Untersuchung nicht stattgefunden hat, ist die Öffentlichkeit der Schlussverhandlung auf Verlangen des Beschuldigten auszuschliessen.
- Der Einzelrichter hat die Befugnisse und Obliegenheiten des Kriminalgerichtes und dessen Vorsitzenden.
- Statt der Anklageschrift ist der Antrag auf Bestrafung zu verlesen.
- Erachtet sich der Einzelrichter für unzuständig, weil die dem Strafantrag zugrunde liegenden Tatsachen an sich oder in Verbindung mit den in der Schlussverhandlung hervorgetretenen Umständen eine Zuständigkeit des Kriminal- oder Schöffengerichtes begründen, so spricht er mit Urteil seine Unzuständigkeit aus (§ 15 Abs. 6). Sobald dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, hat der Ankläger binnen vierzehn Tagen (§ 158 Abs. 1) die zur Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens erforderlichen Anträge zu stellen. Verweist aber das Kriminalgericht, das Schöffengericht oder sonst ein Gericht höherer Ordnung die Sache wieder an den Einzelrichter zurück, so kann sie
dieser wegen Unzuständigkeit nicht mehr von sich weisen. Dasselbe gilt für den Fall der Rückverweisung oder Zuweisung infolge Entscheidung eines Rechtsmittelgerichtes.
§ 315
1) Nach Schluss der Verhandlung wird das Urteil gefällt, samt den wesentlichen Gründen vom Richter verkündet und bei sonstiger Nichtigkeit dem Protokoll einverleibt oder beigelegt.
2) Wird jedoch der Beschuldigte freigesprochen oder nach einem umfassenden und durch die übrigen Ergebnisse der Verhandlung unterstützten Geständnis verurteilt oder wird die aus mehreren Punkten bestehende Anklage teils auf die eine, teils auf die andere Art erledigt und verzichten in allen diesen Fällen die Parteien auf alle Rechtsmittel oder melden sie innerhalb der hiefür offenstehenden Frist kein Rechtsmittel an, so kann die Ausfertigung des Urteiles durch einen vom Richter und vom Schriftführer zu unterschreibenden Urteilsvermerk ersetzt werden, der zu enthalten hat:
- die im § 215 Abs. 2 erwähnten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe;
- im Falle einer Verurteilung die für die Strafbemessung massgebenden Umstände in Schlagworten;
- im Falle einer Verurteilung zu einer in Tagessätzen bemessenen Geld-strafe die für die Bemessung des Tagessatzes massgebenden Umstände (§ 19 Abs. 2 StGB) in Schlagworten.
3) Wenn ein Privatbeteiligter im Falle einer Verurteilung mit Entschädigungsansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird (§ 258 Abs. 2), so sind überdies die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung anzuführen.
4) Die äussere Form des Urteilsvermerkes im Sinne der vorangeführten beiden Absätze wird von der Regierung im Verordnungswege bestimmt.
5) Der Richter ist befugt, nach Schluss der Verhandlung die Fällung des Urteils bis auf den folgenden Tag auszusetzen.
§ 316
Gegen die Urteile und Entscheidungen des Einzelrichters sind dieselben Rechtsmittel und Rechtsbehelfe zulässig, wie gegen Urteile und Entscheidungen des Kriminalgerichtes. Dasselbe gilt für die Vollstreckung
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
der Urteile, von den Erkenntnissen und Verfügungen des Strafgerichtes hinsichtlich der privatrechtlichen Ansprüche, der Wiederaufnahme des Strafverfahrens, der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen, dem Verfahren wider Unbekannte, Abwesende und Flüchtige sowie den Kosten des Strafverfahrens. Bei der sinngemässen Anwendung des XV. bis XX. Hauptstückes tritt jedoch an die Stelle des Vorsitzenden der Einzelrichter.
XXII. Hauptstück
Vereinfachungen des Verfahrens vor dem Einzelrichter bei Übertretungen und bestimmten Vergehen
§ 317
Die Bestimmungen dieses Hauptstückes sind in Abänderung und Ergänzung des im XXI. Hauptstück geregelten Verfahrens vor dem Einzelrichter anzuwenden, sobald feststeht, dass nur Übertretungen oder Vergehen abzuurteilen sind, soferne für letztere nur eine Geldstrafe oder eine sechs Monate nicht übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist.
§ 318
Findet der Richter, dass seine Zuständigkeit nicht gegeben ist, so kann er, statt ein Unzuständigkeitsurteil nach § 314 Ziff. 6 zu fällen, die Akten dem Staatsanwalt übermitteln, damit dieser die zur Einleitung des gehörigen Verfahrens erforderlichen Anträge stelle.
§ 319
1) Für die Einleitung des Verfahrens genügt ein schriftlich oder mündlich angebrachter Antrag des Staatsanwaltes auf gesetzliche Bestrafung. Dieser muss Zeit, Ort und Art der strafbaren Handlung unter Anführung der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen mit hinlänglicher Deutlichkeit bezeichnen.
2) Eine förmliche Untersuchung findet nicht statt.
3) Der Staatsanwalt muss bei der Schlussverhandlung erster Instanz nicht anwesend sein, es sei denn, sie findet aufgrund eines von ihm erhobenen Einspruches gegen eine Strafverfügung statt (§ 329 Abs. 1).
4) Ist der Richter der Überzeugung, dass die dem Antrag zugrunde liegende Tat vom Gesetz nicht mit Strafe bedroht ist oder dass Umstände vorliegen, durch die die Strafbarkeit der Tat aufgehoben oder die Verfolgung wegen der Tat ausgeschlossen ist, so hat er das Verfahren mit Beschluss einzustellen.1
§ 3202
Dem durch eine von Amtes wegen zu verfolgende strafbare Hand-lung in seinen Rechten Verletzten steht es frei, sich dem Strafverfahren anzuschliessen. Verweigert der Staatsanwalt die Verfolgung, so kann der Privatbeteiligte den Antrag auf gesetzliche Bestrafung stellen (§§ 319 Abs. 1 und 326 Abs. 2), es sei denn, dass die Verfolgung nach dem IIIa. Hauptstück beendet wurde.
§ 321
1) Wird dem Richter der Beschuldigte vorgeführt und gesteht derselbe die ihm zur Last gelegte Tat oder erscheint der Beschuldigte vor dem Richter, ist ferner der Ankläger anwesend und sind alle Beweismittel für die Anklage und die Verteidigung zur Hand, so kann der Richter mit Zustimmung des Beschuldigten sogleich die Verhandlung vornehmen und das Urteil fällen.
2) Ausser diesem Falle aber ist nach Vornahme der etwa nötig befundenen Vorerhebungen ein Tag zur Verhandlung festzusetzen.
§ 322
Bei allen Vorerhebungen hat der Richter im allgemeinen die für die Untersuchung bei Verbrechen erteilten Vorschriften zu beobachten, jedoch unter nachstehenden Beschränkungen:
1. Die Festnahme des Beschuldigten kann ausser den im § 127 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 erwähnten Fällen nur dann stattfinden, wenn der ausdrücklich zum persönlichen Erscheinen aufgeforderte Beschuldigte
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
dieser Aufforderung nicht nachkommt. Reisenden ist die Fortsetzung der Reise zu gestatten, insofern nicht zu besorgen ist, dass dadurch die Untersuchung oder die Vollstreckung des Urteils vereitelt werde.1
- Kann dem Beschuldigten die Vorladung nicht zugestellt werden, so hat das weitere Verfahren bis zu seiner Betretung auf sich zu beruhen. Die Ausfertigung von Steckbriefen ist unzulässig; dagegen kann in wichtigeren Fällen den Behörden eine Beschreibung der Person des Beschuldigten mitgeteilt werden.
- Die Untersuchungshaft kann nur in den Fällen des § 127 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 verhängt werden.2
- Die Durchsuchung von Papieren dritter Personen und die Beschlagnahme oder Eröffnung von Briefen ist nicht gestattet.
- Gerichtszeugen sind bei keiner Untersuchungshandlung erforderlich.
- Bei einem Augenscheine sowie bei der Einholung eines Gutachtens genügt die Beiziehung eines Sachverständigen.
- Die Führung eines Protokolls ist nur bei solchen Erhebungen erforderlich, welche zum Beweise bei der Verhandlung gebraucht und in derselben nicht wiederholt werden sollen; in anderen Fällen genügt die kurze Aufzeichnung des wesentlichen Inhaltes der von den vernommenen Personen gemachten Aussagen durch den Protokollführer oder auch durch den vernehmenden Richter selbst.
- Die Beigebung eines Verteidigers von Amts wegen findet ausser im Fall der Verhängung der Untersuchungshaft nicht statt.3
§ 322a4
1) Bei Übertretungen des Strassenverkehrsgesetzes kann der Richter verfügen, dass der Verdächtige eine Sicherheit in Höhe der mutmasslichen Busse und Verfahrenskosten zu leisten hat, sofern er keinen festen Wohnsitz im Inland hat.
2) Wird vom Verdächtigten die Sicherheit nicht sofort erbracht, kann der Richter die vorläufige Abnahme des Führerausweises bis zu fünf Tagen anordnen.
3) Sicherheitsorgane können unter den Voraussetzungen gemäss Abs. 1 und 2 einstweilen eine Sicherheitsleistung bis zum Betrag von 5 000 Franken einheben oder den Führerausweis vorläufig abnehmen.
4) Das Sicherheitsorgan hat dem Verdächtigen unverzüglich eine Bescheinigung über die eingehobene Sicherheitsleistung oder die vorläufige Abnahme des Führerausweises auszustellen und ihm zu eröffnen, dass eine gerichtliche Verfügung binnen 48 Stunden ergeht und dass die Zustellung dieser Verfügung nur auf ausdrückliches Verlangen des Verdächtigen erfolgen wird. Die Sicherheitsleistung oder der Führerausweis ist dem Landgericht mit der Anzeige binnen längstens 24 Stunden vorzulegen.
5) Bei Einstellung des gerichtlichen Verfahrens, Freisprechung des Beschuldigten sowie bei Vorliegen einer rechtskräftig verurteilenden Entscheidung wird die Sicherheitsleistung vorbehaltlich Abs. 6 frei und ist der anspruchberechtigten Person auszufolgen.
6) Die Sicherheitsleistung wird auf die rechtskräftig verhängte Busse sowie auf die Verfahrenskosten angerechnet.
§ 323
Die Beeidigung der Zeugen findet in der Regel nicht statt. Handelt es sich aber um die Überführung eines leugnenden Beschuldigten durch die Aussage von Zeugen, so müssen dieselben, wenn der Beschuldigte deren Beeidigung insbesondere verlangt und wenn es sich um ein Vergehen handelt, welches mit einer einen Monat übersteigenden Freiheitsstrafe oder einer sechzig Tagessätze übersteigenden Geldstrafe bedroht ist, vorschriftsmässig beeidet werden, soferne ihrer Beeidigung kein gesetzliches Hindernis entgegensteht.
§ 324
Kann die Verhandlung nicht nach § 321 sogleich nach Anbringung der Anklage stattfinden, so ist der Beschuldigte, falls er nicht verhaftet ist, zur Verhandlung durch einen schriftlichen Befehl vorzuladen, welcher die wesentlichen Tatsachen der ihm zur Last gelegten strafbaren Hand-lung und die Aufforderung enthalten muss, zur festgesetzten Stunde zu erscheinen und die zu seiner Verteidigung dienenden Beweismittel mitzubringen oder dem Richter so zeitlich anzuzeigen, dass sie zur Verhandlung noch herbeigeschafft werden können. Zugleich ist die Warnung beizufügen, dass im Falle seines Ausbleibens dennoch mit der Verhandlung und Urteilsfällung vorgegangen werden würde.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 325
1) Die Vorladung ist in der Regel so einzurichten, dass dem Beschuldigten von der Zustellung derselben nach Abrechnung der Zeit, die er benötigt, um sich an den Ort des Gerichtes zu verfügen, bis zur Verhandlung ein Zeitraum von wenigstens drei Tagen freibleibt. In dringenden Fällen aber, bei unbedeutenden Gesetzesübertretungen und wenn sich der Beschuldigte an dem Orte des Gerichtes befindet, kann die Frist auch abgekürzt werden. Nur aufgrund bescheinigter erheblicher Hindernisse kann dem Antrage des Beschuldigten auf Vertagung der Verhandlung stattgegeben werden.
2) Es steht dem Beschuldigten unter den im IV. und XIII. Hauptstück erwähnten Beschränkungen, welche der Beurteilung des Richters unterliegen, frei, sich eines Verteidigers zu bedienen.
3) Ist der Beschuldigte nicht verhaftet, so kann er sich, wenn er nicht persönlich erscheinen will, bei der Verhandlung durch einen Machthaber, der sich mit einer besonderen Vollmacht auszuweisen hat, vertreten lassen; doch steht es dem Gerichte zu, in allen Fällen, wo es im Interesse der Erforschung der Wahrheit nötig befunden wird, sein persönliches Erscheinen zu veranlassen. Personen, welche ohne zu den im § 27 genannten Parteienvertretern zu gehören und ohne Bewilligung aus solchen Vertretungen ein Gewerbe machen, können vom Gerichte zurückgewiesen werden.
§ 326
1) Die Öffentlichkeit der Verhandlung muss, wenn ein Privatankläger einschreitet, auch aus dem Grunde ausgeschlossen werden, weil beide Teile darauf antragen.
2) Die Verhandlung beginnt mit dem Vortrage der Anklage. Hierauf wird der Beschuldigte oder dessen Machthaber darüber vernommen und die Beweise werden vorgeführt. Sodann werden der Ankläger und der Privatbeteiligte mit ihren Anträgen und der Beschuldigte und dessen Verteidiger mit ihrer Antwort gehört. Der Ankläger kann sich darauf beschränken, im allgemeinen den Antrag auf Anwendung des Gesetzes zu stellen.
§ 327
Wenn der Beschuldigte der gehörig erfolgten Vorladung ungeachtet zur bestimmten Stunde nicht erscheint, so kann der Richter, wenn er die Vernehmung des Beschuldigten nötig findet, ihn zum persönlichen Erscheinen auffordern oder, wenn das bereits geschehen, vorführen lassen. Ausserdem wird sofort das Verfahren begonnen, die Beweise werden aufgenommen und es wird hierauf nach Anhörung des Anklägers das Urteil gefällt und verkündet. Dem ausgebliebenen Beschuldigten ist eine Ausfertigung des Urteils zuzustellen.
§ 3281
Wird von einer Behörde oder von einem Sicherheitsorgan ein auf freiem Fuss befindlicher Beschuldigter aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung oder eines Geständnisses angezeigt, oder reichen die durchgeführten Erhebungen zur Beurteilung aller für die Entscheidung massgebenden Umstände aus, so kann der Richter in Fällen von Übertretungen, mit Ausnahme der in § 22a Abs. 2 Ziff. 1 genannten, die Strafe ohne vorausgehendes Verfahren durch Strafverfügung festsetzen.
§ 329
1) Die Strafverfügung ist vor der Zustellung an den Beschuldigten dem Staatsanwalt zur Einsicht zu übermitteln. Letzterer kann dagegen binnen vierzehn Tagen Einspruch erheben. In diesem Fall hat die Ausfertigung und Zustellung der Strafverfügung an den Beschuldigten zu unterbleiben und ist das ordentliche Verfahren einzuleiten.
2) Die Übermittlung der Strafverfügung an den Staatsanwalt und sein Einspruchsrecht entfallen, wenn der Staatsanwalt selbst die Strafverfügung gemäss § 328 Abs. 2 beantragt und der Richter diesem Antrag vollumfänglich entsprochen hat.
§ 330
1) Im Falle des § 329 Abs. 2 hat das Gericht die Strafverfügung sogleich, im Falle des § 329 Abs. 1 dann dem Beschuldigten zuzustellen, wenn der Staatsanwalt keinen Einspruch erhoben oder darauf verzichtet hat.
2) Dem Beschuldigten steht es frei, innerhalb einer vierzehntägigen Frist, von der Zustellung der Strafverfügung an gerechnet, seinen Einspruch dagegen bei dem Landgerichte schriftlich oder mündlich zu Protokoll anzumelden und zugleich die zu seiner Verteidigung dienenden Beweismittel anzuzeigen. Wenn der Beschuldigte Einspruch erhebt, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten, dies jedoch mit der Massgabe, dass
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
die Strafverfügung aufrecht bleibt, falls er seinen Einspruch spätestens zu Beginn der Schlussverhandlung wieder zurückzieht. In diesem Falle ist das ordentliche Verfahren wieder abzubrechen und über allenfalls entstandene Mehrkosten im Sinne des § 301 Abs. 1 Ziff. 3 mit gesondertem Beschluss zu entscheiden.
3) Gegen die Strafverfügung ist ausser dem Einspruche kein Rechtsmittel zulässig; doch kann das Landgericht dem Beschuldigten, wenn die Voraussetzungen des § 282 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 eintreten, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilen.1
4) Erscheint der Beschuldigte trotz gehöriger Ladung unentschuldigt nicht zur anberaumten Schlussverhandlung, so lebt die Strafverfügung wieder auf. Der Einsprecher hat die zusätzlich entstandenen Kosten seit Erlass der Strafverfügung zu tragen. Über diese Mehrkosten im Sinne von § 301 Abs. 1 ist durch gesonderten Beschluss zu entscheiden. In der Ladung zur Schlussverhandlung ist ausdrücklich auf die Säumnisfolgen hinzuweisen.2
§ 331
Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens richtet sich nach den im
XVIII. Hauptstück aufgestellten Grundsätzen. Über die Zulassung der Wiederaufnahme entscheidet der Einzelrichter. Gegen die Verweigerung derselben steht die Beschwerde an das Obergericht offen, welches rechtskräftig entscheidet. Die Beschwerde ist binnen vierzehn Tagen anzubringen.
§ 332
1) Gegen Entscheidungen des Einzelrichters, insoferne dieselben der Berufung nicht unterliegen, steht den Beteiligten die Beschwerde an das Obergericht binnen vierzehn Tagen zu.
2) Gegen die über diese Beschwerden ergangenen Entscheidungen des Obergerichts findet kein weiterer Rechtszug statt.
XXIII. Hauptstück
Von dem Verfahren bei bedingter Strafnachsicht, bedingter Nachsicht von vorbeugenden Massnahmen, Erteilung von Weisungen und Anordnung der Bewährungshilfe1
I. Bedingte Nachsicht einer Strafe, der Unterbringung in einer
Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und
Rechtsfolgen2
§ 333
1) Die bedingte Nachsicht einer Strafe, der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und einer Rechtsfolge ist in das Urteil aufzunehmen.
2) Das Gericht hat den Verurteilten über den Sinn der bedingten Nachsicht zu belehren und ihm, sobald die Entscheidung darüber rechtskräftig geworden ist, eine Urkunde zuzustellen, die kurz und in einfachen Worten den wesentlichen Inhalt der Entscheidung, die ihm auferlegten Verpflichtungen und die Gründe angibt, aus denen die Nachsicht widerrufen werden kann.
§ 334
1) Die bedingte Nachsicht oder deren Unterbleiben bildet einen Teil des Ausspruches über die Strafe und kann zugunsten und zum Nachteil des Verurteilten mit Berufung angefochten werden. Die Berufung hat nur, soweit es sich um die Vollstreckung der Strafe oder der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder um den Eintritt der Rechtsfolge handelt, aufschiebende Wirkung.
2) Hat das Gericht durch die Entscheidung über die bedingte Nachsicht seine Befugnisse überschritten, kann das Urteil aus dem Nichtigkeitsgrund nach § 221 Ziff. 3 angefochten werden.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
II. Erteilung von Weisungen und Anordnung der Bewährungshilfe1
§ 3352
1) Über die Erteilung von Weisungen und die Anordnung der Bewährungshilfe entscheidet das Gericht mit Beschluss. Die Entscheidung obliegt in der Schlussverhandlung dem erkennenden Gericht, sonst dem Vorsitzenden.
2) Wird dem Rechtsbrecher eine Weisung erteilt, welche die Interessen des Verletzten unmittelbar berührt, so ist dieser hiervon zu verständigen.
III. Widerruf einer bedingten Nachsicht3
§ 335a4
1) Wird jemand wegen einer strafbaren Handlung verurteilt, die er vor Ablauf der Probezeit nach einer bedingten Strafnachsicht oder bedingten Entlassung begangen hat, so hat das erkennende Gericht nach den folgenden Bestimmungen vorzugehen:
- Liegen die Voraussetzungen für ein Unterbleiben des nachträglichen Ausspruches der Strafe (§§ 8b, 8c des Jugendgerichtsgesetzes) vor, so ist auszusprechen, dass die neue Verurteilung für einen solchen Ausspruch keinen Anlass bildet.
- Liegen die Voraussetzungen für das Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht oder einer bedingten Entlassung vor, so ist auszusprechen, dass von einem Widerruf aus Anlass der neuen Verurteilung abgesehen wird.
- Liegen die Voraussetzungen für einen nachträglichen Ausspruch der Strafe (§§ 8b, 8c des Jugendgerichtsgesetzes) vor, so ist die Strafe in einem Ausspruch so zu bemessen, wie wenn die Verurteilung wegen beider strafbarer Handlungen gemeinsam erfolgt wäre; im Übrigen ist auszusprechen, dass in dem Verfahren, in dem der Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe ergangen ist, ein nachträglicher Schuldausspruch nicht mehr in Betracht kommt.
4. Liegen die Voraussetzungen für den Widerruf einer bedingten Strafnachsicht oder einer bedingten Entlassung vor, so ist der Widerruf auszusprechen.
2) Ein Ausspruch nach Abs. 1 Ziff. 4 steht dem Einzelrichter nur bei Strafen und Strafresten zu, die das Ausmass von je drei Jahren nicht übersteigen. Der Widerruf einer bedingten Entlassung aus einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist dem Kriminalgericht vorbehalten. Soweit das erkennende Gericht sonach eine Entscheidung nach Abs. 1 Ziff. 4 nicht treffen darf, hat es auszusprechen, dass die Entscheidung über den Widerruf dem Gericht vorbehalten bleibt, dem sonst die Entscheidung zukäme.
3) Vor der Entscheidung hat das Gericht den Ankläger, den Angeklagten und den Bewährungshelfer zu hören und Einsicht in die Akten über die frühere Verurteilung zu nehmen. Von der Anhörung des Angeklagten kann abgesehen werden, wenn das Urteil in seiner Abwesenheit gefällt wird und ein Ausspruch nach Abs. 1 Ziff. 1 oder 2 erfolgt. Von der Anhörung des Bewährungshelfers kann abgesehen werden, wenn das Gericht einen Widerruf nicht in Betracht zieht. Anstelle der Einsicht in die Akten kann sich das Gericht mit der Einsicht in eine Abschrift des früheren Urteils begnügen, wenn dieses eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung nach Abs. 1 darzustellen vermag.
4) Die Entscheidungen nach Abs. 1 mit Ausnahme des Strafausspruches nach Ziff. 3 Satz 1 sowie der Vorbehalt nach Abs. 2 ergehen mit Beschluss. Der Beschluss ist gemeinsam mit dem Urteil zu verkünden und auszufertigen. Der Beschluss und sein Unterbleiben können mit Beschwerde angefochten werden.
5) In einem Beschluss, mit dem vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht oder bedingten Entlassung abgesehen wird, kann das erkennende Gericht auch die Probezeit verlängern; zugleich mit einem Ausspruch nach Abs. 1 Ziff. 1 oder 2 können auch Weisungen erteilt, die Bewährungshilfe angeordnet und Erziehungsmassnahmen getroffenen werden (§ 53 Abs. 2 StGB, § 8b Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz).
6) Das erkennende Gericht hat unverzüglich alle Gerichte zu verständigen, deren Vorentscheidungen von einer Entscheidung nach den vorstehenden Bestimmungen betroffen sind.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 335b1
Hat das erkennende Gericht bei der Urteilsfällung einen Ausspruch nach § 335a Abs. 1 Ziff. 3 oder 4 zu Unrecht unterlassen oder im Fall eines Ausspruches nach § 335a Abs. 1 Ziff. 2 die Probezeit nicht verlängert und hat der Ankläger das Unterbleiben einer solchen Entscheidung nicht angefochten, so darf ein Widerruf der bedingten Nachsicht oder Entlassung oder eine Verlängerung der Probezeit aus Anlass einer neuen Verurteilung nicht mehr erfolgen, sofern die frühere Verurteilung oder die bedingte Entlassung aktenkundig war.
§ 336
1) Ausser in den Fällen des § 335a entscheidet über den Widerruf der bedingten Nachsicht einer Strafe oder eines Strafteiles, der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder einer Rechtsfolge das Gericht in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss, das in jenem Verfahren, in dem die bedingte Nachsicht ausgesprochen worden ist, in erster Instanz erkannt hat.2
2) Die Beschlussfassung über einen Widerruf bei nachträglicher Verurteilung (§ 55 StGB) obliegt jenem Gericht (§ 15), in dessen Urteil eine bedingte Nachsicht in erster oder höherer Instanz aufgenommen und zuletzt rechtskräftig wurde; unter Gerichten verschiedener Ordnung entscheidet jenes höherer Ordnung, dessen Urteil eine bedingte Nachsicht enthält und zuletzt rechtskräftig wurde.
3) Vor der Entscheidung hat das Gericht den Ankläger, den Verurteilten und den Bewährungshelfer zu hören und eine Strafregisterauskunft einzuholen. Von der Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn sich erweist, dass sie ohne unverhältnismässigen Aufwand nicht durchführbar ist.3
§ 3374
Das Gericht und die Sicherheitsbehörden (§ 129 Abs. 2) können den Verurteilten in vorläufige Verwahrung nehmen, wenn dringender Verdacht besteht, dass Grund zum Widerruf der bedingten Nachsicht einer Strafe oder eines Strafteiles vorhanden sei, und die Flucht des Verurteilten zu befürchten ist (§§ 130, 131 Abs. 2 Ziff. 1 und Abs. 3).
2 § 335 abgeändert durch LGBl. 2006 Nr. 99.
3 Überschrift vor § 335a eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
4 § 335a eingefügt durch LGBl. 2006 Nr. 99.
IV. Endgültige Nachsicht1
§ 338
1) Der Ausspruch, dass die bedingte Nachsicht einer Strafe, der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder einer Rechtsfolge endgültig geworden ist, hat durch Beschluss des Vorsitzenden zu erfolgen.
2) Vor der Entscheidung ist der Ankläger zu hören und eine Strafregisterauskunft einzuholen.
V. Gemeinsame Bestimmungen2
§ 339
1) Alle Beschlüsse, die sich auf die Erteilung von Weisungen, die Anordnung der Bewährungshilfe, die Verlängerung der Probezeit, die gerichtliche Anordnung einer vorläufigen Verwahrung, den Widerruf einer bedingten Nachsicht oder die endgültige Nachsicht beziehen, können mit Beschwerde angefochten werden.3
2) Die Beschwerde steht zugunsten des Verurteilten diesem und allen anderen Personen zu, die zugunsten des Verurteilten Berufung erheben können, zum Nachteil des Verurteilten aber nur dem Ankläger. Die Beschwerde ist binnen vierzehn Tagen nach Bekanntmachung des Beschlusses an den Rechtsmittelwerber, wenn er aber diesem nicht zuzustellen war, binnen vierzehn Tagen nach Bekanntmachung an den Verurteilten einzubringen. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, es sei denn, dass sie gegen die Anordnung der vorläufigen Verwahrung gerichtet ist.
3) Die Beschwerde kann auch mit einer Berufung gegen das Urteil verbunden werden, das zugleich mit dem angefochtenen Beschluss ergangen ist (§§ 335 und 335a). In diesem Fall ist die Beschwerde rechtzeitig eingebracht, wenn die Berufung rechtzeitig eingebracht wurde. Im Übrigen ist eine zugunsten des Angeklagten ergriffene Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe auch als Beschwerde gegen den Beschluss zu betrachten.4
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
XXIV. Hauptstück
Von dem Verfahren bei vorbeugenden Massnahmen und
beim Verfall
I. Verfahren zur Unterbringung geistig abnormer
Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB
§ 340
1) Liegen hinreichende Gründe vor, dass die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 StGB gegeben seien, so hat der Ankläger einen Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zu stellen. Für diesen Antrag gelten die Bestimmungen über die Anklageschrift dem Sinne nach. Für das Verfahren aufgrund eines solchen Antrages gelten sinngemäss die Bestimmungen über das Strafverfahren, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird.
2) Einem Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher muss ein Untersuchungsverfahren gegen den Betroffenen vorangehen, für das folgende Besonderheiten gelten:
- Der Betroffene muss durch einen Verteidiger vertreten sein. Dieser ist zur Stellung von Anträgen auch gegen den Willen des Betroffenen berechtigt.
- Der Betroffene ist mindestens durch einen Sachverständigen auf dem Gebiete der Psychiatrie zu untersuchen.
- Der Untersuchungsrichter kann zu jeder Vernehmung des Betroffenen einen oder zwei Sachverständige beiziehen.
- Ist anzunehmen, dass die Schlussverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen wird durchgeführt werden müssen (§ 341 Abs. 5), so ist dem Ankläger, dem Privatbeteiligten, dem Verteidiger und dem gesetzlichen Vertreter des Betroffenen Gelegenheit zur Beteiligung an einer abschliessenden Vernehmung des Betroffenen zu geben.
- Von Vernehmungen des Betroffenen ist abzusehen, soweit sie wegen seines Zustandes nicht oder nur unter erheblicher Gefährdung seiner Gesundheit möglich sind.
3) Das Pflegschaftsgericht ist sogleich vom Verfahren zu verständigen.
4) Liegt einer der im § 131 Abs. 2 oder 7 angeführten Haftgründe vor, kann der Betroffene nicht ohne Gefahr für sich oder andere auf freiem Fuss bleiben oder ist seine ärztliche Beobachtung erforderlich, so ist seine vorläufige Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher oder seine Einweisung in eine Krankenanstalt für Geisteskrankheiten anzuordnen.
5) Über die Zulässigkeit der vorläufigen Anhaltung ist auf Antrag oder von Amts wegen in sinngemässer Anwendung der §§ 131 bis 132a, 141, 142 sowie 239 und 241 zu entscheiden.1
6) Im Falle eines Strafurteils (§ 344) ist die vorläufige Anhaltung auf Freiheits- und Geldstrafen anzurechnen (§ 38 StGB).
§ 341
1) Zur Entscheidung über den Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB ist das Kriminalgericht berufen.
2) Das Gericht entscheidet über den Antrag nach öffentlicher Schlussverhandlung, die in sinngemässer Anwendung der Bestimmungen des XIV. und XV. Hauptstückes durchzuführen ist, durch Urteil.
3) Während der ganzen Schlussverhandlung muss bei sonstiger Nichtigkeit ein Verteidiger des Betroffenen anwesend sein, der zur Stellung von Anträgen zugunsten des Betroffenen auch gegen dessen Willen berechtigt ist.
4) Der Schlussverhandlung ist bei sonstiger Nichtigkeit ein Sachverständiger (§ 340 Abs. 2 Ziff. 2) beizuziehen.
5) Soweit der Zustand des Betroffenen eine Beteiligung an der Schlussverhandlung innerhalb angemessener Frist nicht gestattet oder von einer solchen Beteiligung eine erhebliche Gefährdung seiner Gesundheit zu besorgen wäre, ist die Schlussverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen durchzuführen. Hierüber entscheidet das Gericht nach Vernehmung der Sachverständigen und Durchführung der allenfalls sonst erforderlichen Erhebungen mit Beschluss. Der Beschluss kann auch schon vor der Schlussverhandlung vom Vorsitzenden gefasst werden und ist in diesem Fall durch das binnen vierzehn Tagen einzubringende Rechtsmittel der Beschwerde gesondert anfechtbar. Ein Beschluss, die Schlussverhandlung zur Gänze in Abwesenheit des Betroffenen durchzu
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führen, darf nur gefasst werden, nachdem sich der Vorsitzende vom Zustand des Betroffenen überzeugt und mit ihm gesprochen hat. Wird von der Vernehmung des Betroffenen ganz oder teilweise abgesehen, wurde er aber in der Untersuchung vernommen, so ist das hierüber aufgenommene Protokoll zu verlesen.
6) Ein Anschluss an das Verfahren wegen privatrechtlicher Ansprüche ist unzulässig.
§ 342
1) Hat der Betroffene einen gesetzlichen Vertreter, so sind diesem der Antrag und sämtliche gerichtlichen Entscheidungen auf dieselbe Weise bekanntzumachen wie dem Betroffenen selbst. Der gesetzliche Vertreter ist auch von der Anordnung der Schlussverhandlung zu benachrichtigen.
2) Der gesetzliche Vertreter ist berechtigt, für den Betroffenen auch gegen dessen Willen alle Rechtsmittel zu ergreifen, die das Gesetz dem Betroffenen gewährt. Die Frist zur Erhebung von Rechtsmitteln läuft für den gesetzlichen Vertreter von dem Tag, an dem ihm die Entscheidung eröffnet wird.
3) Hat der Betroffene keinen gesetzlichen Vertreter, ist dieser der Beteiligung an der mit Strafe bedrohten Handlung des Betroffenen verdächtig oder überwiesen, kann er dem Betroffenen aus anderen Gründen im Verfahren nicht beistehen oder ist er trotz ordnungsgemässer Benachrichtigung zur Schlussverhandlung nicht erschienen, so stehen die Rechte des gesetzlichen Vertreters dem Verteidiger des Betroffenen zu.
4) Von der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB ist das Pflegschaftsgericht zu verständigen.
§ 343
1) Das Urteil kann in sinngemässer Anwendung der §§ 219 bis 221 zugunsten und zum Nachteile des Betroffenen mit Berufung angefochten werden. Im Falle der Unterbringung steht dieses Rechtsmittel auch den Betroffenen und seinen Angehörigen (§ 218) zu. Die Anmeldung der Berufung hat aufschiebende Wirkung.
2) Für die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen gelten die Bestimmungen des XVIII. Hauptstückes sinngemäss.
§ 344
1) Erachtet das Gericht in einem Verfahren, das auf die Unterbringung einer Person in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gerichtet ist, dass der Betroffene wegen der Tat bestraft werden könnte, so hat es die Parteien hierüber zu hören. In der Schlussverhandlung ist über einen allfälligen Vertagungsantrag zu entscheiden. Das gleiche gilt, wenn das Gericht in einem Strafverfahren zur Auffassung gelangt, dass eine Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB in Betracht kommt. Wird das Verfahren nicht vor dem Kriminalgericht geführt, so hat jedes andere Gericht bei sonstiger Nichtigkeit seine Unzuständigkeit auszusprechen.
2) Der Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher steht einer Anklageschrift gleich. Der Ankläger hat jedoch das Recht, den Antrag bis zum Beginn der Schlussverhandlung gegen eine Anklageschrift auszutauschen.
3) Aufgrund einer Anklageschrift kann eine Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB nur angeordnet werden, wenn in der Schlussverhandlung die Vorschriften des § 341 Abs. 3 und 4 und des § 342 Abs. 1 letzter Satz beobachtet worden sind. Erforderlichenfalls ist die Schlussverhandlung zu vertagen (§ 201).
II. Verfahren zur Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher, entwöhnungsbedürftiger Rechtsbrecher oder gefährlicher Rückfallstäter nach den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 StGB in die hiefür vorgesehenen Anstalten und zur Verhängung eines Tätigkeitsverbotes nach § 220 StGB1
§ 345
1) Über die Anwendung der in den §§ 21 Abs. 2, 22, 23 und 220 StGB vorgesehenen vorbeugenden Massnahmen ist in der Regel (§ 351) im Strafurteil zu entscheiden.2
2) Die Anordnung der Unterbringung in einer der in diesen Bestimmungen genannten Anstalten oder ihr Unterbleiben sowie die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes oder deren Unterbleiben bilden einen Teil
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
des Ausspruches über die Strafe und können zugunsten und zum Nachteil des Verurteilten mit Berufung angefochten werden.1
3) Hat das Gericht durch die Entscheidung über die vorbeugenden Massnahmen seine Befugnisse überschritten, bildet dies einen Nichtigkeitsgrund nach § 221 Ziff. 3.
§ 346
1) Die Anordnung der Unterbringung in einer der in den §§ 21 Abs. 2 und 23 StGB vorgesehenen Anstalten darf nur erfolgen, wenn ein Untersuchungsverfahren stattgefunden hat.
2) Für dieses Untersuchungsverfahren gelten im Falle des § 21 Abs. 2 StGB die im § 340 Abs. 2 Ziff. 1 bis 3 erwähnten Besonderheiten.
§ 3472
Beabsichtigt der Ankläger, einen Antrag auf Unterbringung in einer der in den §§ 21 Abs. 2, 22 oder 23 StGB vorgesehenen Anstalten oder auf Anordnung eines Tätigkeitsverbotes zu stellen, so hat er das in der Anklageschrift (im Strafantrag) zu erklären. Das Gericht kann die Unterbringung oder das Tätigkeitsverbot jedoch auch ohne einen solchen Antrag anordnen.
§ 3483
Liegen hinreichende Gründe für die Annahme, dass die Voraussetzungen der §§ 21 Abs. 2 oder 22 StGB gegeben seien, und Haftgründe (§ 131 Abs. 2 und 7) vor, kann der Beschuldigte aber nicht ohne Schwierigkeiten im gerichtlichen Landesgefängnis angehalten werden, so ist mit Beschluss anzuordnen, dass die Untersuchungshaft durch vorläufige Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher oder in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher zu vollziehen ist. Auf den Vollzug der Untersuchungshaft sind in diesem Fall die Bestimmungen über den Vollzug dieser vorbeugenden Massnahmen dem Sinne nach anzuwenden.
§ 349
1) Die Anordnung der in den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 StGB vorgesehenen vorbeugenden Massnahmen ist nichtig, wenn nicht während der ganzen Schlussverhandlung ein Verteidiger des Beschuldigten anwesend war. Die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes (§ 220 StGB) ist nichtig, wenn deren Voraussetzungen in der Schlussverhandlung nicht erörtert wurden.1
2) Die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB, in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter darf bei sonstiger Nichtigkeit überdies nur nach Beiziehung zumindest eines Sachverständigen (§ 340 Abs. 2 Ziff. 2) angeordnet werden.
3) Sieht das Gericht von der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher wegen der Höhe der ausgesprochenen Strafe ab (§ 22 Abs. 2 StGB), so hat es diesen Umstand in der Entscheidung zu begründen.
§ 350
Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen Vertreter, so ist in einem Verfahren, in dem hinreichende Gründe für die Annahme der Voraussetzungen der §§ 21 Abs. 2 oder 22 StGB vorliegen, § 342 dem Sinne nach anzuwenden.
§ 351
1) Liegen hinreichende Gründe für die Annahme vor, dass die Voraussetzungen für die selbständige Anordnung der in den §§ 21 Abs. 2, 22, 23 und 220 StGB vorgesehenen vorbeugenden Massnahmen gegeben seien (§ 65 Abs. 5 StGB), so hat der Ankläger einen Antrag auf Anordnung einer der in diesen Bestimmungen genannten vorbeugenden Massnahmen zu stellen. Für diesen Antrag gelten die Bestimmungen über die Anklageschrift sinngemäss.2
2) Die §§ 341 Abs. 1 und 2, 343, 346, 349 Abs. 1 und 2 und 350 gelten in diesem Fall entsprechend.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 352
Liegt einer der im § 131 Abs. 2 genannten Haftgründe vor, so ist die vorläufige Anhaltung des Betroffenen in einer der im § 351 Abs. 1 genannten Anstalten anzuordnen. § 340 Abs. 5 und 6 gilt dem Sinne nach.
III. Verfahren bei der Abschöpfung der Bereicherung, beim Verfall und bei der Einziehung1
§ 3532
1) Über die Abschöpfung der Bereicherung, den Verfall, die Einziehung und andere vermögensrechtliche Anordnungen der strafrechtlichen Nebengesetzgebung ist im Strafurteil zu entscheiden, soweit in diesem Abschnitt oder in anderen Gesetzen nichts anderes bestimmt wird.
2) Wenn die Ergebnisse des Strafverfahrens weder an sich noch nach Durchführung einfacher zusätzlicher Erhebungen ausreichen, um über die im Abs. 1 angeführten vermögensrechtlichen Anordnungen verlässlich urteilen zu können, kann ihr Ausspruch durch Beschluss einer gesonderten Entscheidung (§§ 356, 356a) vorbehalten bleiben, ausser welchem Falle eine solche Anordnung wegen der betroffenen Vermögenswerte oder Gegenstände nicht mehr zulässig ist.
3) Die Entscheidung über vermögensrechtliche Anordnungen steht, ausser im Fall des § 356a, dem Ausspruch über die Strafe gleich und kann zugunsten und zum Nachteil des Verurteilten oder des sonst von der Anordnung Betroffenen (§ 354) mit Berufung angefochten werden.
§ 3543
1) Personen, die ein Recht auf die vom Verfall oder von der Einziehung bedrohten Vermögenswerte oder Gegenstände haben oder ein solches Recht geltend machen, die für Geldstrafen oder für die Kosten des Strafverfahrens haften oder die, ohne selbst beschuldigt oder angeklagt zu sein, von der Abschöpfung der Bereicherung, vom Verfall oder von der Einziehung bedroht sind, sind zur Schlussverhandlung zu laden. Sie haben in der Schlussverhandlung und im nachfolgenden Verfahren, so
weit es sich um die Entscheidung über diese vermögensrechtlichen Anordnungen handelt, die Rechte des Beschuldigten. Wenn den Betroffenen die Vorladung zugestellt wurde, kann auch in ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden.
2) Machen die in Abs. 1 erwähnten Personen ihr Recht erst nach Rechtskraft der Entscheidung über den Verfall oder die Einziehung gel-tend, so steht es ihnen frei, ihre Ansprüche auf den Gegenstand oder dessen Kaufpreis (§ 253) binnen dreissig Jahren nach der Entscheidung gegen das Land im Zivilrechtsweg geltend zu machen.
§ 3551
Aufgehoben
§ 3562
1) Liegen hinreichende Gründe für die Annahme vor, dass die Voraussetzungen der Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB), des Verfalls (§ 20b StGB) oder der Einziehung (§ 26 StGB) gegeben seien, ohne dass hierüber in einem Strafverfahren oder in einem auf Unterbringung in einem der in den §§ 21 bis 23 StGB genannten Anstalten gerichteten Verfahren entschieden werden kann, so hat der Ankläger einen selbständigen Antrag auf Erlassung einer solchen vermögensrechtlichen Anordnung zu stellen.
2) Über einen Antrag auf Abschöpfung der Bereicherung oder auf Verfall hat das Gericht, welches für die Verhandlung und Urteilsfällung wegen jener Tat, die die Anordnung begründen soll, zuständig war oder wäre, in einem selbständigen Verfahren nach öffentlicher mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden. Hat das Kriminalgericht oder das Schöffengericht über die Tat geurteilt, die die Anordnung begründen soll, oder die Entscheidung vorbehalten (§ 353 Abs. 2), so ist dessen Vorsitzender als Einzelrichter zuständig.
3) Über einen Antrag auf Einziehung hat der Einzelrichter in einem selbständigen Verfahren nach öffentlicher mündlicher Verhandlung in der Regel (§ 356a) durch Urteil zu entscheiden. Die Bestimmungen über die Schlussverhandlung bei strafbaren Handlungen, für die keine sechs Monate übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist, sowie § 354 sind dem Sinne nach anzuwenden.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
4) Das Urteil kann in sinngemässer Anwendung des Hauptstückes über die Rechtsmittel zugunsten und zum Nachteil des Betroffenen mit Berufung angefochten werden; § 354 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.
§ 356a1
1) Über einen Antrag auf Einziehung in einem selbständigen Verfahren kann der Einzelrichter nach Anhörung des Anklägers und der Betroffenen (§ 354) durch Beschluss entscheiden, wenn der Wert des von der Einziehung bedrohten Gegenstandes 2 000 Franken nicht übersteigt oder es sich um einen Gegenstand handelt, dessen Besitz allgemein verboten ist. Sofern der Aufenthaltsort des Betroffenen im Ausland liegt oder ohne besonderen Verfahrensaufwand nicht feststellbar ist, kann von dessen Anhörung abgesehen werden.
2) Gegen einen Beschluss nach Abs. 1 steht dem Betroffenen und dem Ankläger die Beschwerde an das Obergericht zu. Die Beschwerde ist dem Gegner mit dem Bedeuten mitzuteilen, dass er binnen vierzehn Tagen eine Gegenausführung überreichen könne.
§ 357
Ergeben sich die Voraussetzungen für das selbständige Verfahren erst in der Schlussverhandlung, so kann die Entscheidung auch in einem Urteil ergehen, in dem der Beschuldigte freigesprochen oder der Antrag auf Anstaltsunterbringung abgewiesen wird.
XXV. Hauptstück
Von dem Verfahren wegen der Verantwortlichkeit juristischer Personen2
§ 357a3
1) Für Verfahren wegen der Verantwortlichkeit einer juristischen Person (§ 74a StGB) gilt dieses Gesetz sinngemäss, soweit es nicht aus
schliesslich auf natürliche Personen anwendbar ist und sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt.
2) Die Zuständigkeit des Gerichts für die Anlasstat begründet auch die Zuständigkeit für das Verfahren gegen die verdächtige juristische Person. Die Verfahren sind in der Regel gemeinsam zu führen.
3) Der Antrag auf Bestrafung der juristischen Person ist mit der Anklageschrift, dem Strafantrag oder dem Bestrafungsantrag gegen natürliche Personen zu verbinden, wenn die Verfahren gemeinsam geführt werden können. In einem Antrag auf Bestrafung der juristischen Person ist jedenfalls der Sachverhalt zusammenzufassen und zu beurteilen, aus dem sich die Verantwortlichkeit der juristischen Person ergibt.
4) Unter den Voraussetzungen des § 67 Abs. 3 ist auch eine abgesonderte Führung des Strafverfahrens gegen die juristische Person zulässig.
§ 357b1
1) Die juristische Person, gegenüber welcher der Verdacht einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit besteht, hat im Verfahren die Rechte des Beschuldigten.
2) Die juristische Person wird im Verfahren durch ein Mitglied des zur Vertretung nach aussen befugten Organs oder durch eine andere von dem zur Vertretung nach aussen befugten Organ namhaft gemachte Person vertreten.
3) Machen die Mitglieder des zur Vertretung nach aussen befugten Organs trotz Aufforderung durch das Gericht innerhalb angemessener Frist keine geeignete Person namhaft, so hat das Gericht von Amts wegen einen geeigneten Vertreter zu bestellen. Die Bestellung endet mit dem Einschreiten eines durch die Organe der juristischen Person namhaft gemachten Vertreters oder eines gewählten Verteidigers.
4) Stehen sämtliche Mitglieder des zur Vertretung nach aussen befugten Organs selbst im Verdacht, die Anlasstat begangen zu haben, und machen sie trotz Aufforderung durch das Gericht innerhalb angemessener Frist keine geeignete Person namhaft, so ist nach Abs. 3 vorzugehen.
5) Wurde der juristischen Person wirksam zugestellt, so gilt auch die Bekanntgabe an den Rechtsnachfolger (§ 74d StGB) als erfolgt.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
§ 357c1
Die Leitungspersonen der juristischen Person sowie jene Mitarbeiter, die im Verdacht stehen, die Anlasstat begangen zu haben, oder wegen der Anlasstat bereits verurteilt sind, sind als Beschuldigte zu laden und zu vernehmen.
§ 357d2
1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer juristischen Person absehen oder zurücktreten, wenn in Abwägung der Schwere der Anlasstat, der Folgen der Tat, des Gewichts des Organisationsmangels, des Verhaltens der juristischen Person nach der Tat, insbesondere der Wiedergutmachung des Schadens, der zu erwartenden Höhe der über die juristische Person zu verhängenden Verbandsgeldstrafe sowie allfälliger bereits eingetretener oder unmittelbar absehbarer rechtlicher Nachteile der juristischen Person oder ihrer Eigentümer aus der Tat eine Verfolgung und Sanktionierung der juristischen Person verzichtbar erscheint.
2) Sie kann überdies von der Verfolgung einer juristischen Person absehen oder zurücktreten, wenn Erhebungen oder Verfolgungsanträge mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden wären, der offenkundig ausser Verhältnis zur Bedeutung der Sache oder zu den im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Sanktionen stünde.
3) Von der Verfolgung darf jedoch dann nicht abgesehen oder zurückgetreten werden, wenn diese
- wegen einer von der juristischen Person ausgehenden Gefahr der Begehung einer Tat mit schweren Folgen, für die die juristische Person verantwortlich sein könnte,
- um der Begehung von Taten im Rahmen der Tätigkeit anderer juristischer Personen entgegen zu wirken, oder
- sonst wegen eines besonderen öffentlichen Interesses geboten erscheint.
§ 357e1
Ist eine juristische Person dringend verdächtig, für eine Anlasstat verantwortlich zu sein, und ist anzunehmen, dass über sie eine Verbandsgeldstrafe verhängt werden wird, so hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft zur Sicherung der Verbandsgeldstrafe eine Anordnung nach § 97a zu treffen, wenn und soweit zu befürchten ist, dass andernfalls die Einbringung gefährdet oder wesentlich erschwert würde.
§ 357f2
1) Steht aufgrund hinreichend geklärten Sachverhalts fest, dass ein Zurücklegen der Anzeige nach § 22 oder ein Vorgehen nach § 357d nicht in Betracht kommt, und liegen die im § 22a genannten Voraussetzungen vor, so hat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer juristischen Person wegen der Verantwortlichkeit für eine Anlasstat zurückzutreten, wenn die Verhängung einer Verbandsgeldstrafe im Hinblick auf
- die Zahlung eines Geldbetrages, der in Höhe von bis zu 100 Tagessätzen zuzüglich der im Fall einer Verurteilung zu ersetzenden Kosten des Verfahrens festzusetzen ist,
- eine zu bestimmende Probezeit von bis zu drei Jahren, soweit möglich und zweckmässig in Verbindung mit der ausdrücklich erklärten Bereitschaft der juristischen Person, technische, organisatorische oder personelle Massnahmen zur Verhinderung weiterer Taten zu ergreifen, für die die juristische Person verantwortlich ist, oder
- die ausdrückliche Erklärung der juristischen Person, innerhalb einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten unentgeltlich bestimmte gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
nicht geboten erscheint, um der Begehung von Anlasstaten, für die die juristische Person verantwortlich gemacht werden kann, und der Begehung von Anlasstaten im Rahmen der Tätigkeit anderer juristischer Personen entgegen zu wirken. § 22e ist nicht anzuwenden.
2) Soweit nicht aus besonderen Gründen darauf verzichtet werden kann, ist der Rücktritt von der Verfolgung überdies davon abhängig zu machen, dass die juristische Person binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten den aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht und dies unverzüglich nachweist.
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
3) Nach Einleitung der Untersuchung oder Einbringung des Antrags auf Bestrafung der juristischen Person wegen einer Anlasstat, die von Amts wegen zu verfolgen ist, hat das Gericht Abs. 1 und 2 sinngemäss anzuwenden und das Verfahren gegen die juristische Person unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Schlussverhandlung mit Beschluss einzustellen.
§ 357g1
Ist die juristische Person in der Schlussverhandlung nicht vertreten, so kann das Gericht die Schlussverhandlung durchführen, die Beweise aufnehmen und das Urteil fällen, jedoch bei sonstiger Nichtigkeit nur dann, wenn die Ladung zur Schlussverhandlung wirksam zugestellt wurde und in der Ladung diese Rechtsfolgen angedroht wurden. Das Urteil ist in diesem Fall der juristischen Person in schriftlicher Ausfertigung zuzustellen.
1 § 357g eingefügt durch LGBl. 2010 Nr. 379.
2 Überschrift vor § 357a eingefügt durch LGBl. 2010 Nr. 379.
3 § 357a eingefügt durch LGBl. 2010 Nr. 379.
XXVI. Hauptstück
Schluss- und Übergangsbestimmungen1
§ 358
Inkrafttreten
1) Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Strafgesetzbuch am 1. Januar 1989 in Kraft.
2) Mit dem Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes treten alle ihm widersprechenden Bestimmungen in anderen Gesetzen ausser Kraft, soweit sich aus diesem Gesetz nicht etwas anderes ergibt.
3) Insbesondere werden aufgehoben die Strafprozessordnung vom
31. Dezember 1913, LGBl. 1914 Nr. 3, in der Fassung der Gesetze vom
12. September 1916, LGBl. 1916 Nr. 9, vom 7. April 1922, LGBl. 1922 Nr. 16 und 17, vom 1. Juni 1922, LGBl. 1922 Nr. 21, vom 22. September 1966, LGBl. 1966 Nr. 24, vom 27. September 1972, LGBl. 1972 Nr. 54, vom 19. September 1979, LGBl. 1980 Nr. 11, vom 23. Juni 1981, LGBl. 1981 Nr. 39, und vom 5. Oktober 1983, LGBl. 1983 Nr. 53.
§ 359
Übergangsbestimmungen
1) Die Änderungen der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte durch die neuen strafverfahrensrechtlichen Bestimmungen haben auf bereits anhängige Strafverfahren keinen Einfluss. Ist jedoch nach dem neuen Recht ein Gericht höherer Ordnung zuständig und hat noch keine Schlussverhandlung stattgefunden, so ist das Verfahren dem nunmehr zuständigen Gericht abzutreten.
2) Für Fristen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits abgelaufen sind, gilt das alte Recht. Noch nicht abgelaufene Fristen sind dagegen nach dem neuen Recht zu berechnen.
3) Die Bestimmungen über die Zulässigkeit und den Inhalt von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen sowie für das darauf anzuwendende Verfahren sind für Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen, welche vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt wurden, nur anzuwenden, wenn die
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
nach Abs. 2 berechnete Rechtsmittelfrist zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch nicht abgelaufen war.
4) Dasselbe gilt sinngemäss auch für sonstige Rechtsbehelfe, insbesondere den Einspruch gegen eine vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingebrachte Anklageschrift.
5) Ist in einem Verfahren noch das materielle Recht anzuwenden, das vor dem Inkrafttreten der neuen materiellen Bestimmungen in Geltung gestanden war, so sind die neuen strafverfahrensrechtlichen Vorschriften dennoch in Anwendung zu bringen, soweit diese für den Angeklagten günstiger sind als die bisherigen strafverfahrensrechtlichen Vorschriften. Wird das in erster Instanz gefällte Urteil durch ein Rechtsmittelgericht aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an eine Unterinstanz zurückverwiesen, so gelten für das erneuerte Verfahren uneingeschränkt die Bestimmungen dieses Gesetzes.
6) Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Strafverfahrens richten sich bei Verurteilungen, die nach dem bisherigen Recht erfolgten, nach den für den Verurteilten günstigeren verfahrensrechtlichen Bestimmungen.
§ 3601
Aufgehoben
In Stellvertretung des Landesfürsten: gez. Hans-Adam Erbprinz
gez. Hans Brunhart Fürstlicher Regierungschef
Übergangsbestimmungen
312.0 Strafprozessordnung (StPO)
312.0 Übergangsbestimmungen
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 1998 Nr. 174 ausgegeben am 2. November 1998
Gesetz
vom 22. Oktober 1998
über die Abänderung der Strafprozessordnung
...
II. Übergangsbestimmungen
1) Dieses Gesetz findet auch auf hängige Verfahren Anwendung.
2) Bei hängigen Verfahren wird die Frist von zwei Jahren gemäss § 97a Abs. 4 ab dem Inkrafttreten1 dieses Gesetzes gerechnet.
3) Sofern in hängigen Verfahren noch keine Fristsetzung erfolgt ist, sind die nach bisherigem Recht getroffenen Anordnungen auf Antrag der Verfahrensbeteiligten im Sinne von § 97a Abs. 4 zu befristen.
...
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2000 Nr. 257 ausgegeben am 19. Dezember 2000
Gesetz
vom 25. Oktober 2000
über die Abänderung der Strafprozessordnung
...
II.
Übergangsbestimmung
Ist in einem Verfahren noch das materielle Recht anzuwenden, das vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 25. Oktober 20001 über die Abänderung des Strafgesetzbuches in Geltung gestanden war, so sind die Bestimmungen dieses Gesetzes dennoch in Anwendung zu bringen, soweit diese für den Angeklagten günstiger sind als die bisherigen strafverfahrensrechtlichen Vorschriften. Wird das in erster Instanz gefällte Urteil durch ein Rechtsmittelgericht aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an eine Unterinstanz zurückverwiesen, so gelten für das erneuerte Verfahren uneingeschränkt die Bestimmungen dieses Gesetzes.
...
312.0 Übergangsbestimmungen
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2006 Nr. 99 ausgegeben am 7. Juni 2006
Gesetz
vom 17. März 2006
über die Abänderung der Strafprozessordnung
...
II. Übergangsbestimmung
Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor dem Inkrafttreten1 dieses Gesetzes die Anklage rechtskräftig oder ein Antrag auf Bestrafung eingebracht wurde.
...
1 Inkrafttreten: 1. 1. 2007
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2007 Nr. 292 ausgegeben am 21. November 2007
Gesetz
vom 20. September 2007
über die Abänderung der Strafprozessordnung
...
III.
Übergangsbestimmungen
1) Änderungen der Voraussetzungen für die Erhebung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen sowie der Zuständigkeit und des Verfahrens zur Entscheidung hierüber haben keinen Einfluss, wenn die betroffene Entscheidung des Gerichts vor dem Inkrafttreten1 dieses Gesetzes ergangen ist. Entscheidungen des Obergerichts, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgrund des bisherigen Rechts ergehen, lösen eine Haftfrist von zwei Monaten aus.
2) Der neu gefasste § 132 (Haftfristen) ist auf Beschlüsse, mit denen vor dem Inkrafttreten1 dieses Gesetzes die Untersuchungshaft verhängt oder fortgesetzt worden ist, sofern sich der Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt noch in Haft befindet, mit der Massgabe anzuwenden, dass
- das Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Haftfrist von zwei Monaten auslöst;
- ein Verzicht des Beschuldigten auf die Durchführung einer bevorstehenden Haftverhandlung jedenfalls zulässig ist, in welchem Fall der Beschluss über die Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft schriftlich ergehen kann.
312.0 Übergangsbestimmungen
3) Bei Personen, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens1 dieses Gesetzes in Untersuchungshaft befinden, ist im Hinblick auf die Beigabe und Bestellung eines Verteidigers im Sinne des neu gefassten § 26 Abs. 3 vorzugehen.
4) Der neu gefasste § 142 (Höchstdauer der Untersuchungshaft) ist auch in Fällen anzuwenden, in denen die Untersuchungshaft vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens1 dieses Gesetzes verhängt wurde.
...
1 Inkrafttreten: 1. 1. 2008